Seit der Veröffentlichung von dem neuen Calamus-Anwendermagazin „Die Feder" häufen sich in unserer Redaktion die Nachfragen, wie PDF-Dateien auf dem Atari angezeigt werden können. Wir zeigen Möglichkeiten auf.
Das PDF-Format wird in der heutigen Online-Welt immer wichtiger, gemgs stellt diese Dokumente auf dem Atari dar.
Das PostScript-Format hat sich in den letzten 15 Jahren in der Druckvorstufe fest etablieren können. Nahezu alle modernen Layout-Programme sind in der Lage ihre Daten in dieser plattformübergreifenden Seitenbeschreibungssprache auszugeben. Auf dem Atari hat das PostScript-Format zunächst sehr zögerlich Einzug gehalten. Obwohl der ST und später der TT dem kalifornischen Unternehmen einen netten Nebenverdienst im DTP-Markt der 80er und 90er Jahre einbrachte, waren es zunächst nur die Programme Publishing Partner Master (existiert übrigens noch unter dem Namen „PageStream" auf den Plattformen Macintosh und Amiga) und DA's Layout, die Seitenausgaben in PostScript unterstützten. Der unangefochtene Marktführer Calamus beschränkte sich lange Jahre auf das hauseigene - und überlegene - SoftRipping-Verfahren. Erst vor einigen Jahren hielt das PostScript-Format auch in den Calamus über das Zusatzmodul „Bridge" Einzug. Mittlerweile ist es auch hier im täglichen Gebrauch und befreit den ambitionierten Calamus-Anwender vom Umweg über exklusive Calamus-Belichter bei der Ausgabe.
Das PDF-Format entwickelte sich als „Nebenprodukt" der PostScript-Technologie und lässt die qualitativ hochwertige Darstellung von Dokumenten auf dem Bildschirm dar. Es ist ebenfalls plattformunabhängig gestaltet und erlaubt so den Austausch von Dokumenten zur Korrektur und zum Ausdruck. Durch das Internet erfuhr es in den letzten Jahren eine zunehmende Akzeptanz und besonders eine rasende Verbreitung. Mittlerweile gilt es z.B. als völlig normal Software-Dokumentationen und Proofs im PDF-Format anzubieten. Die Vorteile liegen auf der Hand: der Anbieter (somit also auch mit finanziell begrenzten Mitteln arbeitende Shareware-Autoren) können hochwertige Dokumente in einem Layoutprogramm erstellen und sparen die Kosten für den teuren Druck. Der Anwender kann sich die Dokumente ohne plattformabhängige Begrenzungen in gewünschter Qualität ausdrucken. Wenn er dies nicht wünscht, kann er mit Hilfe von PDF-Darstellungsprogrammen direkt am Bildschirm in den Dateien herumblättern. Im Gegensatz zu einer Anleitung z.B. im HTML-Format braucht der Anwender seine Leserverhalten im Vergleich zum gedruckten Dokument nur unwesentlich oder sogar gar nicht umstellen.
Kommen wir noch einmal zurück zum Calamus. Mit zunehmender Akzeptanz des PDF-Formats im Publishing-Bereich liegt es natürlich nahe, auch ganze Zeitschriften im PDF-Format zu publizieren. Dies eignet sich natürlich besonders bei Objekten, die von der Kaufkraft her kein eigenes Printmagazin rechtfertigen. Und so verwundert es nicht, dass mit „Die Feder" das erste PDF-Magazin für den Calamus erschienen ist.
Nach unserem Bericht in Ausgabe 05-2001 erhielten wir verstärkt Anfragen nach der Darstellbarkeit der Online-Zeitschrift auf dem Atari.
Damit PDF-Dokumente auf dem Bildschirm dargestellt werden können, braucht der Anwender wie erwähnt ein PDF-Reader-Programm. Auf den den „großen" Plattformen wie Mac OS und Windows hat sich der Acrobat Reader von Adobe als Standard etabliert. Das Programm ist komfortabel zu bedienen und auf die unterschiedlichen Betriebssysteme optimiert. Trotzdem ist Acrobat nicht das einzige Programm, das in der Lage ist, PDF-Dokumente darzustellen. Besonders im Unix-Bereich hat sich GhostScript durchsetzen können, ein frei erhältliches Programmpaket unter der GNU Public License. Der Quelltext steht frei zur Verfügung und eignet sich daher auch für Portierungen. So dauerte es nicht lange, bis auch für den Atari eine erste Umsetzung verfügbar war. Die reine GhostScript-Portierung konnte jedoch nur Profianwender befriedigen, denn sie erforderte einiges an Konfigurationsarbeit. Außerdem fehlte ihr eine vernünftige grafische Oberfläche.
Christian Felsch machte es sich daher zur Aufgabe, den Programmcode nochmals zu überarbeiten und mit einer GEM-Oberfläche zu versehen, sodass auch weniger ambitionierte Atari-Anwender PDF- und PostScript-Dokumente darstellen können. Die aktuelle Version seines Programms gemgs stammt vom März 2000 und basiert auf den Ghost-Script-Sourcen 6.01.
Nochmals: gemgs stellt eigentlich die Umsetzung eines Unix-Programms und kein auf dem Atari und für den Atari erstelltes Programm dar. gemgs erweitert das Unix-Programm GhostScript um eine mausorientierte Benutzeroberfläche, wie dies unter Unix durch ghostview erreicht wird. Insofern ist gemgs natürlich an die Vor- und Nachteile des originalen Programms gebunden.
Die Distribution besteht aus mehreren Teilen: die wichtigsten Bestandteile sind das Hauptprogramm, die verschiedenen Libraries und die PostScript-Zeichensatzdateien, die die Darstellung auf dem Bildschirm erst ermöglichen. Hat man sich die verschiedenen Archive herunter geladen, gilt es sie zu installieren. Dies ist jedoch relativ einfach, wie unsere auf Screenshots veranschaulichen.
gemgs liegt in getrennt kompilierten Versionen für 68000- und 68030-Systeme vor. Der Entwickler hat das Programm so entwickelt, dass sowohl das gute, alte Singe-TOS als auch Multitasking-Systeme wie MiNT und MagiC unterstützt werden, in unserem Test hatten wir auch tatsächlich auf einem Atari Falcon und einem Mega STE keine Probleme mit gemgs, während das Programm sich trotz korrekter Installation unter MagiCMac auf einem Macintosh G4 unmittelbar nach dem Start mitsamt des gesamten Betriebssystem ins Nirvana verabschiedete.
Ob ein PDF- oder PostScript-Dokument komplett auf dem Rechner dargestellt werden kann, hängt natürlich auch vom Speicherausbau ab. Je nach Auflösung kann ein PDF-File mehrere MB umfassen. Reine PostScript-Dateien können je nach den darin verwendeten Grafiken sogar 100 MBytes oder mehr umfassen. Selbst wenn ein „kleiner" ST also zum Betrieb von gemgs theoretisch ausreicht, so ist zum tatsächlichen Arbeiten doch etwas mehr notwendig.
Die Konfiguration von gemgs ist erfreulich einfach und sollte auch von unerfahrenen Anwendern ohne Probleme durchzuführen sein. Es muss nur eine einzige Konfigurationsdatei angepasst werden, die Pfadangaben zu den Library- bzw. Schriftsatzordnern enthält. Zwar wäre es eleganter gewesen, diese Angaben innerhalb eines Voreinstellungs-Fensters innerhalb der GEM-Oberfläche unterzubringen, der Aufwand ist aber auch so überschaubar.
Es empfiehlt sich, das auf dem eigenen Rechner so verwendende Programm (also die 000- oder die 030-Variante) mit dem Extender ,,.app" zu versehen, damit gemgs ohne Parametereingabe direkt startet. Der Start erfolgt nicht so flink wie von einem Atari-Programm gewohnt: ein bis zwei Minuten braucht das Programm auf dem Falcon um den Interpreter zu initialisieren. Danach öffnet sich ein Console-Fenster. Wer masochistisch veranlagt ist, kann nun loslegen um sich eine eigene PostScript-Datei zu stricken! Weniger selbstverachtende Anwender nutzen nun erst einmal die Gelegenheit sich in den Menüs umzuschauen und zurecht zu finden.
Die Voreinstellungsmöglichkeiten sind recht spartanisch gehalten, erfüllen aber ihren Zweck. Am wichtigsten ist natürlich die Festlegung auf das Ausgabemedium. Der Anwender hat hier die Möglichkeit der Ausgabe auf einen Drucker (unterstützt werden die verschiedensten Nadel-, Tintenstrahl-und Laserdrucker), den Bildschirm und in eine Datei, wobei von IMG und TIFF über PNG und JPEG bis hin zu PDF und EPS alle gängigen Formate unterstützt werden - Unix sei Dank! Sogar verschiedene Packalgorithmen stehen bei Formaten, die dies vorsehen, bereit.
Weitere Voreinstellungsdialoge erlauben die Festlegung des Seitenformats (DIN Al bis DIN A4 bzw. verschiedene ausländische Standardformate) und der Ausgabeauflösung (80 bis 600 dpi).
gemgs erwartet zur Darstellung Dateien in den Formaten *.ps, *.eps bzw. *.pdf. Die Dateien können über Dateiauswahlbox oder per Drag & Drop an das Programm übergeben werden.
Wer eine Datei ausgewählt hat, bemerkt schnell das Hauptmanko von gemgs: die Arbeitsgeschwindigkeit ist kriechend langsam. Besonders deutlich wird dies bei der Berechnung und Darstellung von PDF-Dokumenten. So brauchte ein Atari Falcon 030, der mit 32 MHz getaktet ist, satte 12 Minuten um die Startseite von „Die Feder" darzustellen. Wer die nahezu ohne Verzögerungen arbeitende Darstellung des Acrobat Reader auf heutigen Systemen kennt, versinkt hier natürlich vor Scham in den Boden. Diese arge Geduldsprobe hat jedoch drei Gründe: zuerst einmal ist nochmals anzumerken, dass es sich bei gemgs immer „nur" um einen Port eines unter Unix entwickelten Programms handelt, das eben nicht für den Atari entwickelt und schon gar nicht auf dessen Hardware optimiert wurde. Auch die 030-Version von gemgs stellt eben nur eine für diesen Prozessor kompilierte Variante dar, von einer wirklichen Optimierung kann aber nicht gesprochen werden. Hinzu kommt - auch wenn es weh tut - das Alter der originalen Atari-Hardware. Selbst ein 68040- oder gar ein 68060-„Atari" geht bei einem aufwändigen PDF-Dokument in die Knie, ein lockeres Blättern wie z.B. auf einem G4-Prozessor und modernster Grafik-Hardware ist nicht so ohne weiteres möglich. Hier muss der Atari-Anwender ähnlich wie bei der Darstellung aufwändiger Internet-Seiten dem Zahn der Zeit mit der eigenen Kauleiste knirschend Tribut zollend.
Bei PDF-Dokumenten kommt aber noch ein dritter Grund hinzu, der in der Arbeitsweise des Programms begründet ist. Unter Multitasking-Umgebungen wird parallel zu dem eigentlichen Viewer ein zweiter Prozess im Hintergrund gestartet, der mit Hilfe eines bestimmten Skripts die Seiten-Infos aus dem PDF in eine Pipe bzw. temporäre PostScript-Datei extrahiert. Das GS-Frontend (also gemgs) liest dann diese Pipe/Datei ein, und der Anwender kann im Dokument blättern. Dies bedeutet im Klartext: vor der eigentlichen Darstellung muss ein PDF-File ins PostScript-Format gewandelt werden, was natürlich einiges an Zeit kostet, gemgs muss sogar noch einiges an Zusatzarbeit leisten, damit PDF-Dokumente auch unter Single-TOS darstellbar bleiben.
Die Darstellungsqualität auf dem Ausdruck hängt natürlich stark von der gewählten Auflösung ab. Die Darstellung auf dem Bildschirm lässt nur ausreichende Ergebnisse zu. Ein entspanntes Lesen z.B. in „Die Feder" ist nicht so einfach möglich, zu grob wirkt hier die Darstellung. Möglich ist es aber immerhin.
gemgs eignet sich in erster Linie zum Ausdruck von PostScript- und PDF-Dokumenten. Zwar ist auch eine Darstellung auf dem Bildschirm mit immerhin ausreichenden Ergebnissen möglich, besonders bei den heute so gebräuchlichen PDF-Dateien ist jedoch die Darstellungsgeschwindigkeit besonders auf originaler Atari-Hardware doch quälend langsam. Einen Geschwindigkeitsvergleich zu MagiC auf einem G4-Mac können wir leider nicht bieten, da uns hier der Programmstart nicht gelungen ist. Vielleicht kann uns hier ein Leser mit Ergebnissen entzücken.
Positiv anzumerken ist auf jeden Fall die leichte Installation und die einfache Handhabung des GhostScript-Ports über die effektive GEM-Oberfläche.
Wer einen neben seinem Haupt-Atari noch einen Zweitrechner herum stehen hat, kann gemgs als nicht gerade schnelles, aber einfach zu handhabendes PDF- und PostScript-Druckprogramm nutzen.
Eric Reboux und Rafal Kawecki arbeiten derzeit an einem PDF-Reader speziell für den Atari, der auf die spezifische Hardware optimiert sein soll und so z.B. auch eine Unterstützung für installierte mathematische Co-Prozessoren bieten soll. Das Programm soll kommerziell von invers Software oder Application Systems Heidelberg vertrieben werden. Wir dürfen also gespannt sein! Bis dahin stellt gemgs einen immerhin brauchbaren und vor allem kostenlosen Kompromiss dar.
[1] tuhh.de/~alumnifc/gemgs/