Stateside-Report

In unregelmäßigen Abständen berichtet Bengy Collins, Betreiber des beliebten Online-Angebots MagiC Online von Entwicklungen, Meinungen und Gedanken rund um den amerikanischen Atari-Markt.

Innovationen, Freiwillige und Altbekanntes

Die Sommersonne macht uns wieder mit grünem Gras bekannt - ein Gras, das geradezu symbolisch für den derzeitigen Atari-Anwender in Amerika steht. Obwohl wir beeinflusst - ja, vielleicht sogar manipuliert - sind von einem stetigen Wind namens "Windows", dessen Verfügbarkeit von Software und einem Konformitätszwang, bleibt doch ein Umstand unverändert: unsere Wurzeln fußen für immer in der Atari-Erde. Dieser gute Boden, obwohl trocken und oftmals unter Unterversorgung leidend, produziert nach wie vor eine interessante Ernte und kann so am Leben bleiben.

Der Blick nach Amerika. Seit meinem letzten Stateside-Report hat die amerikanische Atari-Szene sowohl gute wie auch schlechte Erfahrungen machen können. Nicht zuletzt beschäftigt man sich mit der Zukunft des "Next Generation Atari".

Die xTOS-Umfrage auf meiner Webseite (siehe auch Newsteil) war ein Versuch herauszufinden, was die amerikanische Anwender-Basis von einem neuen Atari erwartet. Sie erzeugte sofort ein positives Hochgefühl gegenüber dem Pegasus-Projekt. Vielleicht hatten die amerikanischen Anwender zum ersten Mal das Gefühl, dass ihre Meinung wirklich zählt und dass sie in die Überlegungen des Entwicklungsprozesses mit einbezogen werden. Seit der Umfrage haben erste Berichte darüber, dass der Motorola ColdFire vielleicht nicht die geeignete CPU für einen Atari wäre, das Interesse an dem Projekt etwas gedämpft, zumal viele Anwender in den Staaten hofften, dass der nächste Clone auf dem PowerPC basieren würde.

Wie sieht es mit der Nachfrage nach Milan 040 und Milan 060 aus? Nun, sie sind genauso heiß begehrt wie der Hades 060. Jedoch gibt es derzeit auf diesem ganzen Kontinent keinen einzigen Lieferanten, weshalb viele Anwender auf die MagiCMac- und MagiC PC-Schiene gezwungen werden. Das Ziel ist dabei leider klar: eine andere Plattform.

Ein Beispiel: Lonny Pursell, der Entwickler von AtarIRC, suchte vergeblich nach einem Hades 060 für seine Entwicklungen. Nachdem er vergeblich alle noch so abenteuerlichen Wege innerhalb der Vereinigten Staaten nach einem solchen Rechner abgraste, entschied er sich ein Hades-Motherboard direkt bei Medusa in der Schweiz zu bestellen. Die restlichen Teile der Workstation will er direkt in Amerika zusammen stellen. Offensichtlich ist dies die einzige Möglichkeit für amerikanische Anwender, die Bedarf nach mehr 68k-Leistung haben. Die Erhältlichkeit von Hardware ist dabei leider nicht das einzige Problem im Spotlight, denn auch Software-Pakete sind immer schwieriger zu bekommen.

Hilfe von Freiwilligen. Europe Shareware, ein nichtkommerzieller Software-Vertrieb, der seinen Hauptmarkt in Frankreich hat, sorgt für einige Wellen und expandiert wie kaum ein anderes Unternehmen im Markt. Zurzeit wird darüber nachgedacht Ansprechpartner im amerikanischen und polnischen Markt einzusetzen. Dies würde eine sofortige Verfügbarkeit der meisten modernen und nach wie vor in Entwicklung befindlichen Produkte bedeuten.

In der Zwischenzeit arbeitet Europe Shareware daran, den Preis bestehender Produkte zu senken, indem sie Software-Pakete anbieten. Für den derzeitigen Kunden von MagiC bedeutet dies, dass er zusammen mit dem Betriebssystem eine registrierte Version des Aniplayer, den Desktop jinnee, GEM Scripter und AtarICQ erhält. Dies ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, der durch die vielen Freiwilligen Mitarbeiter von Europe Shareware erst möglich wird.

Noch eine weitere Ankündigung von Europe Shareware sorgt derzeit für einigen Diskussionsstoff: seit kurzer Zeit bietet die Organisation das "MagiC Software Development Kit" an, ein Software-Paket, das unter anderem das Betriebssystem MagiC, den Compiler GCC sowie Resource Master und Windom enthält. Dies alles wird zu einem Preis angeboten, der geringer liegt als MagiC allein. MagiC-Anwender haben das Paket freudig aufgenommen, birgt es doch die Chance in sich, dass Entwickler wieder zum Programmieren für ihre Plattform angeregt werden. MiNT-Anwender argumentieren hingegen, dass MiNT und das dazu gehörige SDK in der Vergangenheit und auch in der Zukunft komplett kostenlos war, ist und sein wird. Die "MagiC gegen MiNT'-Debatte geht also in ihre nächste Runde...

Diskussionen

In Kanada hat eine im englischsprachigen Portal von Atari.org angefangene Diskussion zur Gründung der "Canadian Atari User Group" (CAUG) geführt. Diese zunächst auf dem Internet basierende Anwendergruppe hat es sich unter anderem zum Ziel gemacht zu beweisen, dass es nach wie vor eine starke Atari-Präsenz in Kanada gibt.

Apropos Usergruppen: in den englischsprachigen Atari-Diskussionsrunden ist derzeit eine klare Anti-Usenet-Bewegung zu verzeichnen, die ihren Ursprung darin hat, dass viele Anwender gestört oder sogar frustriert über das zum Teil kindische Verhalten im Umgang der Teilnehmer untereinander sind. Besonders "verschmutzt" ist davon leider die bisher aktivste englische Newsgroup "comp.sys. atari.st". Durch die vielen persönliche Fehden, das unangemessene Verhalten derzeitiger und ehemaliger Atari-Händler und die allgegenwärtige feindliche Stimmung innerhalb der Gruppe schauen sich viele Teilnehmer nach alternativen Treffpunkten zum Zusammensein um. Dies stärkt die Popularität von Webforen wie Atari.org und DHS.nu. Sogar myatari.net, das beliebte Online-Magazin, arbeitet zurzeit an einer Implementierung eines webbasierenden Forums. Der Nachteil dieser Foren ist natürlich, dass für den Zugang ein Webbrowser benötigt wird. Bedenkt man den derzeitigen Zustand der Browser-Entwicklung auf dem Atari, so ist zu erwarten, dass viele Anwender weiterhin den weitaus schnelleren Zugang zu Diskussionen per Usenet bevorzugen werden.

Einige Dinge ändern sich nie. Die Entwicklung steht auch auf anderen Computer-Plattformen nicht still. PDAs (Personal Digital Assistants) sind mehr und mehr ein "heis-ses" Accessoire und erreichen in einer Hinsicht schnell den Stand, den das Handy vor zehn Jahren inne hatte: ein teilweise unnötiges Tool, das mehr Wert als Statussymbol hat als eine praktische Anwendbarkeit. Die Veröffentlichung des neuen Palm m505, einem 33 MHz schnellen Handheld mit 16-Bit-Grafik steht in direkter Konkurrenz zum Compaq iPag 3650, einem weiteren Gerät mit True-Colour-Grafik, das allerdings mit einer 206 MHz starken StrongARM-CPU angetrieben wird. In der Praxis erweist sich jedoch, dass beide Modelle ungefähr gleich schnell arbeiten. Der Grund dafür ist, dass auf einem Gerät ein effizientes und schlankes Betriebssystem läuft, während das andere sich mit einem aufgeblähten Microsoft-Produkt herum schlagen muss. Hört sich das vielleicht vertraut für Sie an? Some things never change...


Bengy Collins
Aus: ST-Computer 06 / 2001, Seite 40

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