Der Kommentar: Mehr Frust als Lust?

Die Atari-Gemeinde ist nicht etwa nur eine weitere Computer-Gemeinde. Sie lebt von Meinungen und Ansichten. Und diesen möchten wir Raum bieten.

Mehr Frust als Lust?

Zu meinem ersten Atari bin ich 1987 gekommen, als ich mir eine Sequenzer-Ausrüstung auf Steinberg 24-Track basierend, zusammengestellt habe. Bis 1993 - also rund 6 Jahre-fand ich die Zeit teils täglich, manchmal leider nur wöchentlich, mit meiner wachsenden Ausrüstung zu Hause und in einem nahe gelegenen Musikstudio mit Hilfe des Atari meine Aufnahmen zu machen, an Wettbewerben teilzunehmen oder auch für Freunde Notensätze zu erstellen und diese auszudrucken.

Den technischen Höhepunkt erreichte mein Mini-Studio 1993, als ich eine für die damaligen Verhältnisse riesige Investition tätigte und mir sowohl einen Falcon als auch Steinbergs Cubase Audio für den Falcon zulegte. Das bis dahin undenkbare wurde möglich: Während die Jungens im Studio ein paar Kilometer weiter noch mit einem "alten" 8-Spur-Tascam-Bandlaufwerk die Gitarren und Gesänge aufnahmen, hatte ich im Handumdrehen meinen Falcon dazu gebracht, selbiges digital zu tun. Hier und da konnten Knackser und Fehltöne weggeschnitten, Passagen gestreckt und Effekte wie Hall und Chorus eingearbeitet werden.

Leider begann diese Zeit 1993 aus beruflichen Gründen zu enden. 1995 schließlich baute ich die Musikanlage relativ frustriert ab. In den vorhergehenden 12 Monaten hatte ich gerade mal an drei Tagen die Zeit gefunden, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen, da mich die damalige Atari-Inside und der wachsende Falke Verlag zu sehr beanspruchten.

Es juckt wieder. Nun, seit einigen Jahren wächst mir das dringende Bedürfnis, wieder Musik zu machen. Und auch wenn es zeitlich für mich nicht viel besser aussieht - eher im Gegenteil - habe ich kürzlich beschlossen, dass ich meiner Musik und meiner Kreativität eine gewisse, auf jeden Fall höhere Priorität einräumen muss. Und da ein iMac schon mal im Hause ist, dachte ich mir, ich bin mal ganz modern und versuche es mit einer aktuellen Cubase VST-Version.

Die Keyboards, Expander usw. wurden herausgekramt, der Mac umgestellt und eine für 200 DMerstandene Midi-Schnittstelle wurde über den USB-Port extern am Mac angeschlossen. Allerdings gelang die Installation des Treibers nicht gleich beim ersten Mal, da der Rechner die neue Hardware beim Starten erkannte, den Treiber, der nicht von CD, sondern nur vorinstalliert von der Platte verwendet werden kann, aber nicht laden konnte. Die Erkennung wurde von mir abgebrochen und der Treiber installiert. Oder sagen wir besser: die Treiber! Und das geschah unglücklicherweise in der falschen Reihenfolge, was darin resultierte, dass der Midi-Port partout nicht erkannt wurde.

Also tat ich, was man eigentlich tun sollte, wenn man etwas Neues installieren möchte: Ich las die nur in Englisch vorliegende Installationsanleitung, schmiss alles wieder von der Festplatte und begann von vorne.

Nach weiteren 20 Minuten war das Werk vollbracht: Die Treiber waren vorhanden, installiert, es stürzte nichts ab, die Midi-Ports wurden erkannt. Nun musste man der mitgelieferten MIDI-Port-Software nur noch ausdrücklich klar machen, dass die Schnittstellen nicht nur erkannt, sondern auch noch zur Verfügung gestellt werden sollen - gesagt, getan.

Der erste Start mit Cubase VST war erfolgreich: Das Programm öffnete sich mit einem . bunten, aber dennoch sehr vertrauten Erscheinungsbild. Nach einigem Tüfteln fand ich heraus, wie man die Midi-Ports selektiert und begann das erste Geklimper aufzunehmen. Es klappte. Und das Gefühl war eigentlich genau so wie 13 oder 14 Jahre zuvor. Es haute mich vom Hocker, dass mir nun die Möglichkeit geboten werden sollte, musikalische Ideen schnell und spontan aufzunehmen, damit diese nicht verloren gingen.

Weiter geht’s. Ich traute mich einen Schritt weiter und wollte die erste Audio-Aufnähme und -Wiedergabe testen. Dazu sang ich nicht rum, ich hatte mir schon eine Audio-Datei bereit gelegt und lud sie - wie aus Falcon-Zeiten noch bekannt - in den Audio-Pool, um sie von dort widerum in die Sequenzer-Spuren einzubinden. Schritt drei sollte sein -wie seinerzeit auch - die Ausgabeschnittstelle festzulegen. Was damals einfach nur Falcon-Audio oder SPDIF hieß und schnell erklärt war, sah heute viel komplizierter aus: Diverse, mir nichts sagende Möglichkeiten wurden geboten, aber keine einzige hieß auch nur ansatzweise Mac-Hardware oder iMac-Audio oder so. Ich glaube heute, es muss die Quicktime-Ausgabe gewesen sein, bin mir aber nicht 100%ig sicher. Soll heißen: Ich gab zunächst auf.

Die Einrichtung des neuen Sequencing-Systems hatte mich so viel Zeit gekostet, dass ich die folgenden Schritte auf den kommenden Tag verlegen musste. Wie gewohnt fand ich natürlich 2 bis 3 Tage keine Zeit dafür, aber dann sollte es losgehen: Der iMac wurde eingeschaltet, die Musikinstrumente ebenso. Ich dachte: «Super, heute hast Du den Hardware-Kram schon hinter Dir, heute machst Du Deine erste große Aufnahme!» Pustekuchen! Der iMac wollte die Midi-Hardware neu erkennen. Wenn mir das auch umständlich erschien, wollte ich ihm die Zeit geben. Aber dann widerum stürzte irgendwie alles ab, alles Lampen des Gerätes blinkten auf und der Treiber war vollkommen verschwunden. Also ging es wieder von vorne los.... dachte ich und machte den Rechner aus.

In diesem Moment fragte ich mich, warum ich mich so abplagen wollte. Immerhin hatte ich noch keine vernünftigen Audio-Adapter für die 3.5 mm-Klinke-Ports des Mac, was mich nochmals Geld kosten würde. Und das geliehene Cubase würde auch eines Tages wieder getauscht werden müssen. Teufelchen auf der rechten Schulter sagte aber

«Denke doch nur an die vielen VST-Plug-Ins. Die sehen in der Werbung immer so genial und spektakulär aus. Was man damit alles machen kann!»

«Was denn», fragte Engelchen, «ich will doch nur aufnehmen, quantisieren, eine Gitarre mit einspeisen und ein paar Effekte einbinden. Zu mehr habe ich a) keine Zeit und b) nicht die Möglichkeiten

Mehr müsste ggf. irgendwann - so die Musikkarriere überraschend beginnen sollte - in einem Studio erledigt werden.

Also kam der Mac wieder weg vom Musikstudio, obwohl ich sagen muss, dass er sich optisch gut machte in der Ecke. Stattdessen brachte ich am darauf folgenden Tag aus dem Verlag meinen guten Falcon MKX mit, der nicht weniger gut aussieht. Und was mich an diesem so sehr freut: Er hat die Midi-Schnittstellen und die 6.3 mm-Klinkebuchsen für Audio-In und Audio-Out. Ferner lagen auch noch mein Cubase Audio-Dongle und -Key dabei Und keine 15 Minuten, nachdem ich den Rechner hochgefahren hatte, begann ich mit meiner ersten Aufnahme, die nach nur 2 Stunden sowohl Audio- als auch Midi-Elemente beinhaltete. Grandios! Nicht das Musikstück - das muss noch erheblich verbessert werden - aber die Einfachheit der Bedienung....

Fazit

Sicherlich ist mein persönlicher Fall nicht repräsentativ für den Mac in der gesamten Musikbranche - dafür gibt es viel zu viele erfolgreiche Musiker, die mit Apple-Computern arbeiten. Aber auch wenn die Marketing-Maschine von Apple es geschafft hat, den Mac als Quasi-Nachfolger des Atari im Musik-Bereich zu etablieren: Der Bedienungskomfort der Hardware ist noch extrem weit von der Grundidee des Atari entfernt. Und so lange mir der bestehende Funktionsumfang reicht, werde ich den Falcon sicherlich noch im Betrieb haben.


Ali Goukassian
Aus: ST-Computer 03 / 2001, Seite 20

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