Editorial - Freeware-Flut

«Die Freeware-Flut, ihre Nachteile und ihre Chancen für den Atari-Markt»

Freie Weiterentwicklung ist auch für kommerzielle Anbieter interessant

Bit Bopper ist es. Towers II ist es auch. Und Idealist erst recht. Und auch PixArt plant es. Eine allgemeine Bewegung in der Atari-Szene scheint es zurzeit zu sein, ehemals kommerzielle oder als Shareware vertriebene Programme als Freeware zur freien Verteilung bereit zu stellen.

Dieser Trend ist auf den ersten Blick natürlich für jeden Atari-Anwender positiv zu bewerten. Immerhin kommen so kostenlos Programme auf die Festplatte, die kurze Zeit vorher zum Teil noch hunderte von Mark gekostet haben. Und fast kein Monat vergeht, ohne dass neue Überraschungen auf die softwarehungrigen Atarianer zukommen. Trotzdem bleibt ein etwas schaler Beigeschmack bei der ganzen Sache, denn der Großteil der Autoren, die ihre Programme, mit denen sie irgendwann einmal Geld verdient haben, nun frei verteilen, übernehmen natürlich auch keinerlei Weiterentwicklungen oder Support mehr. Mit anderen Worten: Wenn der Anwender mit dem Programm nicht zurecht kommt oder dieses Fehler aufweist, ist der anfängliche Jubel über das vermeintliche Schnäppchen schnell verflogen. Dabei ist diese Verfahrensweise ist den Entwicklern natürlich nicht vorzuwerfen, immerhin bekommen sie in keiner Form irgend eine Entschädigung mehr für ihre Arbeit. Doch für den Anwender entwickeln sich hier zumindest auf lange Zeit klare Nachteile.

Auch andere Atari-Besitzer sind sich dieser versteckten Abwärtsspirale bewusst und diskutieren das Problem untereinander. Andere belassen es zum Glück nicht bei Diskussionen. Noah Silva entwarf kurzerhand eine Webseite (sparcy.atariuniverse. com/~7Ensilva/news/source_announce.html), auf der er Entwickler dazu aufruft, Programme, die sie nicht mehr weiterentwickeln, zusammen mit deren Quellcode bereit zu stellen. Für diese Projekte werden dann wiederum engagierte Atari-Anwender gesucht, die den Support und die Weiterentwicklung übernehmen. Mittelfristig könnte so also letztlich im Sinne der Anwender eine Börse für Entwickler, Applikationen und Interessenten entstehen.

Kandidaten gäbe es sicher einige. Warum gibt z.B. Maxon nicht den Sourcecode und die Rechte an immer noch hervorragenden Programmen wie Twist frei? Und auch ASH sollte überlegen, ob sich durch eine öffentliche freie Weiterentwicklung des immer noch beliebtesten Atari-Webbrowsers CAB nicht im Umkehrschluss die sonstige kommerzielle Internet-Software aus Heidelberg auch wieder besser verkaufen würde - immerhin wechseln viele Anwender auf andere Plattformen, weil sie aufgrund der ihnen mittlerweile nicht mehr ausreichenden Browser-Software das Internet nicht mit einem Atari erschließen möchten. Auch kommerziell gesehen ist die Bereitstellung freier Software also durchaus nicht uninteressant...


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 02 / 2001, Seite 5

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