Hackertales - Geschichten von Freund und Feind

In unregelmäßigen Abständen informieren wir Sie über Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt, die auch für Benutzer alternativer Computersysteme von Interesse sein könnten.

In ihrer Erstveröffentlichung „Hackerland“ versuchten die Autoren Denis Moschitto und Evrim Sen dem Leser die Demo-, Cracker- und Hackerszene sachlich näher zu bringen. Auch wenn dies naheliegt, sollte „Hackertales“ nicht als Fortsetzung im eigentlichen Sinne gesehen werden, sondern vielmehr als ein Sammelsurium an mehr oder weniger fiktiven Geschichten, die dem gleichen Metier wie Hackerland entstammen. Hierbei dreht es sich im Gegensatz zu dem Erstlingswerk nicht um detailierte Informationen wahrer Ereignisse, sondern darum, den Leser auf möglichst kurzweilige Art zu unterhalten. Die Autoren führen ihn von Amerika über den hohen Norden Europas mitten nach Deutschland. In ihren Kurzgeschichten erlebt der Leser eine Reise zu unbekannten Orten und merkwürdigen Gestalten, die sonderbare Ansichten vertreten und modern-märchenhaften Aktivitäten nachgehen.

Als besonders interessant kann die Geschichte von „Captain Crunch“ (Siehe auch SzeneRubrik in der st-computer 12/2000), dem Urvater aller Phreaker, bezeichnet werden. Sen & Moschitto gehen hier sehr detailliert auf die Geschichte der Entdeckung des BlueBoxings ein. Wer nur wenig über die Entstehung der gesamten Hack- & Phreak-Szene weiß, kann hier so manches Wissen nachholen bzw. nachlesen. Kritische Beobachter werden allerdings schon hier und auch in weiteren Geschichten feststellen, dass Hackertales der nötige Tiefgang fehlt. Um die beschriebenen Geschehnisse als literarisch anspruchsvollen Lesestoff präsentieren zu können, wäre weit mehr nötig gewesen, als nur das simple Anreißen von unterhaltsamen Stories. Leider wird vieles ähnlich wie in Hackerland zu oberflächlich behandelt. Besonders mangelt es an genaueren Charakterzeichnungen der Figuren, ohne die ein Aussenstehender die Handlungen der Szene-Mitglieder nur schwer nachvollziehen kann. Warum sollte ein Mensch, wie im Kapitel „The Party“, wo zwei Szener in einem verlassenen Bahnhof am Ende der Welt frierend in ihre Schlafsäcke gerollt gegen orkanartigen Regen ankämpfen, freiwillig bereit sein, solcherlei Strapazen über sich ergehen zu lassen, nur um 2000 andere Computerfreaks zu treffen, die sich in einer schlecht gelüfteten Halle mitten in der dänischen Pampa versammelt haben? Wer unter Mithilfe des Buches die Faszination nicht nachempfinden kann, die von solchen Szene-Meetings ausgeht, der wird auch die komplette Geschichte nur schwerlich verstehen können.

Die noch literarisch und inhaltlich gelungenste von insgesamt nur acht Geschichten ist wohl „Das Verhör“. Mit Tiefgang und mit einer durch Rückblenden interessant gestalteten Story, die leider trotzdem ein zu schnelles und simples Ende findet, und einer in diesem Buch einmaliger Charakterzeichnung, hebt sich diese deutlich hervor.

Fazit

Wer selbst einmal in der Szene aktiv war oder noch ist, wird jede Menge Spaß beim Lesen dieses Buches haben und sich bei einigen ironischen Seitenhieben der Autoren auf die Eigenarten der Szenemitglieder ein Schmunzeln nicht verkeifen können. Leser, für die die Szene ein Buch mit sieben Siegeln ist, sollten sich den Kauf genauer überlegen, denn die Anschaffung lohnt sich - rein literarisch betrachtet - nicht. Evrim Sen und Denis Moschitto hatten mit den „Geschichten von Freund und Feind“ durchaus eine gute Idee, an deren Umsetzung es aber hapert.

Bestellung: ISBN 3-932170-38-5
Preis: DM 24.80 Tropen Verlag, Maastrichter Str. 46, 50672 Köln hackertales.de


Lars Sobiraj
Aus: ST-Computer 01 / 2001, Seite 10

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