Wer ist eigentlich… Richard Gordon Faika?

Der Atari-Markt wird von Personen getragen, die sich für diese Plattform einsetzen. Wir wollen daher in jeder Ausgabe eine Persönlichkeit der Atari-Welt näher vorstellen. In diesem Monat traf sich Thomas Raukamp mit dem GFA-Guru Richard Gordon Faika, Entwickler von Luna.

st-computer: Richard, wie lebt es sich als "Wunderprogrammierer"?

Faika: Seitdem ich erfahren habe, dass es einen Spitznamen dieser Art für mich gibt, hat mich eigentlich nur immer beschäftigt, wer mir diesen verpasst hat. Prinzipiell habe ich natürlich nichts gegen diesen Spitznamen. Leben lässt sich damit eigentlich auch, da ich ja nicht ständig damit angesprochen werde, jedoch ist es mir dann doch irgendwie unangenehm, weil meine Projekte vielleicht zahlreich, aber im Großen und Ganzen bestimmt nicht unbedingt besser zu bewerten sind als Projekte anderer Programmierer. In dem Zusammenhang wüsste ich natürlich auch gerne, zu welcher Eigenschaft der Spitzname entstanden ist – Qualität und Quantität sind ja doch zwei ganz verschiedene Dinge und nicht immer als Lob zu betrachten...

stc: Erzähle uns doch bitte erst einmal Deine persönliche "Atari-Story"... wie bist Du zum Atari gekommen?

Faika: 1992 leistete ich mir meinen ersten Rechner – zum Spielen versteht sich. Es handelte sich um einen Amiga 500+ und zahlreichen Spieledisketten, den ich von einem Arbeitskollegen erstanden hatte. Leider war aber das Cover der Spiele viel besser als die Grafik am Fernseher, und so habe ich eher weniger gespielt und versucht, etwas vernünftiges mit diesem Gerät anzustellen – ohne Erfolg. Damals war mir der Rechner so fremd, als wenn meine Omi in ein zerpflücktes Getriebe blinzelt. Also blieb der Rechner nach unendlichem Kampf mit der Workbench dann irgendwann ausgeschaltet. Kurze Zeit später habe ich einen meiner heute besten Freunde durch einen Zufall kennengelernt – und dieser benutze arbeitsbedingt Calamus auf einem Atari Mega STE mit SM 124. Von ihm erstand ich dann meinen ersten Atari-Rechner (mir war zum damaligen Zeitpunkt immer noch nicht ganz klar, dass es Unterschiede im Betriebssystem gab und solche Dinge), einen 1040 STFM inklusive einiger Spiele; Anwendungsprogramme – sowie Omikron-Basic und GFA-Basic. Schnell fand ich mich in das System ein und hatte auch wieder Spaß am Rechner.

stc: Welche Maschinen besitzt Du und was ist Dein Hauptrechner für Deine Entwicklungen?

Faika: Ich besitze alle Rechner der ST-Reihe – außer dem STE – sowie zwei TTs, den Atari Jaguar und einen originalverpackten 130 XE. Mein Hauptrechner ist ein (Doughterboard-)TT030 im Tower mit 36 MB RAM, Brenner, CD-ROM und der besten Grafikkarte die es für den TT gab – der SuperNova+ Mach64 mit 4 MB VRAM). Ich bin mit diesem Rechner äußerst zufrieden – er reicht für normale Anwendungen prinzipiell völlig aus. Das einzige, was mir in manchen Situationen an dem Gerät fehlt, ist mehr Rechenleistung.

stc: Bist Du Autodidakt oder hast Du das Programmieren professionell gelernt?

Faika: Jegliches rechnerspezifisches Wissen habe ich mir selbst beigebracht (wie wohl die meisten Anwender) – auch das Programmieren. Darf man sich eigentlich "Programmierer" nennen ohne entsprechende schulische Qualifikation?. Ich programmiere in Maschinensprache (Assembler) und in GFA, wobei ich beide Sprachen sehr gut beherrsche.

stc: Du arbeitest hauptsächlich mit GFA-BASIC. Warum bevorzugst Du diese Programmiersprache?

Faika: Weil ich sie fließend spreche. Davon abgesehen kenne ich kein schnelleres Entwicklungssystem. Außerdem mag ich die C-Syntax nicht – was wohl mittlerweile schon fast alle mitbekommen haben dürften...

stc: Hat ein BASIC-Dialekt nicht den Nachteil, dass die damit entwickelten Programme schwerer zu portieren sind, als wenn sie z.B. unter C entwickelt wären?

Faika: Selbstverständlich, ein schweres Manko – aber wo ist das denn nötig in der heutigen Atari-Zeit? Es läuft kein GEM auf PC oder Mac (nativ), und wenn ich ein Programm auf ein anderes Betriebssystem umsetzen möchte, schreibe ich es lieber unter Vorlage komplett neu, um die dortigen Systemkomponenten besser ausnutzen zu können.

stc: Luna scheint zur Zeit Dein wichtigstes Projekt zu sein. Gute Texteditoren gab es jedoch bereits vor Luna – z.B. qed und 7up. Was war der Grund für Dein Projekt?

Faika: Der eigentliche Grund war das Interesse und die Lust, einfach einen eigenen Editor zu schreiben. Dieser ist einfach entstanden, um meine Grenzen hinsichtlich dessen auszuloten. Außerdem wollte ich meine Texte in meinem eigenen Programm verfassen – wohlwissend, dass es zahlreiche andere Editoren mit (zum damaligen Zeitpunkt) weitaus höherer Funktionalität gab. Ein weiterer Punkt, der mich gereizt hat, war der, dass es bisher keiner so richtig gewagt hat, ein solches Projekt in GFA zu schreiben – bis auf eine Ausnahme: Papyrus. Ich wollte aber die Grenze überschreiten, die Papyrus damals nicht überschritten hatte (man möge mich berichtigen): die Verarbeitung von Textdateien egal welcher Größe. Das Ganze war auch deshalb eine Herausforderung, da ich keine Referenzinformationen hatte. Ich konnte mir mangels C-Kenntnis keine Hilfe im Konzept der Verarbeitung von Textdateien etc. holen. Das Rad musste ich neu erfinden – und das war genau die richtige Aufgabe für mich.

stc: Luna ist modular aufgebaut – welche Erweiterungen dürfen wir für die Zukunft erwarten, was spukt noch in Deinem Kopf herum?

Faika: Eine Erweiterung ist in der aktuellen (zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten) Version 1.60 enthalten: der Funktionsindex – eine scrollbare Liste von bestimmten Zeichenfolgen, die aus einer Textdatei anhand von einem oder mehreren Schlüsselwörtern mit Wildcards herausgefiltert werden und durch Anklicken im Text erreichbar sind. Ein Beispiel sind Hypertext-Quelltexte: Da hat man alle Kapitel in einer Liste links vom Editfeld und kann sie anspringen. Es gibt zahlreiche Anwendungen dafür. In Arbeit ist schon seit einiger Zeit Syntaxfärbung, also die Einfärbung von bestimmten Schlüsselwörtern im Text. Ansonsten fällt mir oder den Anwender ganz sicher noch etwas ein...

stc: Eine neue Erweiterung ist der Luna Textcompiler. Wozu ist der LTC gut?

Faika: Der LTC ist eine Art Textprozessor, mit dem Textbausteine zu einem Endprodukt zusamengesetzt werden können. Eine mögliche Anwendung ist die HTML-Programmierung: Ein Projekt muss dann nur noch kompiliert werden, wenn eine Änderung in allen HTML-Seiten vorgenommen wurde. Man braucht also nur einmal angelegte Textbausteine ändern und in allen Dateien, in denen ein Verweis darauf existiert, wird dieser dann beim Kompilieren eingebunden. So erspart man sich eine Menge Tipparbeit, da man nicht jede Datei einzeln einladen muss, um ein Datum zu ändern.

stc: Luna erscheint mir schon sehr komplett. Gibt es neue Projekte, die Dich reizen?

Faika: Es gibt ein neues Projekt, bei dem ich aber momentan durch verschiedene Umstände an einem Totpunkt angekommen bin. Ich sammle zur Zeit erst einmal Informationen, bis es weitergehen kann. Ansonsten muss ich ja auch meine restlichen Projekte warten.

stc: Das am sehnlichsten erwünschte Programm in der Atari-Welt ist ein moderner Web-Browser. Wenn über so ein Projekt geredet wurde, fiel immer wieder Dein Name als potentieller Kandidat einer Umsetzung. Würde Dich so ein wichtiges Projekt reizen?

Faika: Sehr sogar – nur müssen dafür einige Voraussetzungen geschaffen werden, die bisher nicht existieren. So ist es für eine einzelne Person unsäglich schwer, umfassend alle Bereiche abdecken zu können – sprich: Mit einem guten HTML-Parser ist es nicht getan, es fehlen Routinen zur Bilddarstellung, man weiß nicht, auf welches Internetsocket-Konzept man setzen soll, es gibt spärliche (deutsche) Informationen zur Protokollbeschreibung, fehlende Routinen für GFA, auf die man aufbauen könnte. Dann wäre mir ein flinkerer Rechner ganz lieb für solche Dinge.

stc: Was ist Deine Motivation, für den Atari zu entwickeln?

Faika: Das Entwickeln ist die Motivation – fast, wie bei einem Bildhauer oder Maler. Es ist eine sinnvolle Beschäftigung mit nutzbaren Ergebnissen, und vor allem ist es auf einem kleinen System einfacher, ein bisschen Anerkennung für die getane Arbeit zu ergattern. Das macht mir Spaß und motiviert mich – welcher Musiker singt schon gerne, wenn er keine Öffentlichkeit findet, die ihm zuhört, oder ein Maler nur "Kritiken" erntet.

stc: Wie siehst Du den Atari-Markt heute?

Faika: Nüchtern, um es mal kurz zu sagen. Ich mache mir aber im Großen und Ganzen eher weniger Gedanken darum – vor allem, weil es ja eine scheinbar oktruierte Meinung über Systeme und Rechner gibt. Ich meine, es gibt z.B. keinen Unterschied zwischen der Situation bei Fahrzeugen und Rechnersystemen. Ich habe bisher niemanden gehört, der gesagt hat: "Sagmal, warum fährst du dieses Fahrzeug, die Firma existiert nicht mehr". Man merkt erst an solchen Vergleichen, wie sinnlos eine derartige Diskussion ist. Es geht eben nicht um die Firma, es geht um das Gerät, das man benutzt. Und mal ehrlich: Wer würde eine solche Aussage ernstnehmen, wenn z.B. BMW morgen nicht mehr existiert? Würde ich mir schlagartig ein anderes Fahrzeug zulegen? Nein, solange es fährt, mir genügt und es Ersatzteile gibt, ganz bestimmt nicht...?

stc: Was charakterisiert einen typischen Atari-Anwender Deiner Ansicht nach?

Faika: Hmm... Ich würde sagen, da gibt’s keinen größeren Unterschied zu Anwendern anderer Systeme, außer dass sie eben Atari-Rechner benutzen – wohl dieselbe Antwort wie auf die Frage "Was zeichnet VW-Fahrer aus?"...

stc: Was würdest Du Dir derzeit für den Atari-Markt am ehesten wünschen?

Faika: Mehr Anwender. Das impliziert einen Erfolg des Milan.

stc: Welcher Tätigkeit gehst Du in Deinem "normalen Leben" nach?

Faika: "Normales Leben" ist gut – ich habe kein "normales" Leben – aber ja, ich habe einen richtigen Job, den ich ausüben muss, um mein nicht-"normales" Leben zu finanzieren: Ich setze alle Arten von motorisierten Fahrzeugen instand – ich bin Auto-Mechaniker und Elektriker.

stc: Womit verbringst Du Deine Freizeit?

Faika: Ich bin ein Träumer, und wenn ich mal wach werde, lese ich viel, beschäftige mich mit allem, was in irgendeiner Form Technik in sich birgt – um sie auseinanderzunehmen und manchmal auch zu reparieren. Dann verbringe ich sehr viel Zeit mit meinen Freundinnen und Freunden – am liebsten mit den Freundinnen -, höre fast ausschließlich klassische Musik und gehe auch gerne mal in ein Konzert, ins Theater oder fahre mal ins Grüne.

st-computer: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Faika: Ich habe mich zu bedanken.

(Anm.: ungekürzte Version des Interviews von st-computer.net)



Aus: ST-Computer 09 / 2000, Seite

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