Interview mit der Entwicklergruppe nature

Thomas Raukamp unterhielt sich mit Henrik Gilda von der schwedischen Gruppe nature, die verschiedene Spielprojekte für den Falcon entwickelt.

st-computer: Henrik, die Gruppe nature ist deutschen Atari-Anwendern Deutschland nicht sonderlich bekannt. Bitte erzähle uns, wieviele Leute zu Eurem Team gehören.

Henrik Gilda: In der Atari-Sektion von nature sind wir zu zweit: Hencox - das bin ich - und inSTream, wohinter sich mein Bruder Torbjörn verbirgt. Es gibt außerdem eine Amiga-Sektion, die aus fünf Leuten besteht.

stc: Wie lange arbeitet Ihr beide schon mit dem Atari, und wie seid Ihr zum Falcon gekommen?

Gilda: Unser erster Computer war ein Atari 520 STFM, den wir im Dezember 1989 kauften. 1993 bekamen wir dann unseren ersten Falcon - eine Standardausführung mit 4 MB und ohne Festplatte. Heute haben wir eine Centurbo II nachgerüstet, und wir haben noch einen zweiten, unbeschleunigten Falcon.

stc: Warum ist der Falcon noch heute für Spieleentwickler attraktiv?

Gilda: Nun, er hat einen 16-Bit-Farbmodus - was zur Zeit der attraktivste Standardmodus auf einem Atari ist. Er ermöglicht es, Grafiken auf einfache Art und Weise zu kopieren, während es die älteren Bitplane-Midi nicht so leicht machten, mit ihnen umzugehen. Auch der Sound des Falcon ist nach wie vor auf dem heutigen Stand der Technik. Das einzige, was beim Falcon fehlt, ist die Geschwindigkeit - weshalb wir auch wirklich brennend auf die Centurbo 060 und den Milan II warten.

stc: Was war Deiner Ansicht nach bisher das beste Spiel für den Falcon?

Gilda: Moon-Games war ziemlich gut, genauso wie die Ishar-Serie und Running. Ich hoffe, dass Willie's Adventures bald fertiggestellt werden, sodass wir auch dieses Game spielen können.


Zwei ambitionierte Projekte von nature für den Atari Falcon: Der Shooter Aces High und der Lotus-Clone Reeking Rubber.

stc: Hat eigentlich irgendein Spiel bisher das volle Potential des Falcon ausgenutzt?

Gilda: Das ist schwer zu sagen, denn nur der Programmierer selbst weiß, ob er bis an die Grenzen eines Computers gegangen ist. Das volle Potential des Falcon zu nutzen, bedeutet meiner Ansicht nach die Nutzung des 16-Bit-Modus, das Übergehen des Blitters (da selbst auf unbeschleunigten Falcon die CPU weitaus schneller arbeitet) und die Nutzung des DSP, wenn dies Sinn macht - der Flaschenhals des Host-Interfaces macht den DSP eigentlich nur sinnvoll nutzbar für Audioaufgaben und komplexe 3D-Berechnungen. Moon-Games folgt diesen Kriterien meiner Ansicht nach recht gut.

stc: Als der Falcon von Atari veröffentlicht wurde, waren seine Leistungsdaten prädestiniert für die Entwicklung qualitativ hochwertiger Spiele. Warum hatte Atari in diesem Marktsegment Deiner Ansicht nach nicht mehr Erfolg mit der Maschine?

Gilda: Die verrückten Leute von Atari dachten, dass die 1-MB-Variante des Falcon ebenfalls unterstützt werden musste. Dadurch wurden z.B. die Bitmap Brothers gezwungen, ihre 256-Farben-Version von Chaos Engine auf 1 MB zu reduzieren - was praktisch unmöglich war -, sodass dieses Spiel nur für den Amiga 1200 erschien, der mit immerhin 2 MB ausgerüstet war. Die Spiele, die Atari selbst entwickelte, waren nicht gerade brillant - man denke nur an Road Riot 4 und Steel Talons. Die Programmierer von Steel Talons benutzten doch tatsächlich der 256-Farb-Modus und den Blitter, was das Spiel wesentlich langsamer machte, als wenn man es für den 16-Bit-Modus ohne Blitter geschrieben hätte.

stc: All dies ist nun leider Geschichte - sprechen wir lieber über Eure heutigen Projekte. Reeking Rubber scheint Spiele wie Lotus und Outrun auf die nächste Ebene zu heben. Erzähle uns bitte etwas darüber, wie diese Projekt anfing und wie :der Stand der Entwicklung ist.

Gilda: Wir begannen damit im Sommer 1997. Wir spielten Lotus 3, da es auch auf dem Falcon läuft. Kurz danach dachten wir darüber nach, ob wir unsere eigene Engine, die lediglich die Straßen ohne Texturen zeichnen sollte, entwickeln könnten. Diese Aufgabe war innerhalb einer einzigen Woche erledigt. Wir fügten dann hier und da eine Dinge hinzu und merkten plötzlich, dass wir ein komplettes Spiel entwickelten.

Leider hat sich in den letzten sechs Monaten nicht sehr viel an dem Spiel getan, da wir uns sehr auf das Programmieren von GEM-Anwendungen verlegt haben. Der Grund ist jedoch auch, dass wir keinen Computer besitzen, der schnell genug wäre, die erforderlichen Grafiken zu raytracen. Als wir im vergangenen Herbst jedoch eine Centurbo-Karfte bekamen, passten wir Reeking Rubber darauf an.

Es läuft entweder in 320x240 oder 256x200 Pixeln und unterstützt jeweils 16 Bit Farbtiefe. Um eine schnellere Bildwiederholrate zu erreichen, muss das Mapping der Sprache in einen 2x1 -Modus gesetzt werden - zwei Pixel werden also innerhalb einer Anweisung kopiert. Dies sieht zwar etwas gröber aus, ist aber per Preis für eine höhere Geschwindigkeit. Auch die Umgebung kann abgeschaltet werden - jedoch nicht in der Nacht, da es sonst nicht nach Nacht aussehen würde.

stc: Die Umgebung sieht sehr attraktiv aus. Wieviele Bilder pro Sekunde können wir auf einem Standard-Falcon erwarten?

Gilda: Leider nicht sehr viel. Im einfachsten Modus ohne Umgebung erreichen wir 40 bis 50 fps auf einer CT II, auf einem normalen Falcon jedoch nur 15 fps.

stc: Ein weitere interessanter Aspekt ist die Möglichkeit, über das Internet gegen andere Gegner anzutreten. Welchen Stack setzt Ihr dafür ein?

Gilda: Wir nutzen STinG. Da es für alle anderen Stacks Emulationen gibt, sehe ich keinen Grund, Versionen für andere Stacks zu entwickeln.

stc: Ein weiteres interessantes Projekt ist Aces High. Was gibt es darüber zu berichten?

Gilda: Bis zu vier Spieler kontrollieren ihre Flugzeuge und versuchen, die anderen abzuschießen. Es läuft in 16-Bit-Auflösungen mit 320x274 Bildpunkten, und ich habe bereits eine VDI-Version für Ataris mit Grafikkarte erstellt.

Leider haben wir auch bei diesem Spiel zur Zeit einen Stillstand, jedoch bleibt nur noch wenig Arbeit über. Ich warte derzeit auf eine Wiedergaberoutine, die es ermöglichen wird, 8-Kanal-Soundeffekte abzuspielen. New Beat arbeitet daran, jedoch weiß ich nicht, wieviel Arbeit noch vor ihnen liegt. Außerdem muss ich noch einige Explosionen zeichnen.

stc: Eure Gruppe entwickelt nicht nur Spiele für den Falcon, sondern auch Tools für MagiC. NatFrame verschönert z.B. das Aussehen der Oberfläche...

Gilda: NatFrame ersetzt die langweiligen grauen Teile eines Fensters mit Texturen -und anderen Effekten, an denen wir zur Zeit arbeiten. Man kann also die Fenster aussehen lassen, als wenn sie aus Stein, Holz oder was einem sonst noch einfällt, gemacht wären. Natürlich müssen andere diese Grafiken erstellen, wir haben nur ein Beispiel-Theme beigelegt. Wir haben außerdem ein Programm entwickelt, das den Entwurf von Elementen gestattet. Allerdings haben wir es noch nicht veröffentlicht, da es nicht komplett ist und die Dokumentation noch fehlt.


Texturen für MagiC Fensterrahmen: NatFrame.

stc: Welche Auflösungen werden bisher unterstützt?

Gilda: Zur Zeit werden 15, 16, 24 und 32 Bit auf dem Falcon und Grafikkarten unterstützt. NVDI 5 wird für die Identifikation der Auflösungen vorausgesetzt. An der Unterstützung von 16 und 256 Farben arbeitet wir gerade. Zur Zeit erhält man in diesen Auflösungen nur ein Mono-Bild.

stc: Wir stabil ist NetFrame im Moment?

Gilda: Sehr stabil. Es war uns nicht möglich, mit NatFrame auch nur einen einzigen Crash zu erzeugen - aber vielleicht werden da unsere Beta-Tester anderer Auffassung sein.

stc: Wollt Ihr Eure Projekte eigentlich an den Milan anpassen? Was denkt Ihr über die neue Maschine?

Henrik Gilda: Ja, natürlich werden wir unsere Spiele an den Milan anpassen. Wir müssen nur einige VDI-Funktionen hinzufügen, wie ich das bereits bei Aces High gemacht habe. NatFrame sollte bereits auf dem Milan laufen.

Wir werden definitiv einen Milan II kaufen, da es sich um eine noch bessere Maschine als der Falcon handeln wird. Sie ist schnell genug und hat eine gute Grafik und einen guten Sound. Da die Grafik- und Soundhardware scheinbar bereits auf dem Board integriert sein wird, wird genau der Standard geschaffen, den Spiele- und Demoentwickler brauchen.

http://nature.atari.org


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 09 / 2000, Seite 52

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