Atari-Scene - Making of: Demo

Damals wie heute gilt der Atari Falcon unter Kennern als einer der Vorreiter der Multimedia-Generation. Lange vor der Konkurrenz legten die Entwickler des Falcon sehr viel Mühe und Geld in ein fortschrittliches System-Konzept, das den Weg in eine Multimedia-Welt der heutigen Zeit zeigte. Da nicht alle Spiele auf dem Atari die multimedialen Fähigkeiten des Rechners bis zur oberen Grenze ausreizten, bildeten Demoproduktionen in den Augen der Betrachter das Highlight der digitalen Kombination von Bild, Ton und Animation. Technische Innovationen waren geradezu ein MUSS für jede neue Demo.

So wanderte man ständig von einem bahnbrechenden Effekt zum nächsten und kam nur schwerlich wieder aus dem Staunen heraus. Wehmütig wagen die Szene-Mitglieder aus alten Tagen einen nostalgischen Rückblick in die gute alte Zeit der ersten Demos - nicht wenige sind schließlich erst durch die Demoszene zum Atari gekommen und damit auch in das Multimedia-Zeitalter eingestiegen.

Organizer

Nicht allein der Umfang, sondern damit verbunden auch der zeitliche Aufwand für die Herstellung dieser immer komplexer werdenden, non-interaktiven Programme ist seit Geburt der Demoszene um ein Vielfaches gestiegen. Die Zeiten haben sich geändert, und damit auch die Organisation: Wurde in den frühen Jahren der Szene die Kommunikation unter den Entwicklern einer Demo noch per Briefpost oder Telefon betrieben, hielt auch hier das Internet früh Einzug. Erst durch die Etablierung von WWW, E-Mail oder IRC ist es möglich, die Mitglieder "seiner" Szenegruppe, die über den gesamten Globus verteilt sein können, anzutreffen. Diese IRC-Treffpunkte oder E-Mail-Listen, von dem Organizer einer Gruppe in die Wege geleitet, dienen immer öfter der Besprechung von Ideen und der Klärung von Problemen bei der technischen und künstlerischen Entwicklung der Demo. Soweit man sich nicht auf Parties treffen kann, ist diese Technik zumindest ein Ersatz für einen "echten" Tischnachbarn ...

Die automatisch auftretenden Probleme bei der Produktion verdanken wir letztlich dem - glücklicherweise auch beim Atari weiterhin vorhandenen -Fortschritt in der Computertechnologie, die den Entwicklern neue Horizonte eröffnen und neue Herausforderungen ermöglichen. Um den Anforderungen des heutigen Demo-Standards zu genügen, bedarf es eines programmiertechnischen Wissens, das weit über die Fähigkeiten eines gewöhnlichen Anwenders hinausgeht. Aber auch im Bereich Musik und Grafik ist die Messlatte mittlerweile derart hoch, dass Wochenend-Szenemitglieder - leider - oft auf die "Ersatzbank" verwiesen werden. Auch in der Demoszene spielt der Aspekt der Professionalität und damit auch der Organisation mittlerweile eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Da es aber kaum möglich ist, für jede Demo auch eine Art "Making Of" zu produzieren, bleibt für Außenstehende die durchaus spannende Entwicklungsphase oft ein Geheimnis.

Coder

Die Tätigkeit eines Organizers ist jedoch häufig nicht nur auf die Pflege des Kontakts zwischen den Mitgliedern seiner Szenegruppe, auf die Aufnahme neuer Mitglieder oder auf die Verbreitung von sogenannten Group-News beschränkt. Nicht selten sind Organizer gleichzeitig auch Coder, d. h. Programmierer, einer Demo und damit verantwortlich für die Realisierung eines Projekts. Im Gegensatz zu vielen Entwicklern von Anwender-Programmen, die meist in C++ oder einer anderen höheren Sprache programmiert werden, schwören nahezu alle Demo-Coder auf die altbewährte Maschinensprache Assembler. Wer nur die objekt-orientierte Programmierweise von C++ oder einer ähnlichen Sprache oder nur die Formatiersprachen wie HTML oder ST-Guide kennt, wird sich in Assembler-Sources und in deren auf den ersten Blick unverständlichen Codes schnell verloren fühlen - in der Tat ist Assembler, das speziell an die Architektur eines bestimmten Prozessor-Typs angepasst ist, schwer zu erlernen. Um so verständlicher wird so die relativ geringe Zahl von Demo-

Codern

Ihre Aufgabe ist nicht "nur" der Entwurf von Effekten wie Plasma, Dots oder Vectors, sondern auch die Einbindung von Bild- und Musikmaterial.

Grafiker

Eine Demo hebt sich also meist nicht allein durch gute Programmierung von der Masse ab. Mindestens gleichwertig sind auch die musikalische Untermalung und die grafische Gestaltung.

Die Grafik hat in einem Demo gleich mehrere Funktionen. Gutes Design kommt nun einmal nicht ohne gute Grafik aus. Was dem Betrachter meistens nicht auffällt, ist die Verwendung der Grafik in einem Demo als eine Art "Augenbinde", die dem Auditorium einige programmiertechnisch bedingte Rechenoperationen im Hintergrund verbergen soll: Da alle vielbeachteten Demos hauptsächlich in Echtzeit ablaufen, kommt es schon einmal vor, dass eine kleine Pause während des Demos eingelegt werden muss, damit im Hintergrund der nächste Effekt berechnet werden kann. Und was kann diese kleine Pause wohl besser überdecken als ein schönes Bild, das kurz eingeblendet wird? Auch im Bereich der Grafik wurde durch die Szene ein neuer Kult ins Leben gerufen: das Pixeln. Eine 24-Bit-Raytrace-Grafik kam zumindest in Zeiten der ersten Demos aufgrund der niedrigen Rechenleistung gar nicht in Frage, zumal die Datenkapazität einer solchen Grafik dem Demo jeglichen Platz für Musik und Code entwendet hätte. So wurden Grafiken damals noch Punkt für Punkt (Pixels) mit dem bekannten Lupeneffekt in Malprogrammen wie FPaint "eingezeichnet". Zunächst erfreuten sich Bilder mit nur 16 und 32 Farben immer größerer Beliebtheit, die durch verschiedene zeichnerische und teils geniale Tricks den Eindruck eines digitalisierten Bildes mit 256 Farben vortäuschen. Wie sich Bilder darstellen, die mittlerweile mit 256 Farben gepixelt werden und Monate der Herstellung benötigen, kann in diversen Demoproduktionen bewundert werden, zu denen die bekanntesten Fixier der Szene ihre Werke beisteuern.

Musiker

Zu Unrecht am Ende jeder Credits-Nennung stehen die Musiker. Neben ansprechendem Code und Design ist ein Demo ebenso abhängig von einer guten Musikbegleitung, die gleichermaßen dem Gesamtbild angepasst werden muss. So zählt der Sound zu einem besonderen Aufgabenbereich bei der Entwicklung eines Demos. Vielfach werden die visuellen Effekte auch durch Geräusche unterstützt. So bedarf auch die Erstellung dieser Musikstücke einer besonderen Technik, die ihren Ursprung in der Szene findet.

Die Soundtunes, elektronische Musikstücke, die auch in Spielen Verwendung finden, werden nicht - wie zu vermuten wäre - über die MIDI-Schnittstelle des Atari - also z.B. per Keyboard -eingespielt. Hier bedient sich der Musician notgedrungen einer mühsameren Methode: die sogenannten "Modules" werden auf einem Tracker erstellt, einem Musikprogramm, das nur eine begrenzte Anzahl von Tonspuren erlaubt. Bis vor einigen Jahren war diese Technik zwingend erforderlich, damit die vorhandene Medienkapazität nicht gesprengt wurde - schließlich erschienen die meisten Demos auf lediglich einer Diskette. Um diese niedrige Datenkapazität erreichen zu können, werden auch heute noch 8-Bit-Instrumente (Samples) verwendet, die jedoch viel an Qualität einbüßen. Daher ist es die Aufgabe des Musikers aus diesen meist qualitativ schlechten Samples ein Musikstück zu formen, dass technisch und künstlerisch hochwertig ist und die Atmosphäre des Demos mit einer geeigneten Sounduntermalung unterstreicht. Die einzelnen Töne und deren individuelle Formen wie Lautstärke, Vibration oder Modulation werden dabei auf diesen Trackern, die einem Editor ähneln, quasi programmiert, da jeder Ton einzeln über die Computertastatur eingegeben wird.

Trader

Ganz am Ende der Kette stehen der Trader und der SysOp. Sie treten erst aktiv in Erscheinung, wenn das Demo-Projekt abgeschlossen ist, indem sie das fertige Demo per Hand, Post, Mailbox oder Internet gleich einer Vetriebsmaschine an andere Trader bzw. Swapper weitergeben und so den Namen der Gruppe publik machen.

Es ist leicht ersichtlich, dass eine Gruppe nur Erfolg hat, wenn ihre Mitglieder organisiert sind und die notwendige Absprache untereinander stattfindet. Sicherlich gibt es auch Multitalente, Ein-Mann-Armeen, die für ein Demo alleine den Code, die Grafiken und den Sound produzieren - aber deren Vorstellung heben wir uns für eine der nächsten Ausgabe auf...

Nico Barbat, Denis Moschitto, Evrim Sen



Aus: ST-Computer 06 / 2000, Seite 64

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