Editorial

Wie Sie sicher wissen, habe ich durch meine Arbeit als Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift Amiga plus einen Einblick in die Welt des Amiga. Nachdem das amerikanische Unternehmen im Januar dieses Jahres ein weiteres Mal den Besitzer gewechselt hatte, wurden kürzlich in St. Louis die neuen Pläne des ehemaligen Branchenriesen vorgestellt: Statt in erster Linie neue Hardware zu produzieren, verlegt sich Amiga auf die Entwicklung und den Vertrieb eines Betriebssystems, das auf anderen Systemen aufsetzt und somit als neue, innovative und leicht zu bedienende Schnittstelle zu den verschiedensten Plattformen dienen soll.

Und die Sterne stehen gut: Angeblich soll das Amiga-System als Schnittstelle für zahlreiche Linux-Distributionen im Gespräch sein und diesen ein einheitliches und eigenständiges Gesicht verleihen.

Nur als „Nebenprodukt" ist ein eigener Rechner geplant, der die die eigenen Fans ansprechen soll.

Als ich diese Pläne zum ersten Mal gehört habe, musste ich unweigerlich an die Atari-Welt denken, die etwas ähnliches eigentlich schon seit einiger Zeit vorweisen kann: das Betriebssystem MagiC. Dieses beinhaltet viele der Eigenschaften, die Amiga auch seinem neuen AmigaOS verleihen möchte: Es ist klein, effizient, schnell, flexibel und kann eine treue Fangemeinschaft auf sich vereinen. Im Gegensatz zum neuen Amiga-System hat es jedoch einen entscheidenden Vorteil: Bereits jetzt ist es erprobt und verfügt über eine breite Softwarepalette aus allen Anwendungsbereichen.

Manch einer mag nun anmerken, dass es sich bei den Versionen für Mac und PC lediglich um Emulationen handelt. Dies ist zum Teil sicher wahr, betrachtet man jedoch z.B. MagiCMac, kommt man sicher nicht um die Einschätzung herum, dass MagiC so homogen in das System integriert ist, dass man eigentlich von einem alternativen Betriebssystem ähnlich dem BeOS auf der Intel-Plattform sprechen muss. Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass es dem reinen Anwender bei der heutigen schnellen Hardware eigentlich egal ist, ob Teile des Systems, mit dem er sich blendend versteht, emuliert oder nativ laufen - wichtig ist nur die Benutzerfreundlichkeit und die Stabilität.

Verkauft sich die Atari-Welt also unter Wert? Ich meine schon, da wir viel mehr zu bieten haben, als wir zur Zeit nach außen offenbaren. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Atari-Computing bei geschicktem Marketing in Zukunft Inbegriff für ein sogenanntes „Easy Computing Environment" sein könnte - plattformunanbhängig auf Mac und PC, nativ auf dem Milan II.

Ihr


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 05 / 2000, Seite 3

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