Hannover scheint ein schlechtes Pflaster für den Milan II zu sein: Nachdem die letzte Atari-Messe alles andere als gelungen erschien, verpasste der inoffizielle neue Atari-Nachfolger auch seine angekündigte Weltpremiere auf der CeBit 2000. Viele Anwender begannen bereits an dem neuen Flaggschiff des TOS-Marktes zu zweifeln. Zu diesen und vielen anderen Themen befragte Thomas Raukamp den Geschäftsleiter von Milan Computersysteme, Ali Goukassian - und er erhielt erfreulich offene Antworten.
st-computer: Ali, seit Deiner Fokussierung auf Deine Aufgaben bei Milan Computersysteme sind einige Monate vergangen. Wie fühlst Du Dich in Deiner "neuen" Aufgabe?
Ali Goukassian: Danke, Thomas, dass Du mit der schwierigsten aller Fragen beginnst. Einerseits fehlt mir die st-computer, da ich einen Automatismus entwickelt hatte, gleichzeitig recherchierend und schreibend tätig zu werden, wenn ich irgendwo eine Atari-Neuigkeit aufgable, andererseits aber macht mir die Milan-Vorbereitungsphase sehr viel Spaß - auch wenn das Voranschreiten zeitweise sehr zähflüssig erscheint.
stc: Was ist für Dich die Herausforderung bei Deiner Arbeit?
Goukassian: Etwas zu machen, was vor mir noch keiner getan hat: Den Atari wieder zum Leben zu erwecken. Dabei sind meine Ziele vollkommen erreicht, wenn dies selbst in einem kleinen, aber erlauchten Kreis erfolgreich umgesetzt werden kann. Ich telefoniere und treffe mich mittlerweile mit Vertretern größerer und teilweise weltbekannter Firmen und es entstehen neue Ideen, die koordiniert werden müssen - kurzum: Ich habe das Gefühl, etwas bewegen zu können. Das macht mir viel Spaß!
stc: Viele Atari-Anwender haben gehofft, bereits in diesen Wochen einen neuen Milan auf dem Schreibtisch zu haben.
Umso größer war die Enttäuschung, als Milan nicht wie angekündigt auf der CeBit ausgestellt hat. Was war der Grund dafür?
Goukassian: Das hier an dieser Stelle wirklich in aller Ausführlichkeit zu erklären, wäre doppelte Arbeit: Ich möchte die Leser in diesem Zusammenhang freundlich auf die Newsmeldung verweisen, in der sich Milan Computersystems dazu äußert. Ich kann diese Enttäuschung verstehen - und genauso, wie tausende von Atari-Anwendern, habe ich diese ständigen Verschiebungen von Atari seinerzeit gehasst. «Ja, ja, das Schiff aus Taiwan ...» hat es dann immer wieder spöttisch aus unseren Kreisen geheissen. Aber zusammengefasst läßt sich eines sagen: Wir haben mit dem Milan II nur diese eine Chance, die wir nutzen oder verpassen können. Das finanzielle Volumen dieses Vorhabens ist so groß, dass man starke Partner und Verkaufspunkte nicht ein zweites Mal wird begeistern können, das dürfte allen klar sein. Und wir haben eben unsere Chance genutzt, ein marktgerechtes Konzept aufzustellen, das nicht für sich den Anspruch erhebt, mit dem PC zu konkurrieren, sondern neben dem PC zu koexistieren. Und dieses Konzept haben wir von Markt-Insidern von Motorola absegnen lassen -ein für uns sehr wertvoller Grund, eine kleine Verschiebung in Kauf zu nehmen.
stc: Ok. Wann wird die Öffentlichkeit nun den Milan II zu sehen bekommen?
Goukassian: Wenn alles glatt geht, auf der World of Alternatives 2000 in Neuss -hoffe ich. Eigentlich hatten wir geplant, die Produktion der Vorserien-Geräte, die auch für Entwickler, Händler usw. gedacht sind (und gleichzeitig dazu dienen, zu prüfen, ob in den Produktionsstraßen alles korrekt verlaufen wird, wenn die Großserie in Auftrag gegeben wird) Anfang Juni fertiggestellt zu haben. Durch die Messe müssen wir den Zeitplan nun stauchen - wir hoffen...
stc: Wann ist der konkrete Verkaufstart geplant?
Goukassian: Wir alle wissen, dass das Weihnachtsgeschäft lebenswichtig für uns und den Atari-Markt ist. Und dieses beginnt in der Regel Ende August -danach orientiert sich unser Zeitplan.
stc: Es gab in den letzten Wochen einige Gerüchte um Änderungen auf dem Board: So wollten Insider wissen, dass vielleicht eine AGP-Schnittstelle geplant ist. Entspricht das der Wahrheit?
Goukassian: Nein, leider nicht. Die Einbindung ist für uns zu aufwendig. Das macht aber auch nichts, wie ich finde, denn wir müssen folgendes betrachten: Der Milan II wird keine Spielkonsole im PC-Gehäuse. Klar sind wir bemüht, auch für uns tolle Spiele portieren zu lassen -und da gibt es einige tolle Nachrichten -aber das, was AGP ausmacht, ist für eine reine 2D-Darstellung, die von allem genutzt wird, was nicht 3D-Game ist, nicht so relevant. Durch die On-Board-Unterbringung des Chipsatzes von ATI (Rage PRO mit 8 MB) haben wir eine erstklassige Performance, die Auflösungen von 1280 x 1024 in True Colour locker und superschnell hinbekommt. High Colour mit 1600 x 1280 sind dann auch kein Problem. Das wird jeden Anwender und Layouter freuen.
stc: Das führt uns zu einem weiteren wichtigen Punkt: Was ist Deiner Meinung nach die primäre Zielgruppe für den Milan II?
Goukassian: Der Heim- und Kleinbüro-Anwender und der Low-Level-User. Wir wollen keine Leute ansprechen, die aufregende 3D-Spiele wollen, die professionellen Videoschnitt und dergleichen aus einem Apparat zaubern möchten.
Derzeit sind in Deutschland gut 17.5 Millionen Computer im Umlauf, 11.9 Millionen Anwender nutzen das Internet. Letzteres soll nach Branchen-Träumen aber bis zum Jahre 2003 von über 20 Millionen Usern genutzt werden - wobei die Problematik, das Ziel zu erreichen, in der Berührungsangst mit dem PC zu sehen ist. Dort wollen wir Abhilfe schaffen: Wir planen einen einfach zu bedienenden Computer, der alle Wünsche eines Heimanwenders zufriedenstellend erfüllt, der sich nicht selbst die Festplatte "vollmüllt" und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen einen PC-Doktor abverlangt. Wenn wir uns die Ziele lediglich innerhalb dieses Anwenderbereichs stecken, dann sind wir auch nicht dem Druck ausgesetzt, mit der 1000-MHz-Welt zu konkurrieren - und der User ist nicht dem Druck ausgesetzt, sich jedes halbe Jahr einen neuen Computer kaufen zu müssen.
stc: Der Hauptzweifel der vorgebracht wird, ist sicher der, dass selbst ein Milan 060 einem heutigen Pentium-PC oder G4-Mac von der Rechenleistung her weit unterlegen ist. Wie reagiert Milan auf diese sicherlich richtigen Argumente?
Goukassian: Oben genannte Punkt dürften unsere Reaktion weitestgehend abdecken. Solange wir keine Bilder in Echtzeit raytracen wollen, keine virtuellen und interaktiven Welten anbieten möchten, brauchen wir keine Konkurrenz zu scheuen. Ein Papyrus oder ein EMailer sind genauso schnell - häufig sogar noch schneller - zu bedienen als das PC-Pendant. Was nutzen dem Anwender 600 MHz, wenn die Anwendung trotz 128 MB Hauptspeicher zwischendurch und überraschend - gewissermaßen permanent - auf die Festplatte zugreift und nachschaut, ob -mit dem Mammut-Betriebssystem noch alles okay ist? Während eines solchen Zyklus wird der Computer so sehr ausgebremst, dass er sich kaum noch von einem 486er unterscheidet. Wer sehr rechenintensive Aufgaben zu erledigen hat, der ist bei uns sicherlich nicht an der richtigen Stelle
stc: Meiner Ansicht nach war die Stärke Ataris zu seinen besten Zeiten nicht unbedingt - ähnlich wie der Mac oder der Amiga - Innovationen einzuführen, sondern vorhandene Ideen zu nehmen, zu verbessern und einem breiten Publikum günstig zugänglich zu machen. Inwiefern siehst Du den Milan in dieser Tradition?
Goukassian: Diese Meinung teile ich mit Dir. Man sieht es nun an der Entwicklung des Amiga-Marktes: Die User wurden stets mit Upgrades verwöhnt, die ihnen tolle Grafikkarten und sogar PowerPC-Prozessoren bescherten, so dass sie weiter in diesem konkurrierenden Geschwindigkeitsrausch mit dem PC und Mac standen. Heute, da diese Add-Ons kaum noch entwickelt werden, scheint der Markt zusammenzubrechen.
Atari-User arbeiten hingegen teilweise noch immer mit den alten STs, TTs oder Falcons, weil die Anwendungen, die sie nutzen, so unglaublich leicht zu handhaben sind. Derzeit verhandeln wir mit vielen "alten" Softwarehäusern, die eine Weiterentwicklung zum Teil längst eingestellter Software für den Milan erwägen oder schon begonnen haben. Wenn wir hier wieder eine adäquate Softwarepalette haben, dann dürfte der Milan viele Freunde finden.
stc: Der Milan I wurde mit N.AES ausgeliefert, einem Betriebssystem, das in direkter Tradition des MultiTOS von Atari steht. Für den Milan II wurde aber auf MagiC zurückgegriffen. Wo siehst Du die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den beiden Systemen, wo liegen deren Vor- und Nachteile?
Goukassian: Ich mag beide Betriebssysteme - und wie Du schon sagst: Sie haben Vor- und Nachteile. Während N.AES auf Basis von MiNT eine gute Netzwerkanbindung ermöglicht, ist das unter MagiC noch ein Traum, an dem aber gearbeitet wird. Ich sehe für uns den Vorteil, dass MagiC besser ins Konzept "Homecomputer, der einfach zu bedienen ist" passt, weil alle Betriebssystem-Elemente - angefangen vom Fileselector bis hin zum Konfigurator - wie aus einem Guss erscheinen. Auf mich wirkt MagiC daher nicht zuletzt auch optisch homogener und moderner.
stc: Wird die MagiC-Version auf dem Milan II bereits Fähigkeiten besitzen, die die derzeitige Version 6 noch nicht hat? Gerüchten zufolge soll MagiC 7 z.B. netzwerkfähig sein - und auch aus Deiner Andeutung lese ich so etwas heraus.
Goukassian: Dazu kann und darf ich leider noch nichts sagen, da MagiC auch nicht direkt aus unseren Reihen stammt. Wie gesagt: Es gibt eine lange Wunschliste, die abgearbeitet wird, und in dieser Liste findet man auch das Streben nach Netzwerkfähigkeit. Je nachdem, wann es eine neue MagiC-Version gibt, könnte auch ein MagiC 7 spruchreif für den Milan II werden.
stc: Wie ist nun konkret der Vertrieb geplant? Es war die Rede davon, dass der neue Milan tatsächlich bei bis zu 3000 Kaufhäusern und Fachhändlern erhältlich sein wird. Ist diese Zahl noch aktuell?
Goukassian: Wir hoffen es! Karstadt und Co. (Hertie ...), Vobis, Brinkmann und weitere Kaufhausketten haben definitiv ein großes Interesse am Vertrieb des Milan. Damit dürfte eine gute vierstellige Zahl an Verkaufspunkten erreicht werden. Darüber hinaus werden mit rund 60 interessierten Fachhändlern Verträge gemacht, so dass wir auch eine gute Abdeckung an Kompetenz-Centern haben. Ich denke, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.
stc: Der Milan I hätte wahrscheinlich weitaus mehr Einheiten verkaufen können, wenn er wirklich weltweit erhältlich gewesen wäre. Ist dem Milan II hier ein besseres Schicksal beschieden?
Goukassian: Der Milan I hat uns so sehr mit Beschlag belegt, dass wir nicht zur weltweiten Vermarktung gekommen sind. Doch hier arbeiten wir ja nun mit einem starken Partner (Axro) zusammen, der weltweite Kontakt pflegt. Natürlich spielt auch die Mehrsprachigkeit des Betriebssystems und der mitgelieferten Komponenten eine große Rolle. Darum werden die Sprachen Englisch und Französisch bis zur Fertigstellung des Milan II voll unterstützt. Vertriebspartner in England, Frankreich, Holland, den USA und Kanada usw. sind bereits an uns bzw. unseren Partner herangetreten, so dass dort Verhandlungen laufen können.
stc: Apple bietet seinen Kunden auch direkte Bestellmöglichkeiten im Internet an. Plant auch Milan diese Möglichkeit?
Goukassian: Ja!
stc: Ein Problem ist sicher, dass ein durchschnittlicher Verkäufer wenig oder gar nichts über das Atari-System weiß und daher eher dazu neigt, Kunden den PC zu verkaufen, der gerade das "Angebot der Woche" ist - selbst Apple hat mit dem iMac dieses Problem. Wie will man den Einzelhandel mit dem Milan vertraut machen? Sind Schulungen geplant?
Goukassian: Das wird sicherlich ein gros-ses Problem, und wir können nicht erwarten, dass die Kaufhäuser wegen eines Milan ihre Mitarbeiter zu unseren Schulungen schicken, die wir aber dennoch anbieten werden. Unsere Strategie ist, den Händern eine so große Gewinnspanne zu bieten, dass sie von der Firmenleitung dahingehend dirigiert werden, das System zu pushen. 1 Milan macht 3 PCs - so die große Rechnung, und das hat sich schon auf das Interesse der Ketten ausgewirkt. Folglich wird sich der Verkäufer mit dem Computer auseinandersetzen müssen, der in groben Zügen ja nun wirklich intuitiv und ähnlich wie ein PC oder Mac zu bedienen ist.
stc: Apple präsentiert wegen der obigen Problemstellung den iMac in auffälligen Displays. Auf dem iMac selbst läuft dann eine Präsentation bzw. Slideshow ab, die die wichtigsten Leistungen des iMac vorführt. Apple lässt das Gerät sich also quasi selbst vorstellen. Wäre dies auch ein Weg für den Milan? Schließlich sind die Leute an der Frage »Was konkret kann ich damit machen?« interessiert.
Goukassian: Ehrlich gesagt haben wir eine Selbstpräsentation noch nicht in Erwägung gezogen - das muss ich soweit ehrlich zugeben. Aber ich denke, dass dies eine hervorragende Möglichkeit wäre. Bei der Geschwindigkeit eines 060-Prozessors dürfte Overlay inklusive all seiner Ausgabefähigkeiten perfekt für eine solche Präsentation geeignet sein. Ich werde diesen Vorschlag gleich weitergeben und mit meinen Kollegen besprechen.
stc: Der Milan selbst enthält ein 56k-Modem und bringt Internet-Software gleich mit. Ist auch ein Vertrag mit einem bundesweiten Provider gleich mit Inbegriffen?
Goukassian: Auf jeden Fall wird das der Fall sein - ganz ohne Grundgebühr und ganz ohne Vertragslaufzeit und mit sehr günstigen Telefonverbindungs-Gebühren. Schließlich soll der Milan auch ein "Plug’n-Surf’-Rechner sein, der schon 10 Minuten nach dem Auspacken internettauglich ist.
stc: Wie will Milan bzw. Axro die Leute konkret dazu bewegen, im Kaufhaus nach dem Milan Ausschau zu halten? Wo gedenkt man, für den Milan Werbung zu machen? Welche Werbemaßnahmen sind geplant? Ein Designer hat einmal zu mir gesagt: «Der Erfolg des iMac besteht zu 20% aus Design und zu 80% aus Marketing»...
Gnukassian: ...ein kluger Mensch, denke ich. Und das wird auch unsere schwierigste Aufgabe, denn wir haben keinen amerikanischen Mutterkonzern, der uns einige Millionen Dollar spendieren kann, damit wir das Produkt publik machen. Wir haben das Glück, von der Presse als "der Phönix aus der Asche" anerkannt zu werden und schon im Vorfeld sehr viel
Aufmerksamkeit zu erlangen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass eine neutrale Medien-Berichterstattung immer noch viel mehr Wirkung auf das Vertrauen des Kunden hat, als eine Werbeanzeige, die subjektiv immer positiv ausfällt. Unsere Aufgabe wird es sein, das uns zur Verfügung stehende Budget gezielt einzusetzen, damit die Werbung parallel zur Medien-Berichterstattung erscheint und außerdem darauf zu achten, unser Zielklientel anzusprechen. Traditionelle Kunden werden darüber hinaus durch Werbeanzeigen in c't, st-Computer und weiteren (Ex-)Atari-Hochburgen erreicht.
stc: Um Interesse für ein Gerät zu erwecken, sind auch Tests in systemübergreifenden Magazinen wie z. B. der "c't" oder der "Keyboards" interessant - vergessen wir vor allem die Musiker nicht! Bestehen hier schon Kontakte?
Goukassian: Die Mitarbeiter der c't sind uns dicht auf den Fersen und kontaktieren uns regelmäßig wegen ihres großen Interesses am Milan II. Das ist aber auch kein großes Wunder, denn schließlich hat es niemals einen echten 68060-Computer in Serienproduktion gegeben. Das ist schon etwas Besonderes für die Leute. Aber auch mit den Musikmagazinen sind wir im ständigen Kontakt, wobei wir hier natürlich auch darauf angewiesen sind, dass es ordentliche Musik-Programme für die neue Hardware gibt.
stc: Apple hat mit dem iMac eine hohe Aufmerksamkeit auf das Design eines Computers gelegt. Vorteil ist, dass mittlerweile jeder Computerinteressierte, der den iMac sieht, sofort weiß: »Hey, das ist der iMac«. Auch Atari hatte seinerzeit mit dem eigenwilligen Design des TT etwas ähnliches vor, anscheinend war die Zeit allerdings noch nicht weit genug für derartige Extravaganzen, da der Computer noch nicht als Teil der heimischen Umgebung wahrgenommen wurde. Wie wichtig ist dieser Design-Aspekt beim neuen Milan?
Goukassian: Sehr wichtig. Und gerade aus diesem Grund haben wir ja auch das Board-Konzept verworfen und nun ein Mini-Board entwickelt. Damit können wir den Milan II wohl in nahezu jedes Gehäuse stecken und sind so beim Design flexibler. Wir arbeiten sowohl mit einem taiwanesischen Gehäuse-Hersteller mit eigener Design-Abteilung als auch mit einem deutschen Design-Unterneh-men, das auch für VW tätig ist, zusammen, um das perfekte Outfit präsentieren zu können. Wie es mit einer eventuellen AII-ln-One-Lösung aussieht, die sowohl Bildschirm (bei uns wohl TFT) als auch Computer enthält, weiß ich noch nicht. Wir haben das Konzept angedacht und sind uns sicher, dass man ein absolut extravagantes Gerät entwickeln könnte.
stc: Jedes System, das bisher für eine Zeitperiode den Markt beherrscht hat (oder jedenfalls große Anteile hatte), verdankt seinen Erfolg zu großen Teilen den Spielen - dies trifft auf den C=64, den Amiga, den PC und letztendlich auch auf den ST zu. Für den Atari gibt es aber zur Zeit kaum aktuelle Spiele. Was ist in dieser Hinsicht zu erwarten? Bestehen Kontakte zu Spiele-Softwarehäusern?
Goukassian: Ja, natürlich - aber wie eingangs erwähnt: Wir sollten uns nichts vormachen: Der Milan wird nicht für perfekte 3D-Games geeignet sein. Da empfehle ich die Playstation II, die auch jeden PIII/600 abhängen wird. Aber dennoch: Für den Unterhaltungsspaß zwischendurch ist gesorgt. Dank der Aktivitäten von Epic Marketing werden einige tolle Spiele auf uns warten. Darüber hinaus arbeitet ein französischer Entwickler an der Portierung des Automatenspiele-Emulators M.A.M.E., wodurch tausende von Spieleklassikern ad hoc zur Verfügung stünden. Naja, insgesamt erwarten uns aber bis zum Jahresende wohl 10 neue Spiele - auch aus dem 3D-Bereich...
stc: Mit der ATI Rage wird auch endlich eine 3D-Grafikkarte Einzug in die Atari-Welt halten. Wie sieht es mit der Portierung von 3D-Systemen wie OpenGL aus?
Goukassian: Olaf Piesche, ein Mitentwickler der EBV-Software Smurf, arbeitet derzeit an der Portierung eines OpenGL für den Milan, wodurch 3D-Action-Spiele schnell portiert werden können. Ich denke aber nicht, dass die Anpassung vor Ende des Jahres abgeschlossen ist, denn es steckt doch eine Menge Arbeit dahinter. Dann sollten auch Autorennen, 1st-Person-Shooter und vergleichbare Spiele kein Problem mehr darstellen.
stc: Wird der Milan II das einzige Milan-System bleiben oder schwebt Dir mittelfristig ein ganze Atari-Produktpalette vor? Die Atari-Technologie würde sich z.B. auch hervorragend für Settop-Boxen und ähnliches eignen...
Goukassian: Wir arbeiten an einer grösseren Produktpalette, angefangen vom Web-Pad bis hin zum kleinen Pocket-eMailer und der Settop-Box. Allerdings übersteigt das unser wirtschaftliches Volumen so sehr, dass derzeit Kooperationspartner gesucht werden, die unsere Geräte in enger Zusammenarbeit mit uns entwickeln und gemeinsam mit uns vertreiben würden. Sollte dieses Vorhaben gelingen, wären wir natürlich alle heil froh, denn für solche Massenmarkt-Geräte würde schnell Software entwickelt, die zwangsläufig auch Atari-kompa-tibel sein müsste...
stc: Viele Atari-Fans warten auch seit )ah-ren auf einen vernünftigen Laptop. Wenn ich mir die Bilder vom neuen Milan so anschaue, dann müsste die Platine doch auch hervorragend in ein tragbares Gehäuse passen...
Goukassian: Na ja, wenn wir die neue Platine in ein Web-Pad bekommen, dann doch auch in ein Notebook-Gehäuse. Der 68060 verbraucht von Haus aus viel weniger Strom als ein Pentium, so dass auch die Betriebszeiten adäquat wären. Allerdings sehe ich der eigenen Produktion eines Atari-Notebooks - oder sagen wir eines Milan-Notebooks - insofern skeptisch entgegen, als wir hier nicht so große Stückzahlen erreichen könnten, als dass sich eine eigene Auflage rentieren würde. Dazu wären die Einrichtungskosten leider zu hoch. Ich suche aber derzeit in Asien Lieferanten von sogenann-ten �"Barebones", das sind Leerrechner, die nur Bildschirm und Laufwerke beherbergen und entsprechend ausgestattet werden können. Bei PCs ist so etwas üblich. Doch wie es bei Notebooks aussieht, habe ich bislang noch nicht feststellen können, denn meine Aktivitäten in dieser Richtung sind noch frisch (seitdem wir das Boardformat kennen), und gerade in diesem Bereich gibt es doch noch nicht soviele Standards wie im PC-Segment.
stc: Vor einigen Monaten haben Atari-Fans in aller Welt gehofft, dass der neue Milan auch unter dem Logo Ataris erscheinen würde. Dann wurde es still um diese Pläne. Wie sehen die Chancen in dieser Hinsicht aus, wie schwierig gestalten sich die Verhandlungen?
Goukassian: Sicher, einen Milan mit dem Namen um am besten auch noch dem Logo von Atari schmücken zu dürfen, wäre für die Publicity des Computers erstklassig gewesen, doch Ieider haben wir bei unseren Verhandlungen mit Hasbro kein Ergebnis erzielen können. Hasbro hat die Rechte an Atari nicht nur für 5 Millionen US-Dollar erworben, sie verfolgen auch klare Ziele mit diesem Deal. Sie möchten den Markennamen Atari als Label für hochwertige Spiele neu zum Leben erwecken. Und es ist nachvollziehbar, dass sie die Zweitverwertung durch ein Unternehmen, das sie kaum kennen, scheuen. Die Gefahr, die seitens Hasbro gesehen wird, ist die, dass ein unbeteiligtes Unternehmen den teuer erstandenen Namen durch Misswirtschaft, schlechte Qualität oder im schlimmsten Falle auch durch eine Firmenpleite entwertet. Das sind Gründe, die ich nachvollziehen kann und respektiere. Dennoch haben wir mit unseren Verhandlungen noch nicht aufgegeben...
stc: Ich habe mir vor einigen Tagen die Homepage von Milan noch einmal angeschaut. Etwas traurig ist der Fakt, dass viele der hier angekündigten Erweiterungskarten immer noch nicht erhältlich sind. Wie steht es z.B. um die Falcon-Kompatibilitätskarte oder die TV-Karte?
Goukassian: Das Problem ist, dass die wenigen Entwickler total überfordert sind, und bislang war der Milan 040 nicht profitabel genug, um Personalneueinstellungen zu rechtfertigten. Die Entwicklung des Milan 040/060 hat uns eine dicke sechsstellige Summe in den Jahren 1997 - 1999 gekostet, und diese Investitionen mussten vorab geleistet werden. Ich denke, dass wir bei erfolgreichem Marktstart des Milan II durchaus Stellenausschreibungen machen werden, um das Entwicklerteam zu erweitern.
Erfreuliche Nachrichten gibt es hinsichtlich der DSP-Card: Diese wurde nun auch von Rudolphe Czuba, dem Chefentwickler des Phenix 060, in Angriff genommen. Dabei verwendet er die im Phenix 060 integrierte DSP-56003-Lösung, die ein Vielfaches der Falcon-DSP-Performance erreicht. Diese Technik wird auf eine PCI-Karte portiert, und wir erwarten für den Sommer eine erstklassige Lösung. Dadurch wird der Entwickler der TV-Karte, Rainer Mannigel, der auch die Falcon-Card in der Pipeline hatte, derart entlastet, dass auch hier Fortschritte gemacht werden können. Was unsere Entwickler in den kommenden Tagen zur Realisation der TV-Karte beitragen, würde zu weit ins Details gehen.
stc: Auch die Einführung eines gemeinsamen PCI-BIOS hat bisher nicht den erhofften Erfolg. Für den Hades gibt es z.B. bereits eine Treiberanpassung für die ATI-Rage-Pro-Grafikkarte, Milan-Anwender müssen sich immer noch mit der vergleichsweise schwachen Trio-S3-Karte begnügen. Bei der Soundblaster-Karte sieht es genau andersherum aus. Was ist der Grund für all diese Inkompatibilitäten?
Goukassian: Wir haben uns Mitte des vergangenen Jahres entschlossen, einen anderen Weg für die Kartenanpassung vorzuziehen und das gemeinsame PCIBIOS in zweiter Reihe folgen zu lassen. Der Grund ist, dass wir im Hades" keine großartige Parallel-Entwicklungs-Unterstützung mehr sehen, da dieser ja nicht mehr gebaut wird. Ich will versuchen, es kurz zu erklären: PCI-Karten verfügen über ein BIOS, das alle relevanten Informationen zum Betreiben der Karten enthält. Eigentlich sollte das BIOS in FORTRAN geschrieben sein, damit es von allen Systemen gleichermaßen ausgelesen werden kann. Doch die Intel-Allianz hat es geschafft, einen neuen Quasi-Standard zu schaffen, so dass die Daten nun im Intel-Code vorliegen. Der Vorteil: Die Kartenhersteller können ein und dieselbe Hardware an einen Mac-Anwender z.B. für ein 3- bis 4-faches des PC-Karten-Preises verkaufen. Wir haben nun einen neuen Bootblock geschrieben, der einen Mini-Intel-Emulator enthält, um die PCI-Karten dennoch auslesen und initialisieren zu können. Damit wird es künftig ein Kinderspiel sein, z.B. Grafikkarten aller Art anzupassen, wenn die Entwicklerdokumentationen seitens des Hersteller vorliegen. Eine erstklassige Idee unseres Kern-Trios "Schneider - Schwingen -Göttsch", die weltweit Schule machen könnte.
stc: Es ist aber etwas enttäuschend für viele Anwender, dass noch nicht mehr Treiber z.B. für moderne PCI-Grafikkarten vorhanden sind...
Goukassian: Sobald der Bootblock fertig-gestellt ist - das sollte Ende März der Fall sein - werden wir schnelle ATl-Karten anpassen. Eine Arbeit, die wir für den Milan II sowieso erledigen müssen. Externe Entwickler werden aber auch die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Anpassungen zu machen. Wir hoffen, dass auf diese Weise eine Reihe von neuen Treibern entsteht.
Was ist mit den Besitzern des Milan l - müssen diese das komplette Board ersetzen oder ist ein 060-Upgrade noch in Planung?
Goukassian: Ein Upgrade wird es auf-grund des vollkommen neuen Board-Designs nicht geben können. Seit 2 Wochen bieten wir nun das endgültige 060-Upgrade für den Milan040 an, das wirklich adäquate Ergebnisse erzielt. Wer also nicht zwingend ein Mini-Board benötigt, ist mit diesem Upgrade auch bestens bedient. Dabei wird nur eine kleine Adapter-Platine auf den Prozessorsockel des 68040 gesteckt und einige geringfügige Modifikationen getätigt.
stc: Aus vorhergehenden Gesprächen weiß ich, dass sich Milan nicht nur auf den Atari-Markt konzentrieren will, sondern ähnlich Atari eine komplette Produktpalette inklusive einer PC-Serie plant - und das eventuell unter dem Namen "Atari". Kannst Du uns hier schon etwas mehr verraten?
Goukassian: Leider nicht viel, denn die Arbeiten in diese Richtung sind noch nicht abgeschlossen. Soweit vorab: Wenn das Milan-Sortiment auch Windows-kompatible Rechner enthalten sollte, dann werden diese grundsätzlich der Philosophie eines Milan entsprechen und eine kompakte und gut vorinstallierte Softwarebasis besitzen. Oberste Priorität hat derzeit aber der 68060-Computer. Der PC könnte uns nur behilflich sein, einige derzeit noch verschlossene Ohren und Türen zu öffnen.
stc: Könntest Du Dir vorstellen, dass Milan in der Zukunft einmal ein Anbieter einer bestimmten Technologie bzw. Betriebsumgebung sein wird und sich auf die Vergabe von Lizenzen beschränkt?
Goukassian: Das ist leider noch ein weiter Schritt. MagiC ist eigentlich das Traum-Betriebssystem für viele zukünftige Lösungen. Galt bis vor kurzem noch das Motto "schneller, höher, weiter", hat die CeBit 2000 doch neue Maßstäbe gesetzt. Heute heißt die Devise "kleiner, portabler, einfacher". Etliche Firmen arbeiten an neuen Betriebssystemen, die so kompakt sein sollen, dass sie auf Flash-EPROMs passen, um das portable Surfen im Netz zu ermöglichen, um Festplatten abkömmlich zu machen, damit sowohl die Ausmaße als auch der Stromverbrauch tragbarer Geräte reduziert werden können. Hier könnten TOS und MagiC weltweit Maßstäbe setzen, denn schon jetzt könnte man mit einem 2-MB-Flash-RAM ein komplettes Betriebssystem samt Internet-Applikation auf einem Rechner unterbringen. Da das TOS aber derzeit noch an einen 68k-Code gebunden ist, wird es noch eine Weile dauern, bis an eine reine Betriebssystem-Vermarktung gedacht werden kann.
st-computer: Ali, ich danke Dir für das Gespräch - wir werden uns bestimmt schon bald wieder sprechen.
Ali Goukassian: Ich denke auch! Wir haben noch so vieles in Vorbereitung ....