MIDI & Audio mit dem Atari Teil 1: Workshop

Für Neu- und Wiedereinsteiger

Henrik Klüver erläutert, welche Fähigkeiten die Ataris für den MIDI-Einsatz mitbringen.

Die frühen Atari-Modelle ST und Mega ST hielten Einzug in unzählige Studios und verhalten dem damals noch jungen MIDI-Standard zum absoluten Durchbruch. Im Gegensatz zu den direkten Konkurrenten Amiga und Apple Macintosh integrierte Atari schon in der allerersten ST eine MIDI-Schnittstelle und eroberte somit den Markt im Sturm. Nach heute gelten die STs und Mega STs als unkomplizierte und schier unverwüstliche Geräte für Sequencing-Aufgaben im Studio- und Liveeinsatz. Einen gebrauchten Mega ST bekommt man heute schon für unter DM 100.- auf dem Gebrauchtmarkt.

Die Zeiten, als der Atari als der Musikcomputer schlechthin gehandelt wurde, sind vorerst vorbei. Auch wenn viele Profis ihre alten Ataris aus gutem Grund nicht entsorgt haben sondern immer noch benutzen, wird doch hauptsächlich auf schnellere und modernere Hardware gesetzt. Nach wie vor bieten aber die verschiedenen Ataris und ihre kompatiblen Nachfolger für Einsteiger stabile, sichere und mittlerweile auch äusserst günstige Systeme, um Musik zu produzieren. Mit dieser Serie soll der Einstieg ins Musikmachen mit Ataris und Kompatiblen erläutert und vereinfacht werden. In dieser Folge soll es um die Möglichkeiten der unterschiedlichen Hardware gehen, was die Auswahl erleichtern, aber auch aufzeigen soll, was Sie eventuell mit dem Rechner, den Sie bereits haben, überhaupt anfangen können.

Atari ST/Mega ST

»Ich habe einen Atari 1040 geschenkt bekommen und gehört, dass man damit ganz toll Musik machen kann. Was kann ich denn machen und was brauche ich dazu?« Solche Anfragen sind etwa in der Mausnet-Gruppe .Technick.MIDI gar nicht mal so selten. Und es stimmt nach wie vor: Auch mit den kleinsten Atari-Systemen lässt sich auf MIDI-Basis komponieren und aufnehmen, es können Klänge mit dem mittlerweile legendären eingebauten Yamaha-Soundchip produziert, und es können sogar Samples bearbeitet, wenn auch nicht unbedingt direkt angehört werden. Das alles funktioniert auch schon mit nur einem Megabyte Hauptspeicher und bei reinem Diskettenbetrieb, wobei natürlich gesagt werden muss, dass für komfortables Arbeiten und erst recht, wenn Sie den Rechner auch noch für andere Aufgaben einsetzen wollen, 4 MB Speicher und eine Festplatte eigentlich Pflicht sind. Hier mag sich für manchen das Problem auftun, dass solche Erweiterungen gerade in der Relation zum Rechnerwert doch immer noch vergleichsweise teuer sind. Bedenken Sie aber, dass es sich um Nischenprodukte handelt, die einfach nicht günstiger zu produzieren bzw. schon gar nicht einzubauen sind. Wer es sich zutraut, kann mittels eines 4-MB-PS/2-SIMMs selbst Hand anlegen (Anleitung in STC 4/97 oder in Chips'n'Chips); einen Festplat-ten-Hostadapter muss man sich aber schon kaufen (ca. DM 150.-).

Ein weiterer Stolperstein (zumindest bei 520er und 1040er STs) kann die Betriebssystemversion sein. Erst ab TOS 1.4 laufen viele Programme - und vor allem auch angeschlossene Festplatten -stabil. Überpfüfen Sie dazu einmal im Menüpunkt „Desktop Info" die angegebenen jahreszahl(en). Wenn u. a. die Jahreszahl 1988 angezeigt wird, ist Ihre TOS-Version ausreichend. Komfortabler ist allerdings das „neueste" TOS 2.06. Auch damit kann man seinen ST noch aufrüsten lassen.

Der Atari Mega STE ist die Krönung der ST/ STE-Serie, kombiniert eine im Vergleich zum Mega ST höhere Leistung mit einer hohen Kompatibilität und ermöglicht den Anschluss einer SCSI-Festplatte. Der interne SCSI-Controller kann allerdings nur ein einziges Gerät erkennen und unterstützt lediglich Festplattenkapazitäten bis zu 1 GB. Für den Mega STE ist allerdings eine interne Version des Hostadapters „Link 96" verfügbar, die diese Einschränkungen beseitigt.

Atari 1040 STE/Mega STE

Grundsätzlich sind die Einsatzbereiche für diese Rechner gleich denen der vorgenannten. Trotzdem haben sie (nicht nur) für Musiker noch Vorteile gegenüber ihren älteren Kollegen zu bieten. Zunächst sollte das TOS keine nennenswerten Probleme machen, und wenn TOS 2.06 doch gewünscht und noch nicht vorhanden ist, brauchen nur die EPROMs ausgetauscht werden. Ausserdem ist der Speicher durch steckbare SIMMs erweiterbar, so dass ein Ausbau relativ billig ist. Auch verfügen diese Rechner über einen 8-Bit-DMA-Sound (Stereo), so dass Samples, die mit dem Rechner bearbeitet werden, zumindest testweise auch angehört werden können. Zudem sind Mega STEs natürlich auch noch schneller als die anderen STs (16 statt 8 MHz). Darüber hinaus hat dieses Modell die Festplatte samt SCSI-Adapter schon eingebaut, was die oben genannten Probleme natürlich gar nicht erst aufkommen lässt.

Atari TT

Der wesentliche Vorteil des TT gegenüber seinen „kleinen" Kollegen ist für den Musiker seine Geschwindigkeit. Dies lohnt sich allerdings am ehesten noch im Bereich des Notendrucks, da hier wirklich große Datenmengen zu berechnen sind. Für MIDI-Anwendungen anderer Art sind auch die kleinen Ataris schnell genug. Dass der TT mit noch wesentlich mehr Speicher bestückt werden kann, ist für (ausschließliche) Musiker relativ unerheblich, da die sinnvollen Anwendungen sich alle mit 4 MB begnügen. Der TT verfügt allerdings auch über eine echte SCSI-Schnittstelle, was das Anschließen von Festplatten und CD-ROM-Laufwerken (und optional sogar den Datenaustausch mit einigen Samplern) natürlich wesentlich erleichtert.

Der Atari TT gilt als „Arbeitspferd" unter den Classic-Ataris und eignet sich somit auch für den Studioeinsatz und Notensatz.

Auch der TT verfügt über den 8-Bit-Stereo-DMA-Sound. Theoretisch kann der TT über seinen VME-Bus mit der StarTrack-Soundkarte bestückt werden (siehe Kasten).

Atari/C-LAB Falcon

Mit dem Falcon konnte ein ganz neuer Bereich der Musikproduktion kostengünstig erschlossen werden: das Harddiskrecording. Aufgrund seines achtspurigen Audio-Subsystems kann er quasi als Bandmaschine mit 8 Spuren (16 Bit) eingesetzt werden. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen analogen Tonbändern ist natürlich die Möglichkeit, die Spuren beliebig oft verlustfrei kopieren zu können. Damit kommen einige Programme auf bis zu 64 virtuelle Spuren, die aufgenommen werden können. Möglich macht diese für einen Computer doch recht anspruchsvolle Aufgabe der eingebaute DSP (Digital Signal Processor) des Falcon. Die oft kritisierten Audiowandler des Falcon können mit verschiedener Zusatzhardware „umgangen" werden, was in einer späteren Folge dieser Serie ausführlicher erläutert werden soll. Es ist aber in jedem Fall möglich, mit dem Falcon Musik in CD-Qualität zu produzieren (eine kleine Anmerkung am Rande: Seit neuestem kann man mit dem Falcon auch MP3-Musikstücke abspielen). Der später erschienene C-LAB Falcon hat bereits bessere, wenn auch immer noch nicht perfekte Wandler.

Auch der Falcon verfügt über eine SCSI-Schnittstelle und sogar über einen internen IDE-Anschluss. Musiker mit Ambitionen zum HD-Recording sollten aber auf jeden Fall vor einem Kauf die Funktionsfähigkeit der SCSI-Schnittstelle und des Soundsystems des Falcon überprüfen. Es gibt nämlich leider Modelle mit gravierenden Fehlern in dieser Hinsicht. Auch zu diesem Thema lohnt sich ein Blick in den ST-Cuide „Chips'n'Chips" oder auch das „Dolt Falcon 030"-HTML-Archiv.

Der Atari Falcon wurde mehrere Jahre auch von der Firma C-LAB hergestellt und wurde hier in verschiedenen Ausführungen angeboten.

Wem der Falcon zu langsam ist (standardmäßig ist er langsamer als ein TT), der hat seit einem Jahr die Möglichkeit, ihn mit der Centurbo-II-Karte auf Trab zu bringen. Für Musiker hat diese noch den unschätzbaren Vorteil, dass sie DMA-Probleme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beseitigt. Eine Ausnahme bilden Mainboards der Revision B. Mit der Centurbo II wird die IDE-Schnittstelle ausserdem derart beschleunigt, dass auf ihr Datenübertragungsraten von bis zu 8 MB/s möglich werden.

Hades

Zum Hades ist nicht soviel zu sagen, denn er war von vornherein eher als DTP-Computer konzipiert, und er wird sich wohl auch mit dem Erscheinen des Milan II kaum noch verkaufen lassen, da er zu teuer ist. Wer einen solchen Rechner besitzt oder günstig erstehen kann, kann ihn allerdings mit Hilfe der StarTrack-Soundkarte (siehe Infobox) zu einem echten Profi-Musiksystem ausbauen.

Milan I/II

Bisher gab es für Musiker noch keinen besonderen Grund, sich einen Milan zu gönnen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass auf die angekündigte DSPower-Card mittlerweile leider schon ziemlich lange gewartet werden muss. Diese Karte soll den Milan zu 100% Falcon-kompatibel machen, und damit hätte man mit einem Schlag alle Möglichkeiten, die der Falcon bietet, auch auf dem Milan - nur eben schneller und sicherer (keine DMA-Probleme). Gegenüber einem Falcon mit Afterburner oder Centurbo-Il-Karte werden die Geschwindigkeitsunterschiede aber auch erst mit Erscheinen des Milan II für Musiker richtig relevant, da dieser neue Rechner über einen 68060-Prozessor verfügt.

Die StarTrack ist eine DSP-Audiokarte für TT, Hades und Milan mit den folgenden Leistungsmerkmalen:

Die StarTrack ist erhältlich bei ag Computertechnik, http://www.ag-computer.de.

Ansonsten kann mit dem Milan die gängige Atari-MIDI-Software betrieben werden, sofern er mit einer MIDI- oder Soundkarte nachgerüstet ist. Probleme gab es in der Anfangszeit mit der für viele Anwendungen obligatorischen ROM-Port-Karte, diese sollen aber mittlerweile gelöst sein. Wer Interesse an MIDI-Anwendungen auf dem Milan hat, wendet sich am besten an Woller Systeme (http://www.woller.com), da hier schon diverse Erfahrungen vorliegen und u. a. Cubase auch gleich mit erworben werden kann. Zur Milanblaster-Karte (einer Soundblaster-Karte) gibt es zudem auch noch einfache Software dazu. Mit Quincy ist Harddiskrecording auch auf dem Milan möglich. Weiterhin besteht auch für den Milan die Möglichkeit, über die VME2PCI-Karte die Startrack-Soundkarte anzuschließen und damit über ein wirklich professionelles System zu verfügen. Dies hat bisher aber eben wirklich seinen Preis.

Ansonsten bleibt zu hoffen, dass es für den Milan II neue und günstige Lösungen geben wird, die auch Audio-An-wendungen auf dem Atari wieder so attraktiv machen, wie dies in der Anfangszeit des Falcon der Fall war.

Ausblick

Ich hoffe, Sie haben jetzt einen ersten Überblick darüber gewonnen, was mit den verschiedenen Computern auf TOS-Basis möglich ist. Der folgende Teil der Serie, der sich mit der zur Verfügung stehenden Software befasst, wird sicherlich die eine oder andere Detailfrage beantworten.

[1] STC 3/97, 4/97: Startrack, Flarddiskrecording über VME-Busse [2] STC 4/97: 4 MB für alle Atari ST [3] Chips'n'Chips; Flypertext von Michael Rüge; erhältlich bei AG-Computertechnik (Vollversion) oder als eingeschränkte Freeware in diversen Mausboxen oder STC PD-Disk [????] [4] Dolt Falcon 030; FITML-Library von Robert Schaffner; erhältlich über http://www.atan-computer.de/doitarchive/index.htm


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 03 / 2000, Seite 34

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