Verspricht das strenge Richterurteil gegen Microsoft mehr Gerechtigkeit?
Schade, dass es nicht mehr die alten Rivalitäten zwischen Amiga und Atari gibt, denn es hat ja doch immer ein wenig Spaß gemacht, auf dem anderen System herumzuhacken, oder?
Naja, dann müssen wir uns eben ein anderes Feindbild suchen, und das ist in meinem Fall - wer sonst sollte es sein - Bill Gates und seine Softwareschmiede Microsoft.
Aber Spaß bei Seite, nicht, dass jemand ernsthaft hoffen dürfte, dass Gates irgend wann einmal die Koffer packen und sein Unternehmen schließen muss. Aber darum geht es auch gar nicht. Vielmehr ist das, was sich in Bezug auf Microsoft anbahnt, aus wirtschaftlicher Sicht für jedermann interessant, nicht nur aus Sicht derjenigen, die sich für moderne Technologien interessieren. Schließlich hat es Vergleichbares bislang nur wenige Male gegeben. Das war z.B. bei der Zerschlagung des amerikanischen Telefonriesen AT&T, als ein US-Gericht befand, dass das Unternehmen zersplittet werden müsste, damit es seine Übermacht nicht ausschließlich zu seinen eigenen Gunsten und zum Schaden der Mitbewerber nutzen kann.
Es war der 7.11.99, als Richter Thomas Penfield Jackson sein Urteil im Microsoft-Prozess sprach, und man kann es nicht anders sagen: Es war ein Schuß vor den Bug von Microsoft. Richter Thomas Penfield sprach das niederschmetternde Urteil.
Der Prozess gegen Microsoft wurde von Netscape-Gründer Jim Barksdale ins Leben gerufen, die Klage wiederum Mai 1998 vom Justizministerium und 19 US- Staaten eingereicht. Bei diesem AntiTrust-Verfahren wurde Microsoft vorgeworfen, die Markposition, die mit Hilfe des Betriebssystems Windows erlangt werden konnte, dazu auszunutzen, auf unlautere Weise Mitbewerber aus dem Markt zu drängen, indem Programme kostenlos und mit dem Rückhalt der schier unbegrenzt erscheinenden Finanzmittel dem Betriebssystem beigefügt würden. Explizit lag das Problem darin, dass der einstige Marktführer Netscape seine Stellung verlor, weil Microsoft den Explorer, ein ausgereiftes Internet-Programm, kostenlos in den Markt drängte. In seinem Urteil kam Thomas Penfield Jackson zur Überraschung vieler zum dem Entschluss, dass Microsoft auf die oben geschilderte Weise Netscape vom Markt gedrängt und damit seine Position unlauter genutzt hätte. Da Bill Gates nicht nur hohe finanzielle Strafen, sondern auch das Zwangssplitten seines Unternehmens fürchten muss, hat er bis zum Schluss versucht, gegen dieses Urteil anzukämpfen. So wurde z.B. von den Anwälten Gates immer wieder auf die rasante Entwicklung des Marktes hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass Außenseiter durchaus auch heute noch eine Chance hätten, gute Marktanteile zu gewinnen, wie das Beispiel Linux zeige. Der Wettbewerb ist nach der Ansicht der Microsoft-Anwälte so lebendig, dass ein externer Eingriff nicht notwendig sei.
Die Hilferufe halfen nichts, das Urteil wurde gesprochen. Aber selbstverständlich werden die Anwälte von Bill Gates Berufung gegen dieses Urteil einlegen. Die endgültige Entscheidung des obersten Gerichtes kann also noch eine ganze Weile auf sich warten lassen - mit viel Pech bzw. Glück noch Jahre.
Bislang hat Bill Gates erstaunlicherweise aber noch nicht zu verstehen gegeben, dass er bereit wäre, auch nur einen Millimeter von seinem Standpunkt abzuweichen. Ganz im Gegenteil: Nach wie vor hat er nichts besseres zu tun, als immer wieder zu propagieren, Microsoft sei eine gute Firma, die in Wahrheit nur daran interessiert sei, die Menschheit zu beglücken und das Leben eines jeden zu erleichtern, wo immer es auch nur geht.
Juni 1990: Die Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) überprüft Absprachen des Computergiganten IBM mit Microsoft.
August 1993: Das Justizministerium übernimmt von der FTC in einem ungewöhnlichen Schritt die Untersuchungen im Fall Microsoft.
Juli 1994: Microsoft erklärt sich nach einer Einigung mit dem Justizministerium bereit, seine Lizenzierungspraktiken zu ändern.
April 1995: Das Justizministerium verhindert mit einer Klage den Plan Microsofts, das Softwareunternehmen Intuitfür 1,5 Milliarden Dollar zu kaufen. Intuit ist der weltweit führende Hersteller von Finanzsoftware.
Juni 1995: Die geplante Verknüpfung des neuen Online-Dienstes Microsoft Network (MSN) mit dem Betriebssystem "Windows 95" wird überprüft.
August 1995; Das Justizministerium weitet seine Untersuchung auf die geplante Verknüpfung des Browsers "Internet Explorer" und "Windows 95" aus. Nach monatelangem juristischem Streit wird die Einigung über die Lizenzierungspraktiken vom Juli 1994 doch noch für gültig erklärt. Der ursprüngliche Kartellstreit scheint beigelegt.
August 1996: Die Netscape Communications Corp., mit ihrem "Navigator" weltweiter Marktführer beim Absatz von Browsern, bittet das Justizministerium um Unterstützung. Netscape wirft Microsoft vor, seine Marktdominanz unerlaubt einzusetzen.
August 1997: Nach der Übernahme von Web TV durch Microsoft leitet das Justizministerium Untersuchungen der jüngsten Investitionen des Unternehmens im Live-Video-Bereich ein. Auch die 150 Millionen-Dollar-Beteiligung am Computerhersteller Apple wird überprüft.
Oktober 1997: Die Einbindung des "Internet Explorers" bei der Softwareabgabe an Computerhersteller ruft die US-Bundesstaaten auf den Plan. Mehrere Oberstaatsanwälte - darunter die von Kalifornien, New York, Texas und Massachusetts - leiten Untersuchungen ein. Auch die Europäische Kommission überprüft Microsofts Marktpraktiken.
Oktober 1997: Das Justizministerium erklärt die Bündelung des "Internet Explorers" mit dem Betriebssystem "Windows 95" bei der Softwareabgabe an Computerhersteller für unzulässig. Microsoft verstoße mit seinen Lizenzierungspraktiken gegen einen kartellrechtlichen Gerichtsbeschluß aus dem Jahre 1995. Bei einem Bundesgericht beantragt das Justizministerium eine Strafe im Falle der Zuwiderhandlung von einer Million Dollar pro Tag.
Dezember 1997: Bundesrichter Thomas P. Jackson verlangt von Microsoft, die Zwangsbündelung von "Windows 95" und "Internet Explorer" aufzuheben.
Januar 1998: Microsoft kommt dem Urteil von Richter Jackson vom 11. Dezember nach.
März 1998: Bill Gates sagt vor einem Senatsausschuß aus. Die Ausschußmitglieder befragen den Microsoft-Chef nach seiner Monopol-Stellung und der Lizenzierungspolitik des Unternehmens.
Mai 1998: Microsoft verschiebt die Auslieferung von Windows 98 und konzentriert sich auf Verhandlungen mit der Justizbehörde und 20 Bundesstaaten, um eine bevorstehende Kartellklage abzuwenden. Die Verhandlungen scheitern. Am 18. Mai reichen 20 Bundesstaaten und die Justizbehörde eine Kartellklage gegen Microsoft ein. Die Anschuldigung: Microsoft verstoße gegen den Sherman Act, einem Kartellgesetz aus dem Jahr 1890.
Juni 1998: Das Berufungsgericht in Washington hebt das Verbot auf, den Internet Explorer mit dem Betriebssystem zu koppeln.
August 1998: Das Gericht fordert Microsoft zur Übergabe der Quellcodes von Windows auf.
September 1998: Das Washingtoner Bezirksgericht weist Microsofts Antrag auf Einstellung des Kartellverfahrens ab.
Die derzeit am stärksten publizierte Folge dieses Prozesses ist die Zwangssplittung von Microsoft, doch das niederschmetternd erscheinende Urteil hat auch zur Folge, dass lediglich der Druck auf Microsoft, sich mit seinen Kontrahenten außergerichtlich zu einigen, gewachsen ist. Denn es bleibt fraglich, ob das Vorzei-ge-Unternehmen aus Seattle, das auch als Triebfeder des seit über acht Jahren anhaltende Wachstum der amerikanischen Wirtschaft gilt, so ohne weiteres atomisiert wird. Nichts dürfte der Regierung unangenehmer sein, als ausgerechnet das Symbol für ein Wiedererstarken der High-Tech-Nation USA in der Flut der eigenen Gesetz zu ertränken - und das auch noch ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen.
Darum hat das Urteil auch beinahe den Anschein, als habe der Richter Microsoft taktisch klug über Gebühr in die Defensive gedrängt, um einen glimpflichen Ausgang dadurch provozieren, dass sich die Streithähne nun zusammensetzen und eine Möglichkeit erläutern, aufeinander zuzukommen.
Im kalifornischen Silicon Valley, der Hochburg für Hard- und Softwareentwicklungen in den USA, hat das Urteil im Anti-Trust-Verfahren eine Welle der Begeisterung ausgelöst. Unternehmer, junge Start-Ups und High-Tech-Oldies freuten sich, und beim Softwarehaus Netscape knallten sogar die Sektkorken.
"Dies ist ein großer Tag für die ganze Industrie", sagte Netscape-Gründer Jim Barksdale, der als einer der Zeugen in dem Prozess ausgesagt hatte. "Ich fühle mich sehr bestätigt und bin sehr glücklich!", betonte er. Und das US-Justizministerium bezeichnete die Entscheidung als einen großen Sieg für die amerikanischen Verbraucher.
Der Präsident des Firmenverbandes "Association for Competetive Technologie" wertete die Einschätzung des Gerichtes als Beginn aggressiver Eingriffe der Regulierer in die High-Tech-Wirtschaft. Dieser Eingriff werde als kolossaler Fehler in die Geschichte eingehen.
Risikokapitalunternehmer Tim Draper schließt sich dieser Meinung grundsätzlich an und meint: "Silicon Valley sollt eigentlich wütend darüber sein, wie unsere Regierung mit erfolgreichen Unternehmen umgeht. Jeder angehende Unternehmer erhalte nun die Nachricht: Werde erfolgreich, aber nicht zu erfolgreich, denn sonst werden wir dein Leben ruinieren." Eine sicherlich übertriebene Meinung, denn es ist wohl nicht zu befürchten, dass Gates Leben nun ruiniert ist.
Das Kartellverfahren ähnelt in groben Zügen dem Anti-Trust-Prozeß gegen IBM, das in den siebziger Jahren geführt wurde. Dabei ging es um das sogenannte Bundling von Produkten. IBM vertrieb seine Computer damals im Paket mit einer Menge Software und behinderte dadurch massiv die Konkurrenten, die nur Programme anboten, hingegen keine Hardware.
Erst als IBM sich nach mehr als einem Jahrzehnt Prozessdauer Anfang der achtziger Jahre einverstanden erklärte, auf die Praxis des Bundlings zu verzichten, konnten Konkurrenten erfolgreich ihre Programme verkaufen. "Ohne dieses Verfahren wäre nie eine eigene Software-Industrie entstanden", sagte Erik Hargesheimer, Inhaber einer Management-Consulting-Gesellschaft in Offenbach. Dieses Unbundling der IBM-Produkte, das die Kartellbehörden erzwangen, hatte seinerzeit auch wirtschaftliche Folgen für IBM, denn ohne diesen Mammut-Prozess wäre die SAG PAG wohl nie entstanden. "Das Unternehmen, 1982 von ehemaligen IBM-Mitarbeitern gegründet, erzielte mit seinen 20.000 Mitarbeitern im vergangenen Jahr 8.5 Mrd. Mark Umsatz.
Mittlerweile droht Microsoft zusätzlich ein Verfahren vor der Europäischen Wettbewerbsbehörde. Bislang hat das Gremium aufgrund der bestehenden Verträge zwischen den USA und der EU keine eigenen Ermittlungen in die Wege geleitet, doch sollte das amerikanische Justizministerium wider erwarten verlieren, erwägt die EU, ein eigenes Verfahren gegen Microsoft in die Wege zu leiten. Allerdings ist eine solche Entscheidung noch mehr als nur in der Schwebe, denn zum einen sieht es nicht so aus, als würde Gates das Verfahren gewinnen, zum anderen bleibt noch immer die Möglichkeit, dass sich die Kontrahenten einigen und diese Einigung Auswirkungen auf die Wettbewerbsstellung auch in der EU hat.
Sicherlich wirkt das Urteil gegen Microsoft auf den ersten Blick vernichtend für Gates und Co., doch denke ich nicht, dass es dem Unternehmen in irgend einer Form schaden wird. Auch der Kurseinbruch bei den Aktien, der einen Marktwertverlust von 34 Mrd. Mark mit sich zog, wird Microsoft und seinen Aktionären nicht sonderlich weh getan haben, denn schließlich verdoppelten sich die Aktienwerte zuvor innerhalb eines Zeitraumes von rund zwei Jahren.
Es wäre aber sicherlich ratsam, wenn Microsoft einlenken und z.B. den Explorer wieder entbundlen würde, um wieder mehr Freiheit zum Atmen zu bekommen und sich auf wesentliche Dinge wie die Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Produkte konzentrieren zu können.
Das Urteil des Richters hört sich auf den ersten Blick vernichtend an, doch beim näheren Hinsehen verrät es, dass taktisch geschickt allen Beteiligten die Chance geboten wurde, dem Streit vorzeitig ein gütliches Ende zu geben, ohne dass Microsoft damit wirklich wirtschaftlich geschadet würde.
Kurz vor Druckunterlagenschluß dieser Ausgabe ist bekannt geworden, dass eine kalifornische Anwaltskanzlei eine Sammelklage von rund 10 Mio. Klägern eingereicht hat. Darin wird Microsoft der Vorwurf gemacht, es würde seine monopolistische Marktführung dazu nutzen, sein Betriebssystem überteuert zu verkaufen. Ob diese Klage durchkommt, ist fraglich, und auch eine sehr deutliche AntiGates-Kampagne ist darin nicht wirklich zu erkennen. Vielmehr scheinen Kontrahenten im großen wie im kleinen Maßstab erkannt zu haben, dass das milliardenschwere Unternehmen Microsoft derzeit genügend finanzielle Reserven anbietet, die man ausschöpfen könnte.
In einer kleinen "Gates-Gesprächsrunde", die ich kürzlich mit ein paar Kollegen hatte, kam sogar jemand darauf, dass man Gates in einer Klage die vielen Stunden in Rechnung stellen sollte, die man investieren muss, um das ständig abstürzende Windows 98 wieder zum Leben zu erwecken. Da wir beim Falke Verlag zwangsläufig auch PCs haben, würde ich mich dieser Klage gern anschließen, wenn sie Aussicht auf Erfolg hätte, insbesondere nachdem ich vergangene Woche wieder drei Stunden vor einem PC saß und versuchte, ihn instand zu setzen, nachdem er einfach unbegründet sämtliche Druckertreiber von Board warf. Wenn die Welt nur wüßte, dass das mit NVDI noch nie vorgekommen ist...
Nun ja, für alle, die sich im tiefsten Inneren darüber freuen, dass es Gates nun an den Kragen geht, liefern wir mit der aktuellen Spezial-Diskette 12/99 ein Spiel namens "Pie Gates" mit, bei dem es darum geht, dem Software-Giganten Torten ins Gesicht zu werfen.
Ali Goukassian
Erstens: Microsofts Marktanteil bei Betriebssystemen für Intel-kompatible Personalcomputer ist extrem groß und stabil.
Zweitens: Microsofts Marktanteil wird durch eine hohe Einstiegsbarriere geschützt.
Drittens, und dies ist zum großen Teil eine Folge dieser Hürde, haben die Verbraucher keine wirtschaftliche Alternative zu Windows. (...)
Am schädlichsten ist die Botschaft, die Microsofts Handlungen jedem Unternehmen mit dem Potenzial für Innovationen in der Computerbranche gesandt haben: Durch sein Verhalten gegenüber Netscape, IBM, Compaq, Intel und anderen hat Microsoft demonstriert, dass es seine überwältigende Marktmacht und seine enormen Profite nutzen wird, um jeder Firma zu schaden, die Pläne verfolgt, die den Wettbewerb gegen eines der Microsoft-Kernprodukte verschärfen könnten."