Lange Zeit mussten Atarianer neidisch zu anderen Systemen schielen, wenn es um die Installation von Programmen ging. Dies lag vermutlich daran, dass es gar nicht mal so einfach und trivial ist, ein solches Programm zu schreiben, wie mancher sich das vielleicht vorstellen mag. Dem Benutzer die Bequemlichkeit zu ermöglichen, sein frisch erworbenes Programm einfach in den Disketten- oder CD-Schlitz zu schieben und mit ein paar Mausklicks zu installieren, kostet den Autor eines solchen Programmes eine Menge Arbeit und Hirnschmalz. Gerade auf TOS-kompatiblen Systemen gibt es eine sehr große Variation von Möglichkeiten, die bedacht werden müssen: Da gibt es Betriebssystemvarianten, die zwar kompatibel sind, aber doch in Details Abweichungen haben, wie z.B. Single TOS, MagiC und N.AES, da gibt es AUTOSTART- und STOP- Ordner, Schriften, OLGA, Hypertexte, Manualpages und und und ...
Nun, auf die Gefahr hin, dass demnächst die Packprogramme verstauben: Joachim Fornallaz hat sich löblicherweise dieser Aufgabe angenommen und das Installationsprogramm GEMSetup geschrieben, das mittlerweile in der Version 1.20 vorliegt.
GEMSetup ist scriptgesteuert, so dass es für jeden Programmautor ein Leichtes ist, eine Script-Datei für GEMSetup zu erstellen. Die Vorteile eines solchen scriptgesteuerten Installers liegen klar auf der Hand: Für Autoren und Softwarehäuser bedeutet dies eine Menge Arbeitserleichterung, da kein eigener Installer entwickelt werden muss, sondern nur ein kleines und leicht zu erstellendes Installationsskript. Für den Benutzer dagegen kann im Idealfall jede Installation mit dem selben Programm ausgeführt werden, er muss sich nicht auf ständig wechselnde Installationsprogramme einzustellen. Dementsprechend nimmt die Zahl der Programme, die GEMSetup unterstützen, ständig zu: Neben Aniplayer, Rational Sounds und dem Home Page Pinguin wird darüber gesprochen, größere Programmpakete und sogar Betriebssysteme mit GEMSetup auszustatten: Sowohl für Calamus SL als auch für N.AES ist im Gespräch, GEMSetup als Installer zu verwenden. Beste Aussichten also für GEMSetup, zum Standard-Installationsprogramm zu avancieren und beste Gründe für uns, einmal ausführlich über dieses Programm zu berichten, das Atarianer in der nächsten Zeit bestimmt noch häufig zu Gesicht bekommen werden.
Was erwartet man von einem Installer? Mal ganz ehrlich, wenn man darangeht, ein neues Programm zu installieren oder sein lang erwartetes Update zugesandt bekommt, möchte man das Installationsprogramm doch so kurz wie möglich sehen und erwartet mit Spannung das frisch installierte Programm. Dementsprechend dürften die meisten Benutzer bei größeren Installationen auch eine Tasskaff deutlich der Möglichkeit vorziehen, dem Installer bei seinem Treiben zuzusehen.
GEMSetup besitzt eine sehr hübsche und voll GEM-konforme Oberfläche. Sämtliche Eigenschaften, die man von einem modernen GEM-Programm erwartet, werden von GEMSetup voll erfüllt: Alle Dialoge liegen in Fenstern, moderne Bedienungselemente wie Popups, Check-und Radiobuttons sind unter jedem System und jeder Farbauflösung verfügbar. Die Dialoge sind logisch aufgebaut und nicht überfrachtet. Ganz besonders schön gelungen ist die grafische Gestaltung des Programms: sehr dezent und trotzdem sehr liebevoll gemacht. Zum Beispiel zeugen kleine Landesflaggen im Popup-Menü für die Sprachauswahl davon, dass der Autor sich hier wirklich Gedanken gemacht hat.
Man kann also sagen, dass GEMSetup der doch leicht undankbaren Aufgabe, modern und hübsch zu wirken und doch möglichst zurückhaltend zu sein und eine möglichst einfache Oberfläche zu bieten, mit Bravour entspricht.
Was meiner Meinung nach für spätere Versionen wünschenswert ist, wäre die Möglichkeit, dass sich zu installierende Programme etwas mehr im GEMSetup-Hauptdialog präsentieren können, beispielsweise ein Bild, einen kleinen Text darstellen oder ein Sample abspielen. Zur Zeit wird nur der Titel eines Programms dargestellt.
Für die Bedienung gilt ähnliches wie für die Oberfläche, auch diese wünscht man sich eine möglichst simpel. Das Programm ist dank seines logischen Aufbaus sehr einfach zu bedienen. Beim ersten Start von GEMSetup wird unter Umständen der Benutzer mittels Dateiauswahl nach bestimmten Pfaden seines Systems gefragt. GEMSetup erkennt das System, unter welchem es gestartet wurde, weitgehend selbst und erkennt dementsprechend auch die meisten Pfade selbst. Da jedoch große Abweichungen zwischen den verschiedenen Systemen liegen können (man vergleiche einmal TOS 1.0 mit einer kompletten MiNT/N.AES/NVDI-Installation) und wegen des großen Funktionsumfanges von GEMSetup, ist es vermutlich unumgänglich, den Benutzer hier bestimmte Dinge zu fragen. Einmal abgefragt, können diese Einstellungen jedoch abgespeichert werden und müssen fürder-hin nicht mehr eingegeben werden. Selbstverständlich können bei Änderungen des Systems diese Einstellungen neu eingelesen werden.
Nach der Systemerkennung landet man im Hauptdialog von GEMSetup. Die Komponenten des zu installierenden Programms sind in einer Auswahlbox dargestellt. Dabei ist zunächst nur eine grobe Übersicht über die Programmteile sichtbar, die installiert werden sollen. Zum Beispiel würde das Programm XYZ, welches BubbleGEM mitliefert, hier nur die Einträge "Programm XYZ" und "BubbleGEM" zeigen. Durch einen Mausklick auf ein kleines "Hide-Dreieck" (vielen vermutlich vom Desktop Jinnee bekannt) werden dann die Unterkomponenten bzw. Einzeldateien sichtbar. Diese Vorgehensweise schafft einerseits Übersichtlichkeit im Hauptdialog, andererseits sind aber auch Teilbereiche eines Programms zugänglich, wenn man nur eine Datei neu installieren möchte, weil man sie z.B. versehentlich gelöscht hatte.
Je nach dem Installationsscript des zu installierenden Programms können dabei Komponenten "sowohl-als-auch" bzw. "entweder-oder" installiert werden. Auch an die Sicherheit wurde dabei gedacht. Im Installationsscript kann festgelegt werden, dass bestimmte Komponenten nur zusammen installiert werden können, wenn z.B. die Lauffähigkeit eines Programms nicht mehr gewährleistet wäre, wenn eine bestimmte Datei weggelassen würde.
Des Weiteren kann im Hauptdialog ausgewählt werden, ob das Programm installiert oder entfernt werden soll, die Landessprache, in welcher das Programm installiert werden soll sowie der Pfad, in welchen das Programm installiert werden soll. Außerdem kann über ein Popup in die Unterdialoge von GEMSetup verzweigt werden.
Hervorragend auch die Hilfe-Funktionen: Neben einer BubbleGEM-Hilfe bietet GEMSetup auch eine kontextsensitive ST-Guide-Hilfe. Beide Hilfearten können durch das Programm, welches installiert werden soll, angepaßt werden, so dass auch individuelle Hilfe für die Installation geboten werden kann.
Selbst Internet-Unterstützung kommt nicht zu kurz. Auf Menüauswahl kann man mittels seines bevorzugten Browsers auf die Homepage des zu installierenden Programms gelangen, um dort weitere Online-Hilfe zu bekommen oder einfach "just for fun".
Der Installationsvorgang selbst läuft dann - zumindest bei der Erstinstallation -ziemlich problemlos ab. Auf langsamen Computern konnte der Installationsvorgang in früheren Versionen recht lange dauern, insbesondere wenn gepackte Dateien von Diskette installiert wurden. Dies ist jedoch in der neuen Version 1.20 nicht mehr der Fall, Installationen gehen jetzt eigentlich immer flott vonstatten.
Problematischer wird es jedoch, wenn man über ein bereits installiertes Programm "drüberinstallieren" möchte. Hier tauchen ziemlich häufig Dialoge auf, die fragen, ob man die betreffende Datei denn auch wirklich überschreiben möchte - was im Prinzip löblich wäre, wenn man dies nicht bei fast jeder existierenden Datei gefragt würde. Es gibt zwar einen Schalter, mit welchem man alle älteren Dateien überschreiben kann, aber dieser bezieht sich immer nur auf einen Teilabschnitt einer Installation. Ein globaler Schalter, mit welchem man diese lästigen Meldungen dauerhaft unterbinden kann, wäre also ziemlich wünschenswert. Egal ob Neu- oder Wiederinstallation: Der Idealfall eines Installers bedeutet halt: dreimal klicken und dann auf zur Kaffeemaschine ...
Ein Bug, der dafür sorgte, dass das Programm in einer früheren Version unter N.AES und unter Single TOS bei einer Wiederinstallation sang- und klanglos abstürzte, ist mittlerweile glücklicherweise behoben; das Programm wirkt jetzt unter allen Umständen stabil. Auch bei der Deinstallation gibt es noch leichtere Schwächen. Zwar werden alle Programmteile, welche in Funktionsordnern liegen - also AUTO-Ordner, MagiC-START-Ordner, Multitos-Ordner oder ähnlichen - rückstandslos entsorgt. Auch um Environmentvariablen und ähnliches kümmert sich GEMSetup. Das eigentliche installierte Programm bleibt jedoch unverständlicherweise erhalten und muss von Hand gelöscht werden. Auch hier sollte noch etwas nachgebessert werden.
Der Installationsvorgang wird von GEMSetup in einer Datei mitprotokolliert, ein Feature, das ich auf anderen Systemen des öfteren vermißt habe. Trotz der Bequemlichkeit, eine Installation mit zwei, drei Mausklicks vorzunehmen, behält der Benutzer so die volle Übersicht über die Dinge, die mit seinem System geschehen und muss nicht befürchten, dass alle möglichen und unmöglichen Stellen seiner Festplatte mit "DLL's" oder ähnlichem verseucht werden.
Hier kann eigentlich nur interessieren, wie groß der Funktionsumfang für den Programmierer ist, welcher das Scriptfile für ein zu installierendes Programm erstellt. Als Benutzer bekommt man vom Funktionsumfang eines Installers im allgemeinen ja wenig mit. Für den Programmierer hat GEMSetup dagegen eine Fülle an Funktionen und unterstützten Systemeigenschaften zu bieten. Hier eine Auflistung der Features und Systemeigenschaften:
Sprachenunterstützung- Das Programm kann in vielen verschiedenen Sprachen installiert werden: Es kann in Englisch, Deutsch, Französisch, Holländisch, Polnisch, Schwedisch, Italienisch und Spanisch vorliegen. Die GEMSetup-Resource, die eigentliche Benutzeroberfläche des Programms, liegt in Englisch, Deutsch, Französisch und Polnisch vor.
AUTO-Ordner - Auch unter MagiC PC werden Programme im Autoordner korrekt installiert, der Programmname wird in die dort erforderliche Datei AUTOEXEC.BAT eingetragen.
Ordner für Autostartapplikationen -Auch hier werden sowohl MagiC als auch N.AES korrekt unterstützt, wahlweise auch als Accessory z.B. für Single TOS.
STOP-Ordner für MagiC - Leider wird N.Closure noch nicht unterstützt.
Unterstützung für Kommandozeilenumgebungen - Manualpages und TTPs können in die entsprechenden Ordner installiert werden.
Check-Programm - Dieses vom Programmierer zu erstellende Programm wird vor der Installation aufgerufen und kann das System auf bestimmte Voraussetzungen testen und die Installation ggf. abbrechen.
Unterstützung von Lharc-Archiven -Sämtliche Programmteile können aus Lharc-Archiven heraus installiert werden. Dies ist einerseits für die Größe der Installation interessant, andererseits aber auch, wenn fremde Programme mitgeliefert werden sollen. Diese können dann unverändert in ihrer Archivstruktur erhalten bleiben.
Programme und Dateitypen lassen sich für MagiCDesk ab V.4 direkt anmelden. Für weitere Desktops und Betriebssysteme ist Unterstützung geplant.
Der beiliegende Hypertext erklärt einfach und ausführlich die Erstellung eines Installationsskripts. Auch ein Demo-Skript liegt GEMSetup bei, so dass man mit dem Erstellen eines solchen Skripts gleich loslegen kann.
Alles in allem lässt GEMSetup von seinen Fähigkeiten her wenig Wünsche für den Programmierer offen. Einzig die fehlende N.Closure-Unterstützung kann bisweilen etwas problematisch sein.
Außerdem hat sich der Autor Joachim Fornallaz sehr kooperativ gegenüber Wünschen und Ideen gezeigt. Wem also noch etwas fehlt, der sollte sich vielleicht mal an Joachim Fornallaz wenden.
GEMSetup ist Fairware. Spenden, aber auch registrierte Versionen der Programme, welchen GEMSetup beiliegt, werden gern gesehen. Diese Form des Vertriebs sollte es ermöglichen, das Programm ausgiebig zu testen und dürfte auch Free- oder Sharewareautoren preislich keine unüberwindlichen Hürden in den Weg legen.
Sowohl von seinen Fähigkeiten als auch von seiner Gestaltung her hat das Programm die Fähigkeit, ein absoluter "must-have"-Standard auf TOS-kompatiblen Systemen zu werden. Einzig die Umständlichkeit bei Wiederinstallationen trübt etwas das Bild.
Für Autoren bietet es in den allermeisten Fällen die angenehme Möglichkeit, ihre Programme mit einem modernen und hübschen Installationsprogramm abzurunden, ohne übermäßig viel Zeit und Aufwand in diese Aufgabe zu investieren. Und Atarianer brauchen nun nicht mehr zu anderen Systemen zu schielen - klicken und zurücklehnen ist die Devise, statt sich mühsam mit ellenlangen Installationsanleitungen, komplizierten Konfigurationsdateien und sonstigen Widerlichkeiten herumschlagen zu müssen.
Bezugsquelle
PD-Diskette 279
http://jf.omnis.ch/software/tos/