Bill Gates bleibt cool, wenn er von Torte beworfen wird (sie hat ja auch nicht so gut geschmeckt), aber worüber er sich so langsam richtig ärgert, das ist der Betriebssystemmarkt.
Alle wollen ihm sein Imperium madig machen - kaum einer, der sich nicht darüber lustig macht, dass man ein instabiles teures Betriebssystem verkauft, nur um seinen Web-Browser loszuwerden. (Oder war es eher umgekehrt?) Seit Bill Gates nicht nur James Bond gegen sich hat, sondern auch eine immer größer werdende Gemeinde von Anhängern der freien Software, ist die Torte im Gesicht des Multimilliardärs seine kleinste Sorge. Bisher war es so, dass es für den Endkundenmarkt Windows95 und den Profi (Server, Netzwerklösungen) WindowsNT gab. Hätte Billy nicht merken müssen, dass er sich ein wenig mehr anstrengen muss, als Linux als preiswertes Betriebssystem daher kam, das absturzsicherer und um einiges schneller ist als WindowsNT? Vermutlich hat er diese "Bedrohung" seines Imperiums genauso wenig ernst genommen wie die des "Internet" vor einigen Jahren. Er glaubte damals, dass er mit seinem MSN (Microsoft Network) und proprietärer Technik schon marktbeherrschend würde - schon weil Windows MSN Support bietet.
Die heutige Situation unterscheidet sich nicht sehr von der damaligen. Windows hat einige Vorteile gegenüber Linux als Betriebssystem, das steht außer Frage. Bisher musste sich jeder selber entscheiden, ob die Vorteile die Nachteile aufwiegen. Zu diesen Vorteilen gehört zum einen die "gute" Bedienbarkeit, doch ist Linux nicht auch, nach einer kleinen Einarbeitungszeit, gutzu bedienen? Meine Erfahrung- und da spreche ich für viele tausend Anwender weltweit - ist, dass viele Aufgaben sogar leichter zu bewältigen sind als unter Windows. Aber leider ist da diese Einarbeitungszeit und die für so manchen abschreckende Oberfläche. Auch da kann man nur sagen: Zum einen gibt es Linux Distributionen, die nach (und teilweise sogar schon während) der Installation sofort unter X11, der grafischen Oberfläche für Linux, arbeiten und zum anderen gibt es jetzt etwas Neues: SEUL. SEUL steht für Simple End-User Linux.Ich werde später im Artikel darauf eingehen.
Die andere Seite, warum sich MS-DOS, Windows und Konsorten bisher immer durchgesetzt haben, ist diQ Software: Es gab bisher für Linux immer zu wenig Software -sagen die Kritiker! Abgesehen davon, dass sich die Situation derzeit, nicht zuletzt durch die immer größere Akzeptanz von Linux als vollwertiges Betriebssystem, drastisch ändert und "native" Software für Linux geschrieben wird, gibt es die Möglichkeit der Portierung von Software von anderen UNIX-Dialekten und neuerdings die Emulation. Damit kann man auf schnellen Rechnern einen kompletten anderen Rechner emulieren. So z.B.einen Apple, Atari oder PC -unter Linux! Wenn man beispielsweise einen schnellen Alpha sein Eigen nennt, kann man problemlos einen schnellen PC darauf emulieren und somit auch seine Software nutzen. Damit ist es möglich, Software, die nur für DOS/Windows (3.1) existiert, auf diesem mit zu benutzen. Sollte man Linux jedoch auf einem PC oder Atari laufen lassen, so kann man natürlich auch zum Ursprungsbetriebssystem wechseln und dies in der für dieses Betriebssystem geschriebenen Software verwenden.
Doch auch von berühmter Seite scheint es überraschenderweise Unterstützung für freie Software zu geben: Netscape gab bekannt, dass man vorhabe, den Source-Code für den Communicator 5.0 freizugeben. Damit würde man es ermöglichen, Portierungen des bekannten und sehr beliebten Browsers (und seiner Zubehörprogramme wie den News-Reader und die E-Mail Software) auf andere Betriebssysteme zu realisieren. Zwar gab es bisher eine Version von Netscape für Linux, allerdings war diese nur in Binärform verfügbar, und dies auch nur für i386 Maschinen.
Mit der Freigabe des Source, bzw. der wichtigsten Teile, ist zu erwarten, dass der Browser rasch weiterentwickelt werden und um viele Bugs bereinigt bzw. neue Funktionen ergänzt wird. Vielleicht wird sogar eine Portierung auf TOS (oder MiNT) von einigen Freiwilligen übernommen, wer weiß!?
Doch zurück zum Thema Linux: Sowohl der fehlende Support als auch die schlechten Aussichten auf Weiterentwicklung von Linux werden häufig als Kritikpunkte genannt- aber schauen wir uns dieses Vorurteil doch einmal genauer an: Die deutsche S.U.S.E GmbH liefert professionellen Support, fertiginstallierte Komplettsysteme und eine recht aktuelle Distribution. Natürlich muss man dafür zahlen -schließlich zahlt man für den Support bei Microsoft auch. Aber wer einmal die Helpline von M$ angerufen hat, der weiß, dass er auch gleich aus seinem Kaffeesatz lesen könnte!
Ich habe den Suse-Support zwar noch nicht getestet, aber bisher nur Gutes von ihm gehört. Selbst wenn dieser nicht gut genug sein sollte, so gibt es andere Firmen, die ebenfalls (entgeltlichen) Support liefern.
Mit der Weiterentwicklung wird es wohl auch keine Probleme geben: Der Linux Workaround gegen den berühmt berüchtigten Pentium-Bug, der den ganzen Rechner anhält, war weniger als 2 Tage nach dem Bekanntwerden des Fehlers fertig und veröffentlicht. Einige "professionelle" Firmen haben bis heute keinen Bugfix gegen diesen sehr bekannten Fehler...
Ein sehr interessantes Projekt, welches in letzter Zeit entstanden ist, ist der Desktop KDE. Es handelt sich dabei um einen Windowmanager (für X) mit integriertem Filemanager, Webbrowser und vielen nützlichen Utilities. Das Look-and-Feel ist dabei sowohl an Windows95, NeXT und andere grafische Oberflächen angelehnt es wurde sozusagen immer das Beste "geklaut", was den Umstieg auf diesen "Desktop" stark erleichtern soll.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Verbreitung. "Wer hat denn schon Linux?", fragen viele. Nach neuesten Umfrageergebnissen wird die Zahl der Anwender, die Linux zumindest als Zweit-Betriebssystem installiert haben, täglich größer. Doch leider gibt es immer wieder Menschen, die sich keinen modernen Rechner leisten können und darum meinen, auf Linux verzichten zu müssen. Viele Ergebnisse dieses freien Betriebssystems grenzen an Wunder, die einen immer wieder in Erstaunen versetzen. So auch die Meldung, die vor einigen Tagen in meine Mailbox flatterte:
Linux für 68000er Prozessoren!
"Das kann doch nicht sein", dachte ich. Bisher stand überall und in jedem FAQ, dass man mindestens eine MMU braucht. Dies ist ein Chip, der dafür sorgt, dass es möglich ist, virtuelle Speicheradressen einzuführen. Die Grundlage für Speicherschutz (ein amok-laufendes Programm kann dann nur sich selbst gefährden), Swapping (virtueller Hauptspeicher auf der Festplatte) und andere Dinge. Aus diesen Gründen hielt ich die Meldung für eine Ente, doch es scheint etwas Wahres dran zu sein. Nachfolgend zitiere ich den Originaltext aus der Message:
Date: Wed, 11 Feb 1998 21:02:28 GMT From: "D. Jeff Dionne" jeff@gw.pfnet.com Newsgroups:comp.os.linux.announce Subject: Linux ported to non MMU systems Followup-To: comp.os.linux.misc Announcing
The Linux/Microcontroller Project.
Description:
Linux has been ported to 68000 processors without- Memory Management Units. This is the first port of Linux that does not require an MMU. The first platform supported is the 3Com PalmPilot or IBM Workpad with a TRG SuperPilot memory card. Next to be supported will be the Motorola MC68332 microcontroller, expected in the next few weeks.
Why:
Linux for embedded systems is a great idea.
Who and when:
Part of The Silver Hammer Group Ltd's programming team. Kenneth Albanowski and D. Jeff Dionne produced a booting Linux kernel for the PalmPilot during the week of Jan26 1998. Due to the structure of the linux memory management code, the port to a flat contiguous vs.paged virtual memory system went very smoothly.
Status:
The kernel boots an a plain old 68000 CPU, TCP/IP and all, mounts a ROMFS root filesystem and runs a special hand crafted /etc/init in user space as well as a handful of kernelthreads happily printing AAAAAABBBBBBBAAAAAABBBBB
We are still working an libc, and the compiler supportis still in flux. lf you are interested in Linux an small er embedded machines, visitthe uClinux home page at http://ryeham.ee.ryerson.ca/uClinux
We even have a nifty screen shot of Linux running an the PalmPilot simulator XCoPilot.Stop by and lend a hand.
Contacting us:
We can be contacted about the Linux/ Microcontroller project at uclinux@ryeham.ee.ryerson.ca D. Jeff Dionne Kenneth Albanowski
Linux verspricht, wirklich spannend zu werden. Wird bald jeder Flohmarktrechner (so auch alte STs oder Amigas zum Schleuderpreis) als "Workstation" oder zumindest für Terminalzwecke einsetzbar sein? Die stürmische Entwicklung des Betriebssystems selbst und des gesamten "Drumherum" hat mich in Bezug auf Vorhersagen sehr vorsichtig werden lassen. Wie viele haben gesagt, Linux würde nicht auf dem Hades/Milan, den derzeit schnellsten Atari-kompatiblen Rechnern laufen? Jetzt gibt es erste, bei denen es läuft. Wieviele sagten, ohne FPU (Mathematischer Coprozessor) würde es nichts? Es gibt Softwareemulatoren für die FPU.
Nun kommt nicht mal mehr die MMU als limitierender Faktor in Frage (wenn die Meldung denn richtig ist). Damit würde endlich ein zukunftsträchtiges Betriebssystem für alle Rechner verfügbar!
Obendrein gibt es das SEUL-Projekt, welches endlich ein Linux für jeden ermöglichen soll, der sein Betriebssystem wechseln möchte, ohne ganz neu die Bedienung zu erlernen. SEUL - Simple End User Linux. Damit wird dem Endanwender, wenn es Erfolg hat, eine Distribution geliefert, die das "Auspacken-AnschaltenLoslegen" ermöglicht. Bisher basiert die Distribution auf RedHat-Linux, welches, wie ich im letzten Artikel erwähnte, dabei ist, auf /68k Prozessoren portiert zu werden. Für die Atari- und Amiga-Nutzer wird weniger die einfache Installation neuer Hardware (Plug and Play) oder die automatische Erkennung der bestehenden interessant sein, sondern eher die einfache Installation und das Paket an vorkonfigurierter Software und Tools:
Aber auch die geplante umfangreiche und leicht verständliche Dokumentation sowie Tutorials zu diversen Themen werden den Endanwender nicht ungeschützt ins kalte Wasser fallen lassen, sondern ihn bei der Hand nehmen und durch ihr System führen. (Nur entscheiden muss man sich noch selbst - Assistenten à la Windows sind, soweit ich weiß, nicht geplant). Außerdem soll die Netzwerkunterstützung stark verbessert werden, so dass z.B. der Internetprovider automatisch erkannt und ein entsprechender Zugang eingerichtet wird.
Inwieweit dies alles im Bereich des Möglichen ist, weiß ich nicht- es klingt jedoch sehr verlockend. Wer ein Blick auf dieses Projekt werfen möchte, der schaue am besten einmal hier rein:
hitp://www.seul.org!
Das SEUL Projekt würde Linux als Betriebssystem besonders auch für kommerzielle Anwendungen interessant machen, denn dies ist der Bereich, in dem versierte Techniker oder die Zeit für das Erlernen der Bedienung eines Betriebssystem unrentabel sind. Denkbar wäre sogar, dass Firmen ihre Computer direkt mit installiertem Enduserfreundlichem Linux ausliefern - ähnlich wie dies heute mit Windows geschieht. (Siemens Nixdorf bietet zwar schon heute PCs mit S.u.s.e. Linux, aber dies ist noch ein Nischengeschäft) Bill wird in Zukunft wohl andere Sorgen haben, als die, ob die Torte gut oder schlecht schmeckt.
Seit geraumer Zeit ist die Debian-Distribution mit der Versionsnummer 2.0 verfügbar. Damit ist das Ziel erreicht, einen lauffähigen Stand des /68k Zweiges zusammenzustellen und mit in die 2.0 zu integrieren. Dies bedeutet, dass es jetzt eine "offizielle" Distribution für Atari, Mac und Amiga (ja auch für Nicht-Power-PC Prozessoren ist etwas in Arbeit- siehe Interview in der vergangenen Ausgabe 1/99 der ST-Computer).
Die Installation ist, wie bereits erwähnt, recht leicht zu bewerkstelligen und sollte keine Probleme bereiten, aber wer auch immer Probleme hat, kann mir in der Folge gerne eine E-Mail schicken, ich werde dann versuchen zu helfen, wo es geht.
Für weitere Informationen mit aktuellen News und Links zum Thema Linux 68/k empfehle ich auch meine Homepage: [http://www.webdiscount.net/tkruse/start.html]
Anmerkung der Redaktion:
Linux/68K wird in absehbarer Zeit auch an den Milan angepaßt. R. Hodek, der u.a, auch beteiligt an der 68K-Portierung von Netscape ist, hat im Januar 1999 mit den Anpassungsarbeiten begonnen.