Draconis, Single-TOS-tauglicher Web-Browser

Ohne Multitasking ins Internet: Das Draconis Internet-Paket

Schon seit längerer Zeit macht ein Internet-Paket von sich reden, das in einer Testversion zum kostenlosen Download ausliegt. Der kommerzielle Erscheinungstermin rückt näher.

Um es schon vorweg klarzustellen: Dieser Vorbericht basiert nicht auf der Version 1.0, sondern der 0.85. Die Aussagen in diesem Bericht hinsichtlich Stabilität/Geschwindigkeit/ Aussehen sind deshalb mit Vorsicht zu genießen. Da aber das Interesse an diesem neuen Internet-Paket bereits sehr groß ist, lohnt sich ein Vorausblick allemal.

Das Paket

Das Draconis Internet-Paket besteht z.Z. aus drei Komponenten: einem PPP-Verbindungsprogramm, Light of Adamas (WWW-Browser) und Marathon (E-Mail). Letzterer konnte nicht getestet werden, was allerdings nicht am Emailer, sondern dem fehlenden Email-Account des Testers lag.

Das PPP-Programm ist nur zu sich selber kompatibel, d.h. Clients für STinG lassen sich nicht verwenden. Dies soll sich aber in nächster Zukunft noch ändern, so dass mit Draconis alle STinG-Programme genutzt werden können.

Anforderungen

Im Gegensatz zu PPP-Connect erweist sich Draconis als äußerst genügsam. Ob Single-TOS, MultiTOS, MagiC, N.AES oder Geneva, Draconis ermöglicht auf allen Systemen eine Internet-Verbindung.

Installation

Die Installation ist denkbar simpel: Das Installationsprogramm wird gestartet, ein Pfad angegeben und alles Nötige wird installiert. Bei der Installation kommt auch der Draconis-Wizard zum Einsatz, der einen bei der Konfiguration der Verbindung behilflich ist. Der Wizard funktioniert dabei ähnlich wie frühe Versionen des HP-Pinguins: Mit „Weiter" und „Zurück" blättert man sich durch verschiedene Dialoge, wobei in jedem Dialog ein ausführlicher Hilfstext zu finden ist.

Natürlich kann so ein Wizard nicht jede mögliche Konfiguration abdecken, und so gibt es auch ein ausführlicheres Konfigurationsprogramm. Nötig wird dies nur in wenigen Fällen sein, denn das Programm ist bereits sehr gut vorkonfiguriert, und ich brauchte zumindest nicht dieses Programm zu benutzen. An Providern sind z.Z. folgende verfügbar: Cityweb, Compuserve, EU Net, GermanyNet, L.A. Free-Net, Metronet, Primus Online, SGH-Net, T-Online, Uni-Augsburg und Uni-Erlangen.

Weitere Konfiguration

Sollte sich Ihr Provider nicht in der Liste befinden und beim Verbindungsaufbau Probleme auftreten, so startet man das Konfigurationsutility. Es sieht zwar nicht so hübsch aus wie PPP-Connect, bietet aber in etwa den gleichen Leistungsumfang. So manchem wird es aber entgegenkommen, dass das Draconis-Programm komplett in Deutsch ist. Trotzdem vermisse ich eine BubbleGEM oder wenigstens ST-Guide-Hilfe. Weiterhin wäre ein Log-Window, in dem alle Ausgaben des Servers aufgelistet werden, hilfreich, denn dann kann man im Problemfall genauer bestimmen, wo es hapert.

WWW

Der Verbindungsaufbau erfolgte zügig und ohne Probleme über einen Uni-Provider. Nun steht der Weg zur bunten Welt des World Wide Web offen und Adamas ist das Programm dafür. In der TOS-Welt muß es sich mit den Kontrahenten CAB und WenSuite messen, die allerdings schon eine ganze Zeit länger auf dem Markt sind.

Menüs

In den Menüs offenbart Adamas Altbekanntes, auf den ersten Blick fehlt jedoch „Öffne URL". Dieses ist jedoch unnötig, da die URL-Anzeige ständig im Fenster anwählbar ist. Verknüpft ist diese Anzeige mit einer Auswahl der zuletzt besuchten Seiten.

Im Favoriten-Menü lässt sich die Hotlist/Lesezeichen aufrufen. Im Optionen-Menü bieten die Browser-Einstellungen einiges. So können die Bilder entweder gar nicht, während oder nach einer Übertragung geladen und der Ditheralgorithmus für Bilder festgelegt werden.

Als erster ATARI-Browser interpretiert Adamas zudem die Farbe für benutzte Verweise, was eigentlich auch zum HTML-Standard gehört. Im Vergleich zu WenSuite ist übrigens alles anwählbar, was auch wirklich anwählbar ist, denn selbst in seiner aktuellen Version ist der französische Browser „mehr Schein als Sein". Unter Cache finden sich die von anderen Browsern bekannten Cache-Einstellungen. Der Menüpunkt „Sicherheit" enthält Einstellungen für Cookies und das Versenden von Formularen und - wenn auch noch nicht anwählbar - Java und JavaScript. Im Menü „Anzeige" gibt es sogar einen Menüpunkt „Java Conso-le" - wer also immer noch behauptet, Java würde nie für den ATARI erscheinen, wird wohl eines Tages von Adamas eines besseren belehrt werden. Die Icons zur Steuerung des Browsers sind recht klein geraten, man kann sie allerdings vergrößern lassen. Besonders modern und attraktiv sind sie leider auch nicht.

HTML

Adamas beherrscht nahezu den kompletten HTML 3.2-Standard inklusive Frames und erweiterten Tabellen. Im Vergleich zu CAB fehlen nur eingebettete Dateien (<EMBED>), was daran liegt, das Adamas kein OLGA-ID4-CN-ent ist. Im Ausgleich gibt es aber eine Fülle von Befehlen, die CAB nicht beherrscht, darunter die Farbe für bereits besuchte Verweise. Nebenbei gibt es noch die Netscape- oder Microsoft-Erweiterungen, u.a. sind Laufschriften mit dem Adamas möglich (Marquees), verschiedene Schriftarten (<FONT FACE>) und Blocksatz. Insgesamt ist die HTML-Interpretierung also umfangreicher als bei CAB, von WenSuite mal ganz zu schweigen. Problematisch ist aber nur, dass die Umsetzung der HTML-Befehle nicht immer so sauber geschieht, wie bei CAB, und so ist es auch zu erklären, dass auch bei Adamas in dieser Vorversion noch nicht alle Web-Sites korrekt dargestellt werden. Aber wie gesagt: Wir testen ja noch eine frei erhältliche Vorversion.

Bilder

Wie üblich können GIF- und JPEG-Bilder dargestellt werden. Erstere dürfen auch animiert sein, wobei beim Abspielen auch ohne NVDI nichts flimmert. Das Laden der Bilder dauert jedoch länger als bei CAB - hier bestünde also noch Optimierungsbedarf. An der Qualität gibt es jedenfalls schon jetzt nichts zu kritisieren.

Geschwindigkeit

Von der Geschwindigkeit liegt Adamas noch hinter den beiden Kontrahenten und wird vor allem durch unnötig viele Redraws abgebremst. Wer nicht allzuviel Wert auf Bilder legt, wird sich sicher darüber freuen, dass die Bilder recht geschickt im Hintergrund geladen werden. Durch den Text kann man schon vorher scrollen, die Bilder werden nach und nach dargestellt.

Plugins

Zur Zeit fehlt ein Dialog für externe Programme, von Haus aus unterstützt Adamas GEMJing (für Hintergrundsound) und HTML-Help 2.0 (für eine ausführliche HTML-Infofunktion). Letzteres liegt in einer Vorversion dem Paket bei.

Vergleich mit der Konkurrenz

Der Vergleich mit WenSuite ist relativ einfach: Adamas liegt nur im Bereich „Farbicons" zurück, in allen anderen Bereichen wird WenSuite klar geschlagen -, und auch Adamas lässt sich gut unter Single-TOS nutzen. Dies ist erstaunlich, da hinter WenSuite ein Programmierteam steht und Adamas nur von einem Programmier stammt.

Bei CAB wird es denn schon schwieriger, denn CAB merkt man die kontinuierliche Weiterentwicklung an. Es wirkt insgesamt sehr ausgereift, auch wenn die Anzahl der HTML-Tags zu wünschen übrig lässt. Adamas bleibt in den Bereichen Stabilität und Geschwindigkeit hinter CAB zurück, jedoch nicht so stark wie WenSuite. Wenn die Weiterentwicklung von Adamas aber in dem bisherigen Tempo weiterläuft, wird wohl auch Adamas bald eine ähnlich ausgereifte Lösung darstellen.

Vergleich der PPP-Stacks

Die mitgelieferten PPP-Stacks ermöglichen alle eine sichere Verbindung zum Internet, für den Einsteiger ist jedoch das Draconis-Paket schon wegen des Wizards besser geeignet. Draconis ist nicht mit STinG kompatibel, dies soll sich jedoch mit Hilfe von „Gateways" ändern, so dass alle Draconis-Programme auch mit STinG laufen und umgekehrt. Für Programmierer liegt übrigens eine Library sowohl für PureC als auch GFA-Basic bei.

PPP-Link (WenSuite) ist eine Art Glücksspiel, da es kaum auf die einzelnen Provider-Eigenheiten eingeht, wovon besonders T-Online betroffen ist. Weiterhin krankt es an Software-Unterstützung, denn nur die Suite-Bestandteile nutzen PPP-Link. Gateways existieren nicht und die einzelnen WenSuite-Bestandteile als konkurrenzfähig zu beschreiben, wäre wohl übertrieben.

PPP-Connect (CAB) sieht von den drei Stacks am besten aus und bietet auch Unterstützung für T-Online. Beim CAB 2.6-Test war jedoch die Einrichtung nicht ganz problemlos, was sicherlich von Provider zu Provider variiert. Langsam gibt es auch mehr Clients für diesen PPP-Stack, diese stammen jedoch alle von ASH-Programmierern und es ist nicht zu erwarten, dass eine ähnliche Vielfalt an Clients wie unter STinG entsteht. Die Entwicklerlibrary ist leider nur für PureC verfügbar.

STinG steht zwischen allen Stühlen -von CAB wird es unterstützt, Draconis wird bald folgen aber bei WenSuite existieren noch nicht einmal Ankündigungen. Sein Vorteil bleibt die geradezu riesige Auswahl an Clients, das Freeware-Konzept und die Verfügbarkeit der Entwicklerlibrary für GFA/Assembler/C. Der Nachteil ist, dass ein Großteil der Anwender keine lauffähige Internetkonfiguration hinbekommen.

Zukünftiges

Auch an die Zukunft wird schon gedacht: So sollen weitere Clients für FTP und Telnet folgen. Marathon soll auch HTML-Emails verschicken können. Für den Browser liegen Ankündigungen für Cascading Style Sheets, PNG-Grafiken, HTML 4 und JavaScript vor. Daneben wird es wohl auch einige Optimierungen geben, so wäre es z.B. schön, wenn ein ATARI-Browser wirklich ausnahmslos alle HTML 3.2-Tags interpretieren würde. Fairerweise muß gesagt werden, dass die Windows-Browser von diesem Ziel wesentlich weiter entfernt sind!

Fazit

Mit Adamas liegt zweifelsohne eines der innovativsten Programme des Jahres vor. Was in dieser doch relativ kurzen Zeit entstanden ist, ist erstaunlich und ein deutliches Zeichen dafür, dass der ATARI-Markt lebt. Für WenSuite brechen damit aber schwere Zeiten an, und man darf gespannt sein, wie sich die Browser weiterentwickeln. Dies geschieht erfreulicherweise ganz ohne Browser-Krieg und Rechtsanwälte. Vergessen sollte man aber auf keinen Fall, dass CAB vom Gesamteindruck her noch immer einen deutlichen Vorsprung hat. Aber gerade mit Hinblick darauf, dass Draconis auch ohne Multitasking-Systeme auskommt (was ein Beweis dafür ist, dass dieses möglich ist, wenn man nur will), könnte eine sinnvolle Koexistenz der beiden Programme ermöglichen.

Preis: z.Z. frei erhältlich, endgültige Version voraussichtlich 69,- DM


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 07 / 1998, Seite 23

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