IFA 97 in Berlin

Auch 1997 bestätigte die Internationale Funkausstellung Berlin (IFA) wiederum ihren Ruf als weltweites Top-Ereignis der Consumer Electronics. Mit 812 Ausstellern aus 33 Ländern (1995: 765 Aussteller aus 30 Ländern) übertrifft sie auch mit der fast um ein Drittel auf 130.000 qm brutto gewachsenen Ausstellungsfläche alles, was es bisher gab. Wir waren für Sie in Berlin und haben uns umgeschaut.

Berlin vermittelt dem Besucher einen Eindruck von Gigantomanie. Obwohl in Deutschlands größter Industriestadt seit dem Mauerfall das verarbeitende Gewerbe dahinsiecht, zeugen die zahlreichen Baustellen vom Aufbruch ins nächste Jahrtausend. Politiker und Manager verknüpfen mit Berlin die Vision einer deutschen Medienhauptstadt. Untersuchungen zufolge arbeiten bereits heute rund 70.000 Beschäftigte im Medien- und Kommunikationsbereich. Zudem investieren alle großen TV-Sender massiv in den zukünftigen Regierungssitz.

Pulsierendes Herz

Kultureller, sozialer und architektonischer Brennpunkt des Wiederaufbaus von Berlin ist der Potsdamer Platz. Das ehemalige Niemandsland und Dreiländereck zwischen der sowjetischen, britischen und amerikanischen Zone erhält ein neues Gesicht. Im urbanem Zentrum der deutschen Hauptstadt sollen nach Fertigstellung rund 10.000 Menschen leben und arbeiten. Hier entsteht auch die Deutsche Mediathek, die im Jahr 2000 im bis dahin fertiggestellten Film- und Medienhaus des Sony-Centers eröffnet werden soll. Sie ist eines der wichtigsten medien- und kulturpolitischen Projekte in der Bundesrepublik mit Bedeutung über die heutige Generation hinaus. Sie soll die Programmgalerie des deutschen Hörfunks und Fernsehens werden, vergleichbar mit dem Museum of Television and Radio in New York und Los Angeles. Im gleichen Hause werden ferner die Stiftung Deutsche Kinemathek e.V., deren Filmmuseum und - bibliothek, die Freunde der Deutschen Kinemathek e.V. mit ihrem Programmkino und die Deutsche Film- und Fernsehakademie untergebracht. Langfristig ist die Deutsche Mediathek als Knoten in einem digitalen Netzwerk vergleichbarer Einrichtungen geplant, die ihre Programme untereinander austauschen. Sie soll das Schaufenster der Rundfunk- veranstalter und ihrer Archive werden.

Fernsehen der Zukunft

Das wichtigste und größte Segment aller an der IFA beteiligten Branchen ist nach wie vor das Geschäft mit Fernsehgeräten. Kein Wunder, dass in diesem Bereich zahlreiche Innovationen gezeigt wurden. Dabei spielten Technologien wie 16:9/PALplus oder 100 Hz-Geräte eher eine Nebenrolle, da sie ihre Alltagstauglichkeit bereits bewiesen haben, auch wenn die Haushalte noch nicht flächendeckend mit diesen Fernsehern ausgestattet sind. "In" sind Fernseher und SettopBoxen, die klassische Online-Dienste mit Hilfe eingebauter Rechnerkapazitäten über das Telefonnetz erschließen, sowie LCD- und Plasma-Flachbildschirme, komfortable Dolby Surround-Anlagen und als neuer Trend der Individual-Fernseher. Ab sofort wird man sich im Fachhandel ein Fernsehgerät fast nach denselben Kriterien wie ein Auto kaufen können. Man bestimmt den Zusatznutzen und kann sich auch in der Optik völlig individuellen Wünschen hingegeben. Ob pink oder lila, zweifarbig, rund oder eckig, VGA-Schnittstelle, Sat-Receiver: die Bestellung genügt, und das Fernsehgerät entspricht genau den eigenen Wünschen.

Imponierend sind auch die neuen Flachbildschirme. Der Fernseher von morgen hängt wie ein Bild an der Wand, ist gerade mal 10 cm tief und mehr als einen Meter breit im 16:9-Format. Damit ist Großbildfernsehen auch in der kleinsten Hütte möglich. Nur der Preis wird sich vorerst als Bremsklotz erweisen: Rund 15.000 bis 20.000 DM sollten im Geldbeutel verfügbar sein.

Etwas still ist es um das digitale Fernsehen geworden, auch wenn sich die Aussteller nichts anmerken ließen. Offener Zankapfel ist nach wie vor die knappe Kabelkapazität der Telekom. Wenn sich Kirch, Bertelsmann und die Telekom geeinigt haben, steht einer Verbreitung von 150 oder gar 300 Kanälen nichts im Wege. So bereiten sich auch ARD und ZDF emsig auf die digitale Zukunft vor, die einen Decoder am Fernsehen erfordert. Aber auch die privaten Rundfunkanstalten schlafen nicht und stehen in den Startlöchern. Für den Verbraucher ist es erfreulich, dass neben Bezahlt-Programmen auch viele kostenlose Programme gesendet werden. Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Pay-TV- Konzept ist aber angebracht. Der Erfolg steht und fällt mit der Bereitschaft des Konsumenten, neben GEZ und Kabelgebühr bis zu 50,- DM im Monat für zusätzliche Programme auszugeben.

DVD - Digital Versatile Disc

Genauso groß, genauso rund und doch viel mehr drin. So oder ähnlich kann man die neue digitale Bildplatte DVD beschreiben, wenn man sie mit einer handelsüblichen CD vergleicht. Gigantische Speichermengen und enorme Vielseitigkeit sind die Eigenschaften, die der DVD ihren Namen gegeben haben. Wörtlich übersetzt heißt Digital Versatile Disc: vielseitige digitale Scheibe. In der einfachsten Version kann sie bereits 4,7 Gigabyte speichern, das entspricht dem siebenfachen der Audio-CD. Kein Wunder also, dass die DVD der eigentliche Star auf der diesjährigen IFA in Berlin war. Möglich wurde diese neue Technologie durch den Einsatz eines neuen kurzwelligen Lasers. Ferner führten die Entwickler die Dual Layer Technik ein, mit der man auf einer Seite auch Daten in zwei Ebenen übereinander abspeichern und somit die Kapazität pro Seite auf 8,5 Gigabyte steigern kann. Darüber hinaus wird es bei der DVD auch zweiseitig bespielte Scheiben geben, so dass zwei weitere Varianten mit 9,4 beziehungsweise 17 Gigabyte zur Verfügung stehen. Das reicht dank der MPEG-2-Komprimierung, die nur die Bildpunkte speichert, die sich von Bild zu Bild verändern, für 8 Stunden Video in bester Qualität. Dazu kommen bis zu 8 Tonkanäle für verschiedene Sprachen und getrennte Raumklang-Spuren. Die ersten DVD-Player werden rund kosten und voraussichtlich im Frühjahr 1998 zur Marktreife gelangen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Spielfilm-Industrie genügend Titel für die Vermarktung freigibt. Dann wird das Ende des VHS-Recorders sicherlich in greifbare Nähe rücken.

Toshiba stellte ihr neues DVD-ROM-Laufwerk mit maximal zweifacher Geschwindigkeit vor: das SD-M1102 mit einer Datenübertragungsrate von 2.700 KB/s. Die Zugriffszeit beträgt 165 ms im DVD Mode und 110 ms im CD Mode. Herkömmliche CD-ROMs werden mit 24facher Geschwindigkeit gelesen. Das Laufwerk ist im 5,25-Zoll-Format und entspricht allen Anforderungen des DVD- Standards. Der PC-Nutzer kann mit den neuen Decoder-Boards dank der MPEG-2 und Dolby AC-3 Technologie Video- und Klangerlebnisse in weit höherer Qualität als bei CD-ROMs genießen. Das Laufwerk sollte bei Erscheinen dieser Ausgabe bereits im Handel erhältlich sein.

Fazit

Größer, schneller, weiter. So oder ähnlich ist der Eindruck, den die IFA beim Besucher erzeugt. Die Erwartungen, die die Aussteller in die IFA setzten, wurden sicherlich alle erfüllt, auch wenn der Besucherstrom vorläufigen Angaben zufolge geringfügig niedriger ausfiel. Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Platzgründen nur über einige wenige Neuheiten berichten können. Der interessierte Leser möge für weitergehende Informationen in entsprechenden Fachpublikationen nachschlagen oder, noch besser, die IFA 99 in Berlin besuchen. Nach wie vor gilt: Berlin ist eine Reise wert.


Rainer Wolff
Aus: ST-Computer 12 / 1997, Seite 30

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