Vier neue Spiele für den ATARI Lynx

Auch für die Taschenkonsole "Lynx" werden nach wie vor einige Spiele produziert. Zwar ist die Schwemme nicht mehr so groß wie vor einigen Jahren, dafür scheint sich aber ein gewisser Qualitätsstandard durchzusetzen.

T-Tris

Jenes genial einfache Knobelspiel, welches schon den Gameboy von seinem Spielzeugimage befreite und auf allem, was Prozessoren sein eigen nennt, vielleicht tausend mehr oder weniger ansprechende Umsetzungen fand, darf nun endlich auch eine Lynx-Konvertierung erleben. Den Weg auf eine ATARI-Konsole konnte unser Softwarefreund aber nicht so direkt gehen wie gewünscht. Darauf weist auch das Entstehungsdatum hin (1993). Scheinbar hat man seinerzeit bei ATARI die Kosten für eine Lizenz gescheut und nahm von einer Veröffentlichung lieber Abstand. Auch wenn es sich nicht um "das" Tetris handelt, lässt sich die Verwandtschaft beim besten Willen nicht verleugnen.

Die Portierung, die von einem Freak aus Deutschland programmiert wurde, erscheint halt nun, nach dem "Ableben" ATARIs, in Eigeninitiative. Und so ist das ganze "Drumherum" eben etwas eigenwillig.

T-Tris kommt in einer coolen orangenroten Plastikbox daher, die gut in eine Hemdentasche passt und auch noch Platz für ein paar andere Module bietet. Man bekommt also einen supercoolen Lynxmodule-Transportbehälter nebst Spiel.

Der Inhalt besteht aus einer ausführlichen englischen Anleitung und einer - im ersten Moment erstaunlich anmutenden - Platine mit einem ganz kleinem und einem größerem Chip darauf. In der Praxis beweist sich jenes "Modul" allerdings als sehr robust. Ein Vorteil dieser "Handarbeit" ist allerdings die leichte Austauschbarkeit des Epromchips, und so liegt T-Tris mittlerweile in Version 2.0 vor. Da man das süchtigmachende Tetris wohl niemandem mehr erklären muss, geht es hier um die Besonderheiten der Lynx-Version. Diese wurde mit viel Witz inszeniert: Schaltet man das Gerät ein, zoomt ein Logo (uups) auf dem Screen, und das bekannte Jaguar- Introbrüllen ertönt. Alle akustischen Outputs von T-Tris passieren auch weiterhin in Form von Samples, sowohl das Enterprise-Trärä bei der Anwahl eines der 9 Schwierigkeitsgerade als auch alle SoundFX während des Spieles. Die Grafik dagegen ist eher schlicht, doch funktional und was beim Lynx ja wichtig ist, gut zu erkennen. Mit ComLynx-Kabeln bewaffnet darf man sich dann der Multiplayerfreude hingeben, wobei bis zu 8 Mitspieler ihr Vergnügen haben sollen.

Außerdem gibt es noch eine geniale Speicheroption: Bei jeder Pause-Aktivierung wird auf die Karte gespeichert, der Stand bleibt dort auch bei ausgestecktem Modul jahrelang erhalten. Beim nächsten Einschalten geht es dann an der alten Stelle weiter.

Fazit: Achtung, niemals sein Lynx mit eingestecktem T-Tris verleihen.

Fat Bobby

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Telegames lässt ATARI-Freaks nicht darben und kümmert sich neben dem Jaguar auch - um Lynx-Nachschub. Fat Bobby dürfte dabei für Fans des klassischen Jump'n'run interessant sein. Unser Held ist nämlich Gitarrero und jamt gerade mit seiner Band, als ein merkwürdiger Vampirverschnitt namens Dr. Mephisto von der Decke trudelt und seine Kumpels kidnappen. Fat Bobby, etwas sauer, hechtet nun aus und will seine Freunde befreien. Ganz traditionell muss er sich dazu durch in alle Richtungen scrollende Level bewegen und Noten einsammeln. Natürlich gibt es ein paar Fallen, welche die Geschicklichkeit des Spielers fordern und auch ein paar herumlaufende Gegner, die seine Reaktionsfreudigkeit testen. Für letztere hat Bobby aber seine Gitarre, die er ihnen dann unverblümt über die Nuß haut. Sie verabschieden sich dann etwas blaß vom Screen und hinterlassen eine kleine Sanduhr, die Bobby's Zeitlimit aufstockt, denn auch gegen dieses gilt es anzurennen. Ordentlich verteilt findet Bobby außerdem noch ein paar andere Bonusitems wie Schilde oder Extraleben.

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Die Anforderungen werden zunehmend schwieriger, und da es in jedem Level auch Bonusräume zu finden gibt, bleibt die Motivation erhalten. Am Ende jedes Levels wartet dann natürlich auch ein Zwischenboß, der schon ein paar mehr Schläge mit dem Instrument vertragen kann.

Technisch macht Fat Bobby dem Lynx keine Schande, die Grafik ist solide, die Gegner inklusive Bobby sehen sogar recht detailliert aus, da sie auch verhältnismäßig groß sind. Alles bewegt sich flüssig über den Screen und ist gut zu erkennen, erst wenn mehr als vier bis fünf Gegner auftauchen, bekommt der Lynx einen "Schluckauf" (passiert aber höchst selten). Neben sauberen SoundFX gibt es noch eine gediegene Hintergrundmusik, die zwar keine musikalische Offenbarung darstellt, aber auch nicht nach 2 Minuten ausgestellt werden muss.

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Fazit: Fat Bobby ist heutzutage sicherlich keine Spielinnovation mehr, nutzt aber den Lynx gut aus und bietet eine Menge soliden Spielspaß .

RAIDEN

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Rai Den (was soviel bedeutet wie Blitz und Donner) hat sich in der Spielhalle schon vor geraumer Zeit seinen Platz als vertikal scrollender Shot 'em Up-Klassiker gesichert. Kein Wunder, dass (damals noch aktiv) ATARI sich die Umsetzungsrechte besorgte. Nun ja, seinen Weg auf den Jaguar hatte RAIDEN dann auch geschafft, die FalconVersion erblickte leider nie das Licht der Welt. Dafür gibt es aber nun endlich - dank Telegames - eine Variante für das "Handy". Als Fan der "64-Bit" Konvertierung war ich natürlich gespannt, was sich vom guten Gameplay auf dem Lynx realisieren ließ.

Aber kurz zum Spielablauf: Die Erde wird von Mutantenaliens überfallen, und der Spieler hat die Aufgabe, mit seinem RAIDEN Supersonic Attack Fighter den Alienjungs mal kräftig auf die Finger zu klopfen. Dazu bewegt er sich mit besagtem Flieger über ein Spielfeld in der Draufsicht, welches vertikal nach unten scrollt. Leichtes Scrolling rechts und links bringt dann noch ein wenig Würze in das Spiel. Natürlich ballern feindlich gesonnene Panzer, Kampfboote, Flieger und allerlei anderer Krimskrams aus allen Rohren auf den Spieler. Ein ausgeklügeltes Waffensystem sorgt aber für faire Bedingungen, er hat die Wahl zwischen einem Laser mit Durchschlagkraft und einer streuenden Waffe, beide werden durch Einsammeln entsprechender ltems in ihrer Macht aufgestockt. Da mal die eine oder andere Waffenart sinnvoller ist, macht das praktisch die taktische Note des Games aus. Weiterhin kann der Spieler dem Fighter - ebenfalls durch Einsammeln Lenkraketen und wieder etwas streuende Geschosse spendieren. Außerdem gibt es noch eine "Superbombe" für den Notfall, hiervon sind pro Bildschirmleben nur 3 vorhanden, es können aber auch weitere im Spiel eingesammelt werden.

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So bewaffnet stellt der Spieler sich also den vielen kleinen und großen Gegnern und kämpft sich zum haarigerem Endgegner vor. Der Schwierigkeitsgrad steigt dabei kontinuierlich an, und da das Gamedesign fein abgestimmt ist, bleibt die Motivation ständig hoch.

Die erste Überraschung beim Lynx-RAIDEN ist die Darstellung: Der Original-Automat hatte nämlich den Bildschirm quasi um 90 Grad gedreht. Während die Jaguar-Version sich behalf, indem der Screen zwar "richtig herum" war, um aber die Proportionen beizubehalten, von einem Panel an der rechten Seite zu fast einem Drittel verdeckt wurde, blieb bei der Lynx-Version das ursprüngliche Format knallhart erhalten.

Dies ist im ersten Moment sehr ungewohnt, denn entweder der Spieler entscheidet sich, das Lynx nun selbst um 90 Grad (egal welche Richtung, da das Lynxeigene Screenflipping ja da ist) zu drehen oder RAIDEN praktisch wie einen Horizontalscroller zu spielen. Die erst genannte Möglichkeit war mir einfach zu umständlich, und so konnte ich bald feststellen, dass man sich an die andere Perspektive schnell gewöhnt und die Handhabung des Spieles bald drin hat. Wahrscheinlich haben Nicht-RAIDEN-Spieler gar keine Probleme.

Bald wird auch verständlich, warum die Lynx-Version nicht wie die Jaguar-Version "gedreht" ist: Bei der geringeren Auflösung des Lynx wären die Details der Grafik einfach nicht mehr zu realisieren gewesen. So aber gibt sich RAIDEN auf dem Lynx sehr opulent, die Grafik ist trotz der geringeren Auflösung und Farbtiefe sehr gut geraten, schöne Farben und viele Details verwöhnen das Auge, wenn man denn Zeit hat sie zu betrachten, denn zahlreiche Gegner lenken ständig die Aufmerksamkeit auf sich. Mit der "gewohnten" RAIDEN-Spieltaktik kann man bei der Lynx-Version auch nicht vorgehen, da die Sprites im Verhältnis zum Original doch größer sind und so einfach weniger Platz zum Ausweichen da ist, dafür sind aber auch etwas weniger Gegner vorhanden.

Summa summarum empfinde ich Lynx-RAIDEN als etwas kniffliger, da aber die Jaguar-Version recht leicht durchzuspielen war, zumal beide Versionen massig Continues anbieten, sollte das eher positiv sein. Der Levelaufbau konnte natürlich auch nicht im Original übernommen werden, hält sich aber in groben Zügen an das Vorbild. Immer wieder erkennt man Passagen aus der "großen" Version, allerdings mussten die Paralaxebenen den Hardwarebeschränkungen weichen. Da der Spielablauf trotz heftiger Action und vielen detailverliebt gestalteten Gegnern immer flüssig bleibt, hält auch der Spaß an.

Letztendlich hat man auch die Zweiplayeroption nicht vergessen, auf dem Lynx wurde sie natürlich via Comlynxkabel realisiert. Musik gibt es nur im Titelbild, während des Spieles hört man die typischen synthetischen Laser und Explosions- SoundFX, die aber zu RAIDEN irgendwie passen.

Fazit Trotz des angestaubten Spielprinzips zeigt RAIDEN dem Lynxspieler, wo der Actionhaken hängt. Die gelungene Portierung ringt Arcadekultflair für unterwegs.

Kay Tennemann

Loderunner


Das Lynx ist bekannt für seine Versionen von Arcade-Klassikern. Hier ist ein weiterer: Loderunner.

Loderunner stammt noch aus den frühen 80ern und trieb damals u.a. auf dem C64 und dem ATARI XL sein Unwesen. Das einfache Spielprinzip, das eine Mischung aus Denkspiel, Action und Geschicklichkeit darstellt, zog damals viele in seinen Bann.

In Loderunner geht es darum, mit einem winzigen Männchen kleine Goldhaufen einzusammeln, die auf verschiedenen Plattformen verteilt sind. Diese Plattformen sind mit Leitern und Stangen verbunden. Soweit wäre das Spiel einfach, gäbe es da nicht noch Gegner, die permanent versuchen, auf dem kürzesten Weg die eigene Spielfigur zu erreichen. Wehren kann sich die Spielfigur mit etwas Säure, die ein Loch in die Plattform frißt. Fällt ein Gegner dort hinein, ist er erst einmal für einige Zeit paralysiert.

Die Lynx-Umsetzung entspricht dem Original recht genau - sogar das Titelbild wurde 1:1 übernommen. Das bedeutet aber leider auch, dass die Konsole nicht ausgenutzt wurde. Grafisch ist das Spiel trotz der netten Animation der Männchen schon mehr als angestaubt, über den Sound kann ich nichts sagen, da ich Loderunner auf dem Lynx- Emulator testen musste und die Soundausgabe nicht möglich war. Man kann darüber streiten, ob das Loderunner-Spielprinzip genauso ze itlos ist wie z.B. Tetris.

Fazit Originalgetreue Umsetzung eines schon etwas angestaubten Spiels. Da es Public Domain ist, sollte es sich jeder PC-Besitzer mit Lynx-Emulator einmal ansehen.



Aus: ST-Computer 09 / 1997, Seite 59

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