TT-Arbeitsspeicher - Stiefkind ST-RAM

Wenn beim TT von der Erweiterung des Arbeitsspeichers die Rede ist, richtet sich die Aufmerksamkeit in der Regel auf das sogenannte „Fastram“, also den Speicherbereich, auf den der Prozessor besonders schnell zugreifen kann.

Doch nicht alle Anwendungsbereiche profitieren von dem Fastram. Für Musiker und für den Notensatz ist das ST-RAM häufig von größerer Bedeutung als das schnellere Ram. Gleiches gilt sicherlich für Benutzer von Programmen, die nur im ST-Ram lauffähig sind.

Da ST-Ram-Erweiterungskarten nur sehr schwer oder sehr teuer zu bekommen sind, hier einige Anregungen, wie der erfahrene Lötakrobat das ST-Ram eines TT mit zusätzlichen Hirnzellen ausstatten kann.

Was ist machbar?

Leider läßt sich das ST-Ram im TT nicht beliebig vergrößern. Die „natürliche“ Grenze liegt bei 10 MB, das wirkt auf den ersten Blick nicht sehr viel, aber wer bisher mit 4 MB auskommen mußte, weiß einen Zuwachs von 6 MB sicherlich zu schätzen. Um sich zusätzliches ST-Ram zu verschaffen, gibt es beim TT zwei grundsätzliche Möglichkeiten:

Entweder kann man den onboard befindlichen Arbeitsspeicher von 2 MB auf 8 MB erhöhen oder die ST-Ram-Erweiterungskarte auf 8 MB Umrüsten. Der kühne Rechner wird nun wahrscheinlich den Bleistift spitzen und feststellen: 8 MB onboard + 8 MB auf der Erweiterungskarte = 16 MB! Normalerweise richtig, im TT aber nur 10 MB, da die Adessbereiche von Onboard- und Erweiterungsram sich überschneiden (vielleicht fällt mir dazu noch etwas ein).

Was braucht man?

Als erstes guten Willen und Selbstvertrauen, dazu einen TT (es hat sich bewährt, zunächst einmal den eines Bekannten zu nehmen) und die richtigen Rams, dazu einen leistungsstarken Lötkolben (besser Lötstation) mit feiner Spitze, Lot und dünnen Draht. Ein Handmultimeter sollte auch nicht fehlen. Der Rest ist abhängig von der gewählten Erweiterungsvariante.

Variante 1:

Die einfachste Möglichkeit der ST-Ramerweiterung haben all jene, deren Onboard-Speicherchips gesockelt sind. Dies dürfte vor allem auf TT-Boards mit dem 32 MHz-Daughterboard (PGA-68030er) zutreffen. Hier braucht man natürlich das ganze Werkzeug, um den Rechner zu zerlegen, außerdem 16 Rams vom Typ 514400 im DIL-Gehäuse (Bild 1), einen Treiberbaustein 74F244, einen Kondensator lOOnF und einen Widerstand 47R (Bild 2).

Variante 2:

Die Umrüstung einer ST-Ram-Erweiterungskarte mit Speicherchips im DIL-Gehäuse erspart zwar das Zerlegen des Rechners, bedeutet unter dem Strich aber einen erhöhten Auslötaufwand. Hier wird benötigt: spitzer Seitenschneider, Entlötsaugpumpe, Pinzette und ggf. Entlötlitze. An Bauelementen ist das gleiche wie bei Variante 1 erforderlich.

Variante 3:

Eine ST-Ram-Erweiterungskarte mit Speicherchips im SOJ-Gehäuse (SMD) wirkt nur auf den ersten Blick komplizierter als die DIL-Variante. Die nötigen Hilfsmittel: Pinzette, Uhrmacherschraubendreher (als Hebel), Entlötlitze, freies Flußmittel (Kolophonium) wäre nicht schlecht und eine halbe Flasche Schnaps (eine ruhige Hand ist hier zwingend erforderlich!). 16 Speicherchips des Typs 514400 im SOJ-Gehäuse sind auch noch vonnöten.

Speicherchips - woher nehmen?

Leider eine nicht so einfach zu beantwortende Frage. Die Varianten 1 und 2 erfordern Chips, die nicht mehr hergestellt werden. So ist wieder einmal die Findigkeit des ATARIaners gefordert. Die erforderlichen Chips wurden vorwiegend bei der Speichererweiterung von Laserdruckern eingesetzt, teilweise auch zur Bestückung von 30poligen 1 MB SIM-Modulen. Also SIM-Module genauer betrachten und Recyclingfirmen anrufen (wer noch einen größeren Posten auftreiben kann, bei mir melden ;-)). Die Organisation der Speicherchips ist 1 MBit x 4, der Aufdruck XX4400-YY. Die Zugriffszeit (YY) darf bis 100ns betragen.

Bei der Variante 3 ist die Bauteilbeschaffung einfacher. Die erforderlichen Speicherchips haben die gleiche Organisation wie bei Variante 1 und 2, der einzige Unterschied liegt darin, daß die Chips im SMD-Gehäuse sitzen, also nicht durch die Leiterplatte gesteckt werden. Diese Speicher (z.B. 514400-70 SOJ) kann man im Elektronikversand kaufen, sie sind da aber vergleichsweise teuer. Ich favorisiere deshalb die „Speichergewinnungsmethode“: Man kaufe sich zwei 4MB-PS/2-Module und löte die Chips ab.

Das funktioniert recht einfach: Da die Module nur einseitig bestückt sind, legt man sie auf Mutters Herdplatte, schaltet dieselbe ein und nimmt die Chips, nachdem das Lot geschmolzen ist, mit der Pinzette herunter. Es ist bei diesem Verfahren sehr vorteilhaft, wenn die Anschlüsse der Speicherchips vorher mit Flußmittel eingepinselt werden, dann gibt es keine „Nasen“. Für eine gute Durchlüftung sollte in jedem Fall gesorgt sein.

Bild 1: Ram-Chip 514400
1	D0	GND	20
2	D1	D3	19
3	WE	D2	18
4	RAS	CAS	17
5	A9	OE	16
6	A0	A8	15
7	A1	A7	14
8	A2	A6	13
9	A3	A5	12
10	+5V	A4	11

Einbau Variante 1

Da TTs mit gesockelten Rams meist noch mit dem Blechverhau geschlagen sind, ist zunächst erst einmal das Freilegen der Platine angesagt. Also frisch ans Werk: Festplatte ’raus, die 10 Schrauben auf der Unterseite entfernt, Oberteil abnehmen, Blechlaschen geradebiegen, die drei Schrauben an der Platinenvorderkante herausdrehen usw. Ist die Platine nun schutzlos dem Eingriff ausgeliefert, werden die 16 Rams aus ihren Sok-keln entfernt. Die neuen (gebrauchten) Chips müssen nun wie folgt vorbereitet werden: Die Pins Nummer 5 jedes Chips müssen so nach oben gebogen werden, daß sie nicht abbrechen und auch keinen Kurzschluß verursachen.

Dann können die neuen Rams in die verwaisten Sockel gesteckt werden. Der Treiber 74F244 (Bild 2) bedarf ebenfalls unserer Zuwendung: Zwischen Pin 1 und Pin 20 den lOOnF-Kondensator anlöten. Pin 20 und Pin 19 kurzschließen und Pin 10 mit Pin 1 verbinden. An Pin 18 den 47R-Widerstand anlöten. Den Treiber dann mit Heißkleber oder Doppelbackeband auf die Platine kleben und mit 5 Volt an Pin 20 und Masse an Pin 10 versorgen.

Nun geht es schon in die Endphase: Die hochgebogenen Pins Nr. 5 der Rams werden nun alle miteinander und über den 47R-Widerstand mit Pin 18 des Treibers verbunden. Pin 2 des Treibers ist der Eingang für die Adressierung MAD 9 und wird mit Pin 34 der MCU auf dem TT-Board verbunden. Die MCU hat die Bezeichnung C301225-001A und ist an ihren 144 Pins deutlich zu erkennen.

Einbau Variante 2

Das Auseinandernehmen des TT kann man sich bei dieser Variante in der Regel schenken. Nach Ausbau der Festplatte sollte entweder die ST-Ram-Karte oder das ramverhüllende Abschirmblech zu sehen sein. Also ggf. die untere Lasche am Abschirmblech geradebiegen und das Blech herausnehmen, dann die vier Schrauben der ST-Ramkarte lösen und das Schmuckstück durch die Festplattenaussparung ans Tageslicht zerren.

Bild 2: Treiber 74F244

Was dann folgt, ist rohe Gewalt:

Die Anschlüsse der Rams werden mit dem Seitenschneider dicht am Gehäuse durchtrennt. Danach die einzelnen Pins mit dem Lötkolben erwärmen und mit der Pinzette aus den Lötaugen ziehen, die Lötaugen werden dann mit der Entlötsaugpumpe für die neuen Rams bewohnbar gemacht. Wer den Aufwand für die Säuberung der Lötaugen scheut, kann die neuen Rams auch einfach an die stehengebliebenen Pins der alten anlöten, dabei gibt’s aber noch etwas zu beachten: Pin 5 darf nicht mit angelötet werden, der wird separat verdrahtet, außerdem die Bauhöhe möglichst gering halten, also die Pins der neuen Rams etwas kürzen, sonst gibt es später beim Einbau der Festplatte ein langes Gesicht, wenn sie auf die Ramkarte aufsetzt. Aus diesem Grund sollte auch auf den Einsatz von IC-Sockeln verzichtet werden!

Wie schon angedeutet, müssen die Pins Nummer 5 der Rams vor dem Einlöten hochgebogen werden. Dann ist der Treiber 74F244 wie bereits bei Variante 1 beschrieben vorzubereiten und auf der ST-Ramkarte zu plazieren. Die Pins Nr. 5 der Rams werden miteinander und über 47R mit Pin 18 des Treibers verbunden, Pin 2 des Treibers wird an Pin 34 der MCU auf der ST-Ramkarte angelötet. Jetzt wird er kniffelig: Pin 94 der MCU muß von der Platine abgelötet und ein wenig hochgebogen werden. Diesen Pin dann mit B 27 der Kontaktleiste J 2 verbinden.

Einbau Variante 3

Sicherlich die eleganteste Lösung, stellt aber auch recht hohe Anforderungen an die Lötfertigkeit. Der Ausbau der ST-Ramkarte ist wohl nicht das Problem. Schwieriger wird es, die alten Speicherchips zu entfernen, ohne die Platine zu ruinieren. Wer ein passendes Auslötwerkzeug sein Eigen nennt, wird nur müde lächeln, alle anderen müssen sich plagen, also los: Zunächst einmal feststellen, ob die Lötspitze lang genug ist, um eine Pinreihe eines Rams annähernd komplett zu erwärmen. Wenn nicht, erst einmal eine passende Spitze besorgen. Dann bei Ul beginnend wie folgt verfahren: Eine Pinreihe eines Rams reichlich be-loten (besserer Wärmeübergang), den Uhrmacherschraubendreher als Hebel von der Kondensatorseite her unter den Chip schieben und eine Seite mit voller Lötspitzenlänge erwärmen. Dabei den Chip LEICHT nach oben drücken. Erst wenn eine Seite in der Luft hängt, mit der anderen ebenso verfahren. Sind alle Rams abgelötet, mit der Entlötlitze das überschüssige Lot entfernen. Dabei kann man auch gleich sehen, ob noch alle Pads an ihrem Platz sind. Wenn nicht, sofort aufschreiben, wo nach der Bestückung noch Brücken herzustellen sind! Das Auflöten der neuen Rams geht verhältnismäßig leicht von der Hand. Die Chips am besten mittig auf den Lötpads plazieren. Dazu ein Pad belo-ten, den Chip mit der Pinzette positionieren und erst einmal an dem einen Pad festlöten. Position und Orientierung kontrollieren und die restlichen Pins anlöten. Jetzt die Lötverbindung kontrollieren, dann erst den nächsten Chip angreifen. Wenn alle Speicher an ihrem Platz und eventuell abgerissene Leiterzüge durch Drahtbrücken ersetzt sind, nur noch beide Jumper auf der ST-Ramkarte auf die Position 2-3 stecken.

Nix geworden?

Waren die Bemühungen erfolglos, so hat man zumindest einige nette Stunden mit seinem Liebling verbracht. Bei Variante 1 läßt sich durch Einsetzen der alten Chips der Ursprungszustand wiederherstellen, dazu muß noch nicht einmal der 74F244 entfernt werden. Die Varianten 2 und 3 lassen den ramhungrigen User mit einem um 2 MB geschmälerten ST-Ram zurück, sofern er es versäumt hat, sich erst ’mal eine ST-Ramkarte zu leihen ...


Ulrich Skulimma
Aus: ST-Computer 06 / 1997, Seite 8

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