Nach einer langen Durststrecke ist nun endlich ein neuer Emulator für Atari-Systeme erschienen.
2nd Life stößt dabei in eine echte Marktlücke: Das Programm ahmt einen Tandy TRS-80 Modell 3 nach. Dieser Computer war in den frühen Achtzigern recht erfolgreich in den USA, aber in Europa angesichts der Übermacht von Commodore und Atari relativ chancenlos. Auf dem Atari ST/TT/Falcon sowie Kompatiblen erhält dieser Computer nun seine zweite Chance bzw. das zweite Leben.
Ungewöhnlich (zumindest auf dem Atari) ist die saubere Einbindung in GEM. Zwar lässt sich das Emulatorfenster weder verschieben noch minimieren, macht aber im Betrieb keine Probleme. Es lässt sich aber auch ein Vollbild-Modus aktivieren, um das "Feeling" des Originals besser nachzuahmen. Die Dialoge wurden in Fenster gelegt, so dass 2nd Life in diesem Bereich alle anderen Emulatoren übertrifft. Vor dem Start will der TRS-80 aber noch konfiguriert werden. Das beschränkt sich im Wesentlichen auf das Bestimmen der entsprechenden Diskimages. Laufwerk 0 sollte dabei mit "NEWDOS80" versehen werden, einer Benutzeroberfläche für den Tandy, die MS-DOS ziemlich ähnelt. Vier Diskettenimages sind im Lieferumfang, wobei eines das TRS-Basic und ein zweites einige Assembler-Spiele enthält.
Neben dem bereits erwähnten Einstellen der Diskimages bietet 2nd Life noch eine ganze Palette an Funktionen. Der komplette TRS80-Zeichensatz kann beispielsweise geändert werden, ebenso wie die Tastaturbelegung. Für die Kompatibilität und Geschwindigkeit gibt es einen speziellen Dialog, in dem man unter anderen auch einen MagiCMac-Kompatibilitätsmodus aktivieren kann. Das ist zwar nett vom Programmierer gemeint, jedoch unterliegt 2nd Life unter MagiCMac erstens einigen Einschränkungen und zweitens gibt es bereits einen TRS80-Emulator für den Mac. Wer sich intensiver mit dem TRS80 befassen will, kann zudem auf einen Monitor und einen Disassembler zugreifen.
Da der TRS80 seinerzeit keine Farbdarstellung beherrschte, wird man Farben im Emulator vergeblich suchen. Nach dem Boot-Vorgang meldet sich Newdos mit seinem Prompt. Die Programme werden nun einfach mit ihrem Namen gestartet, das Inhaltsverzeichnis eines Laufwerkes wird mit "DIR :" angezeigt. Natürlich laufen die mitgelieferten Programme alle mit dem Emulator. Da es für den TRS80 kaum noch Neuentwicklungen gibt, sind die meisten Programme von 1984/85, d.h. man trifft vor allem auf Umsetzungen von alten Spiele-Klassikern. Das Basic ist für TRS80 Unerfahrene von etwas beschränktem Nutzen, jedoch existieren eine Menge Beispielprogramme und eine Basic-Referenztabelle.
Die Grafik sieht dem ZX81 etwas ähnlich, aber die Auflösung ist höher. Die Spiele sind von sehr guter Qualität und lassen so etwas wie Nostalgie aufkommen. Voraussetzung ist natürlich, dass man sich nicht an den beschränkten technischen Fähigkeiten des TRS80 stört.
Speziell hervorgehoben sei hier das Basic-Programm "Dancing Demon", das einen kleinen Dämon auf dem Bildschirm tanzen lässt - mit Bühne und Vorhang. Nach seiner Vorstellung, die sich übrigens auch editieren und speichern lässt, verbeugt er sich auch noch artig.
Mangels eines Original-TRS80 konnte kein Geschwindigkeitsvergleich gemacht werden. Auf einem Falcon 030 liefen jedoch alle Programme flüssig und schnell. Benutzer eines 8 MHz ST können aber noch an einigen Parametern rumspielen, um die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Ein großes Problem ist die Softwarebeschaffung. Zwar sind schon viele TRS80-Programme dem Emulator beigelegt, jedoch ist es schwierig, weitere Programme aufzutreiben (selbst im Internet). Da das Dateiformat der Diskimages mit denen des TRS80-Emulators für den PC identisch sind, könnte man vielleicht über diesen Weg an weitere Programme herankommen.
2nd Life hebt sich deutlich von den übrigen Emulatoren ab - die volle GEM-Einbindung, die keine großen Geschwindigkeitseinbußen verursacht, ist ein echtes Novum. Natürlich sieht 2nd Life nicht so gut aus wie z.B. der Spectrum-Emulator. Dies liegt aber am emulierten Computer und nicht am Emulator selber.
Mit dem TRS80-Emulator wird der Atari um schätzungsweise über 500 Programme reicher. Bleibt zu hoffen, dass 2nd Life nicht der letzte Emulator seiner Art ist.