Da es gerade auf dem ATARI-Sektor immer noch eine Menge Leute gibt, für die das Arbeiten am Rechner eine andere Bedeutung hat, als für „normale" Soft- und Hardwareanwender, wollen wir hier eine Speichererweiterung für Bastelwütige vorstellen.
Die Zutaten für die Speichererweiterung sind schnell aufgezählt: ein PS/2-Modul mit 4 MB, ein paar Meter dünnes Kabel, ein Lötkolben mit feiner Spitze und natürlich ein ST, der speichertechnisch noch nicht ausgereizt ist. Steht alles bereit, sind eigentlich nur noch ein paar Drähte an die richtigen Stellen zu löten - und fertig.
Zugegeben, ein bißchen höher ist der Aufwand schon, je nach Erfahrung kann man so mit zwei bis unendlich vielen Stunden für den Einbau rechnen. Eine ruhige Hand und der richtige Lötkolben (mit feiner Spitze) sind zwingend erforderlich, da die Kontaktflächen auf dem PS/2-Modul nur knapp einen Millimeter breit sind (1/20"-Raster). Trotzdem sollte der Einbau auch von Bastlern ohne mehrjährige Löterfahrung zu schaffen sein.
Geeignet sind grundsätzlich alle ATARI ST. Am sinnvollsten ist der Einbau eines PS/2-Moduls natürlich in die Rechner, die von Hause aus nur einen kleinen Arbeitsspeicher haben, also 520, 1040 und Mega ST1, da der eingebaute Speicher dem Seitenschneider zum Opfer fällt bzw. lahmgelegt wird.
Viele Möglichkeiten, an ein falsches PS/2-Modul zu kommen, hat man hier nicht. Das PS/2-Modul sollte 4 MB Arbeitsspeicher (kein EDO) beherbergen, die Zugriffszeit darf irgendwo zwischen 50 ns und 120 ns liegen. Es ist zwar wenig wahrscheinlich, daß man beim Kauf eines 4-MB-Moduls EDO-RAM bekommt, aber wer ganz sichergehen will, muß einen Blick auf die Chips werfen. Eine Bezeichnung mit Nullen vor den hinteren Buchstaben läßt auf normales RAM schließen (z. B. 514400ASJ-70 oder KM 48C2100AJ-7), ein EDO-RAM kommt meist ohne Nullen daher (z. B. HY5118164BJC-60).
Das Procedere, wie ein ATARI zu öffnen ist, hat sicherlich jeder schon mehrmals gelesen, und daß man seine Griffel nicht in ein unter Spannung stehendes Netzteil halten soll, prägt sich spätestens nach dem ersten Kontakt dauerhaft ein. Also gleich zur Sache.
Im Normalfall sind die RAMs in DIL-Gehäusen. Ein vorsichtiges Auslöten der ehemals kostbaren Chips macht bei den heutigen RAM-Preisen keinen Sinn, also brutal entfernen. Dazu nimmt man einen Feindrahtschneider oder spitzen Seitenschneider und kneift die Anschlüsse der RAMs dicht am Gehäuse ab. Die meisten Elektronikseitenschneider sind dafür noch zu klobig. Hier sollte man die Spitzen mit Feile oder Schleifstein so bearbeiten, daß man damit einen Bauelementeanschluß sicher durchtrennen kann. Sind die RAMs in SOJ-Gehäusen, also oberflächenmotiert (oft in Mega ST1), sollten sie deaktiviert werden, statt sie auszulöten. Dazu werden im Mega ST1 die Widerstände für die Ras- und Cas-Signale RAM-seitig ausgelötet und die freien Lötaugen der Ras-Signale mit +5 Volt verbunden (Ras0 = R 66, Cas 0L = R 70, Cas 0H = R 68, Ras 1 = R 147, Cas 1H = R 148, Cas 1L = R 149).
An Pin 64 der MMU findet sich die Adressierung MAD 9. Am einfachsten ist es, dieses Signal über einen 33R-Widerstand auf der Platinenunterseite abzugreifen, ganz Gewiefte löten einen Draht direkt an die MMU oder den entsprechenden Federkontakt des Sockels.
Die Organisation eines PS/2-Moduls weicht nur oberflächlich gesehen von dem ab, was man in einem ST braucht. So stehen zum Beispiel 32 Bit zur Verfügung, im ST werden aber nur 16 Bit benötigt. Dafür verwaltet der ST aber zwei Speicherbänke mit je 16 Bit, es sind nur immer zwei Bit parallel geschaltet (na, klingelt's?). Das Pinout eines PS/2-Moduls macht das Kurzschließen von jeweils zwei Bit zum Kinderspiel, es müssen nur zwei nebeneinander liegende Kontaktflächen durch einen Lötklecks miteinander verbunden werden. Dies sollte man vorzugsweise auf der Unter-/Hinterseite des Moduls tun, damit man sich später beim Anlöten der Drähte nicht mit zuviel Lot oder Kurzschlüssen herumärgern muß. In Tabelle 1 ist die Belegung eines PS/2-Moduls zu sehen. Die Beschreibung der Kontakte ist etwas geändert, dies soll den Einbau in einen ST erleichtern. Dabei sind gleichnamige Pins kurzzuschließen bzw. zu brücken (Ras-Signale). Die Cas-Signale sind nur mit einem C bezeichnet.
Wenn auch diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, geht es an den Einbau.
Tabelle 1
1 GND 37
2 DO 38
3 DO 39 GND
4 DI 40 C L0
5 DI 41 C LI
6 D2 42 CHI
7 D2 43 CHO
8 D3 44 RAS0
9 D3 45 RAS1
10 +5V 46
11 47 WE
12 A0 48
13 AI 49 D8
14 A2 50 D8
15 A3 51 D9
16 A4 52 D9
17 A5 53 D10
18 A6 54 D10
19 55 D11
20 D4 56 D11
21 D4 57 D12
22 D5 58 D12
23 D5 59 +5V
24 D6 60 D13
25 D6 61 D13
26 D7 62 D14
27 D7 63 D14
28 A7 64 D15
29 65 D15
30 +5V 66
31 A8 67
32 A9 68
33 RAS1 69
34 RAS0 70
35 71
36 72 GND
Jetzt noch ein Plätzchen suchen, wo das PS/2-Modul eingebaut werden kann, ohne den Weg für die Verdrahtung zu verbauen. Dabei sollte man sich aber auch nicht allzuweit von der MMU oder vom Sitz des internen RAMs entfernen, da lange Leitungswege zu Störungen führen können. Unter Umständen ist es auch nötig, einige der stehengebliebenen Pins der entfernten RAMs dicht an der Platine abzukneifen oder auszulöten, um einen kurzschlußsicheren Platz für das PS/2-Modul haben. Den neuen Arbeitsspeicher dann am besten mit einem kräftigen Schuß aus der Heißklebepistole fixieren.
Im Prinzip geht es jetzt nur noch darum, Punkt A mit Punkt B zu verbinden. Die Punkte A auf dem PS/2-Modul haben wir, was noch fehlt, sind die dazugehörigen B-Punkte im ST. Da es eine Vielzahl unterschiedlicher Platinenlayouts gibt, die wir hier nicht alle behandeln wollen, ist die Meßtechnik gefordert. Aber keine Angst, die Geschichte artet nun keineswegs in eine Meßarie aus, denn den meisten Signalen ist es fast Wurst, wo sie landen.
Nehmen wir als erstes die Adressleitungen: Auf dem ATARI-Board MAD 0 bis MAD 9 genannt, gehören sie an die Kontaktflächen AO bis A9 des PS/2-Moduls, die Reihenfolge spielt dabei keine Rolle. Die Leitung MAD 9 sollte, dank sorgfältiger Vorbereitung, bereits irgendwo als Draht herumhängen, MAD 0 bis MAD 8 kann man entweder an den 33R-Wider-ständen auf der RAM-Seite abnehmen oder an den verwaisten Pins eines herausgekniffenen RAM-Chips.
Mit den Datenleitungen verhält es sich ähnlich. Man kann hier ebenfalls bunt mixen, allerdings mit einer Einschränkung: Der Mix ist nur innerhalb eines Bytes erlaubt. Das heißt, D0 bis D7 können untereinander getauscht werden, ebenso D8 bis D15, keinesfalls funktioniert die Geschichte, wenn zum Beispiel D3 gegen D10 getauscht wird. In diesem Fall wäre kein Zugriff auf ein einzelnes Byte mehr möglich, und der Rechner fährt nicht hoch.
Die Datenleitungen können, so wie die Adressleitungen, ebenfalls an die Fragmente der alten RAMs angelötet werden. Alternativ dazu bietet sich die Möglichkeit, den Videoshifter für diesen Zweck zu mißbrauchen. Hier liegen freundlicherweise alle Datenleitungen in Reih und Glied, nach Bytes getrennt, dem eifrigen Bastler zu Füßen.
D0 bis D7 liegen an den Pins 3 bis 10, D8 bis D15 an den Pins 12 bis 19.
Das Schreib-/Lesesignal nimmt man sich in jedem Fall von einem der alten Chips, das kann man mit nichts tauschen, es gibt nur eins.
Bleiben uns nur noch die Steuersignale Ras und Cas. Zusammengenommen gibt es davon sechs im ST, zweimal Ras und viermal Cas. Für die Verwaltung einer Speicherbank sind ein Ras- und zwei Cas-Signale notwendig. Cas L bedient D0 bis D7, Cas H D8 bis D15. Somit haben wir es hier mit zwei Dreiergruppen für unsere beiden RAM-Bänke zu tun. Um nun festzustellen, wo diese Signale zu finden sind, gibt es mehrere Möglichkeiten.
1 A8 GND 16
2 D CAS 15
3 WE D 14
4 RAS A6 13
5 A0 A3 12
6 A2 A4 11
7 A1 A5 10
8 +5V A7 9
Bild 1: Pinbelegung der 16poligen RAMs
Alle Ras- und Cas-Signale sind an diversen Pins der MMU zu finden. Für die Bank 0: Ras 0 / Cas L0 / Cas H0 an den Pins 9 / 8 / 7 und für die Bank 1: Ras 1 / Cas L0 / Cas H0 an den Pins 18 / 21 / 22. Von hier aus kann man sich zu den entsprechenden Widerständen auf dem Board durchmessen. Im Mega ST haben diese Widerstände meist einen Wert von 33R (or-or-sw), in den anderen Rechnern normalerweise 68R (gr-bl-sw). Hinter diesen Widerständen können dann die Steuersignale für die 4-MB-Erweiterung abgegriffen werden.
Eine weitere Möglichkeit ist, sich an den alten RAM-Chips zu orientieren. Bei den RAMs des Typs 41256 z.B. (16 Pins) wird eine Speicherbank immer aus 16 Stück gebildet. Es haben also 16 Chips eine gemeinsame Ras-Leitung und jeweils 8 davon eine gemeinsame Cas-Leitung. Rechner, in denen RAMs des Typs 514256 (20 Pins) beheimatet sind (1040STFM, Mega ST1), kommen mit deutlich weniger Speicherchips aus. Hier wird eine RAM-Bank aus nur 4 Chips gebildet, es hängen also 4 Speicherchips an einer Ras-Leitung und je zwei davon an einer Cas-Leitung. Eine Kontrollmessung gegen die Pins der MMU ist aber in jedem Fall empfehlenswert.
(siehe Tabelle 2 und 3)
Die letzten Leitungen in diesem Reigen sind die zur Spannungsversorgung. Die Verbindungen zum ST müssen nicht armdick sein, es reichen sogar einzelne Adern aus einem Flachbandkabel, in jedem Fall aber alle Masse- und 5Volt-Pins belegen und die Kabel dabei möglichst kurz halten. Ein Vertauschen von Plus und Minus kann zu erhöhtem Strombedarf und Geruchsbelästigung führen und sollte deshalb unbedingt vermieden werden.
1 D0 GND 20
2 D1 D3 19
3 WE D2 18
4 RAS CAS 17
5 GND 16
6 AO A8 15
7 A1 A7 14
8 A2 A6 13
9 A3 A5 12
10 +5V A4 11
Blld 2: Pinbelegung der 20poligen RAMs.
In diesem Fall erst einmal Ruhe bewahren, dann systematisch vorgehen. Als erstes sollten die Lötstellen auf dem PS/2-Modul auf Kurzschlüsse hin überprüft werden. Dazu sollte man schon das Multimeter zur Hilfe nehmen. Ist kein Kurzschluß vorhanden, nochmals kontrollieren, ob man sich bei der Verdrahtung auf dem PS/2-Modul verzählt hat.
Jetzt noch die Spannungsversorgung überprüfen. Wenn auch hier die gewünschten 5 Volt ankommen, dann sind wahrscheinlich die Cas-Leitungen vertauscht.
Sind alle Bemühungen erfolglos gewesen, den Rechner zuklappen und an Bastler verkaufen oder jemanden fragen, der sich mit so etwas auskennt.