Neues von der DTP-Software - Calamus SL96

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Das Marketingkonzept der Firma mgi ist voll aufgegangen: In den vergangenen Monaten hat die ATARI- aber insbesondere auch die DTP-Gemeinde nur noch über ein einziges Programm gesprochen: Calamus SL96. Wir haben kurz vor Redaktionsschluß in Zusammenarbeit mit dem Satz- und Layoutbüro CLN einen ersten Test vorgenommen.

Calamus hat durch Programme wie z.B. Quark-Express und Pagemaker sicherlich eine starke Konkurrenz, doch seit der Veröffentlichung einer Calamus95-Version für Windows muss sich das ATARI-Programm nun auch schon mit seinem eigenen Bruder messen.

Unter diesem Druck ist in den vergangenen Monaten ein Update entstanden, das neue Maßstäbe im DTP setzen soll. Im Gegensatz zum vorangegangenen Update, bei dem bereits vorhandene Module nicht mehr verwendet werden konnten, gibt es bei der 96er Version von Calamus keinerlei Einschränkungen dieser Art.

Grundsätzliches

Kommen wir jedoch zu einer der wichtigsten Erneuerungen, die besonders unter dem Aspekt, dass die SL- Version von Calamus häufig professionell und somit auch systemübergreifend eingesetzt wird, wichtig ist: Calamus unterstützt nun auch lange Dateinamen auf allen Betriebssystemen, vorausgesetzt die Betriebssysteme unterstützen diese auch (z.B. MagiC). Vorteilhaft ist dies z.B. dann, wenn man von einem PC eine Grafikdatei mit langem Namen bei Calamus importieren möchte und nicht mehr mit einem verstümmelten, auf acht Zeichen beschränkten Dateinamen zurechtkommen muss (siehe Bild 9).

In einem weiteren Punkt wurde die SL- der Windows-Version angeglichen: Das Design erscheint nun zeitgemäßer, Windows werden im aktuellen 3-D-Look dargestellt, Modulleisten sind nun verschiebbar. Allerdings hätte man hier noch konsequenter vorgehen können, denn der Gesamteindruck entspricht weiterhin dem trostlosen Monochromanblick der alten Calamus-Versionen. Trotz dieser Tatsache wurde stark zur besseren Übersicht bei der Bedienung beigetragen. So z.B. beim Menüpunkt "Datei neu". Es wird nicht einfach eine Seite aufgebaut, die zu dem entsprechenden Zeitpunkt im Seitenmenü eingestellt ist, sondern das Fenster zur Einstellung des Seitenformates öffnet sich und bittet um Bestätigung der aktuellen Einstellung. Wie Sie aber in Bild 1 sehen können, vereinfachen kleine Grafiken und Pop-Up- Menüs die Auswahl.

Hilfslinien

Besonders das Thema Hilfslinien hat in der aktuellen Calamus-Version viel Beachtung gefunden. Den Hilfslinien wurde nun ein eigenes Modul spendiert, das gemäß meiner Vorstellungskraft derzeit kaum noch zu überbieten ist.

In der Vergangenheit mussten Hilfslinien fast nach einem Schätzwert positioniert werden, da einziger Anhaltspunkt die permanente Koordinatenanzeige war. Zoomte man mit der Lupe tief ins Blatt hinein, um präzise Daten zu erhalten, verlor man den Überblick in Bezug auf die gesamte Seite. Blieb man aber bei der Ganzseitenansicht, waren die Koordinaten zu ungenau.

Wie in Bild 7 zu sehen, kann man bei Calamus SL96 Hilfslinien auf den Bruchteil eines Zentimeters genau positionieren. Darüber hinaus können diese Hilfslinien nun jederzeit verschoben werden.

Ein weiteres Leidwesen des Praxisanwenders war die Tatsache, dass Hilfslinien stets im gesamten Dokument angezeigt wurden. Brauchte man aber für ein mehrseitiges Dokument verschiedene Hilfslinien-Anordnungen, war man schnell verloren.

In der aktuellen Version können verschiedene Hilfslinien unterschiedlichen Stammseiten zugeordnet werden, so dass nun auch mehr Übersicht gewahrt ist.

In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass den Hilfslinien endlich auch unterschiedliche Farben zugeordnet werden können. Dies hat den Vorteil, dass man auch auf einer Seite mit schwarzem Hintergrund sichtbare Hilfslinien erstellen kann.

Hiervon sind nicht nur die herkömmlichen Hilfslinien betroffen, sondern auch Hilfselemente wie z.B. die gestrichelte Rahmenanzeige können in ihrer Farbe beeinflußt werden (siehe Bild 8).

Last but no least wurde in Bezug auf die Übersichtlichkeit ein Menüpunkt integriert, der es ermöglicht zu wählen, in welcher Schicht sich die einzelnen Hilfselemente befinden. Sie können also bestimmen, dass ein Orientierungsraster im Hintergrund, die Hilfslinien selbst aber im Vordergrund liegen sollen.

Soweit zu den Hilfslinien, die sicherlich auch noch in dem einen oder anderen Detail optimiert wurden. Auf jeden Fall hat MGI hiermit neue Maßstäbe bei der Erleichterung der Layout-Arbeit gesetzt, die auch auf anderen Rechnerplattformen ihresgleichen suchen.

Grafikbearbeitung

Trotz der Tatsache, dass Calamus nun durch die Unterstützung länger Dateinamen auf den Datenaustausch mit anderen Programmen vorbereitet ist, sind die Hersteller stets bemüht, die Notwendigkeit externer EDV-Programme zu minimieren.

Zwei wichtige Schritte tragen hierzu bei:

Zum einen wurde der Menüpunkt zur Einstellung der Kennlinien erweitert (siehe Bild 4). Hier haben Sie nun die Möglichkeit, augenblickliche Einstellungen kurzfristig ins Klemmbrett zu kopieren und von dort aus züruckzuholen, falls Ihnen eine Änderung der aktuellen Kennlinien nicht zusagen sollte.

Dies erleichtert bei einfachen Tests das umständliche Speichern und Laden der Daten.

Zum anderen kann der Verlauf der Kennlinie nun auch, ähnlich wie in der PC-Version von Calamus, über Bezierkurven eingestellt werden. Eine weitere Erweiterung der aktuellen Calamus SL96-Version besteht darin, dass ein Histogramm-Modul erstellt wurde und dem Paket standardmäßig beiliegt. Die Editiermöglichkeit des Histogramms mag dem einen oder anderen Anwender vielleicht aus Grafikprogrammen wie z.B. Adobe Photoshop bekannt sein. Es ermöglicht die absolut präzise Farbton- und Heiligkeitsregulierung mittels eines komfortablen Editors (siehe Bild 5).

Damit Calamus dem Stand der Dinge und somit auch der Windows-Welt entspricht, wurde die Reihe der Grafik-Importtreiber um das BMP-Modul ergänzt, welches das Einladen von Windows-Bitmap-Grafiken ermöglicht. In diesem Zusammenhang hätte ich es sehr wichtig gefunden, auch ein JPEGImport-Modul standardmäßig auszuliefern, da dieses Grafikformat inzwischen auch zum Standard gehört.

Pagetool-Modul

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Bild 10: Das Page-Tool-Modul mit der Übersicht zu den im Dokument enthaltenen Seiten.

Weiterhin neu hinzugekommen ist das Pagetool-Modul, ein nützliches Pro gramm, mit dessen Hilfe man eine Übersicht zu dem geladenen Dokument erhält. Das Modul rechnet die Seiten eines Dokumentes auf ein gewünschtes Pixelmaß herunter und stellt an- schließend die einzelnen Seiten im Miniformat dar (siehe Bild 10). Dabei können Sie nicht nur die Darstellungsgröße der einzelnen Seiten, sondern auch die Anzahl der Spalten bestimmen. In diesem Zusammenhang würde ich mir aber für die Zukunft zwei weitere Optimierungen wünschen: Man sollte auch für die mit Pagetool erstelle Übersicht einen Cache-Speicher anbieten, da der Computer beim Berechnen der Mini-Seiten ohnehin rechnerisch in die Knie gezwungen wird und bei mehreren Seiten für eine Weile außer Kraft gesetzt wird. Außerdem erscheint es mir sinnvoll, eine Druckoption zu integrieren, so dass man nicht nur einen kurzen Überblick erhält sondern diesen auch schwarz auf weiß in den Händen halten kann.

Weitere Neuerungen

Das bekannte "Scale-it"-Modul, das als externe Erweiterung von Alvar-Freude erstellt wurde, ist nun in den allgemeinen Funktionsumfang integriert. Es erlaubt das stufenlose Vergrößern und Verkleinern eines Textrahmens, wobei der enthaltene Text automatisch der Größe des Rahmens angepaßt wird. Beachten Sie jedoch, dass ein modifizierter Textrahmen anschließend nicht mehr editierbar ist. Er muss zuvor in den Originalzustand zurückgeführt werden.

Beim Importieren von Grafiken kann man nun vorgeben, dass die entsprechenden Rahmen automatisch in die richtigen Proportionen gesetzt werden, was ein umständliches Aufsuchen des entsprechenden Icons erspart.

Darüber hinaus wurden weitere Modifikationen vorgenommen, deren Relevanz meines Erachtens nach nicht so groß wie die der o.g. Punkte ist. Au erdem würde eine detaillierte Auflistung sicherlich den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Das Drucken

Das Drucken ist mit Calamus in der aktuellen Version angenehmer geworden. Ein großes Lob gilt zunächst der Anpassung vieler aktueller (Farb-) Drucker z.B. von HP, Canon oder auch Epson. Das hatte ich nicht unbedingt erwartet, doch im Zuge der Tatsache, dass Calamus auch für den Privatanwender erschwinglich ist, war es wichtig, die Ausgabemöglichkeiten den aktuellen Geräten anzupassen.

Was aber vermißt wurde ...

... ist die Einbindung von True-Type-Fonts. Richtig mag sein, dass diese nicht annähernd so hochwertig sind wie Calamus-Fonts, doch auch Calamus95 für Windows unterstützt die TT-Fonts, woraus eine gewisse Inkompatibilität der beiden Versionen resultiert. Bedenkt man, dass NVDI für ATARI bereits zum Standard gehört und dadurch auch True-Type-Fonts auf vielen Rechnern installiert wurden, sollte hieran rasch gearbeitet werden.

Bleiben wir bei der Inkompatibilität der beiden Calamus-Verisonen: Wie auch schon in der Vorversion hat man beim Einladen eines 95er-Dokuments mit einem großen Problem zu kämpfen: Normale Bindestriche werden in Gedankenstriche gewandelt, die wesentlich länger sind. Aus diesem Grunde werden wiederum Zeilen, die nach Einbinden des langen Bindestriches zu lang werden, unglücklich umgebrochen - und schließlich paßt der gesamte Text nicht mehr in den dafür vorgesehenen Rahmen.

Läßt man die langen Bindestriche mittels einer "Suchen-Ersetzen"-Funktion nun gegen Trennstriche austauschen, gehen auch die echten Bindestriche verloren. Hierbei muss es sich aber um einen kleinen Importfehler handeln, dessen Beseitigung nicht so schwer sein sollte.

Schließlich finde ich es schade, dass der PKS-Write-Texteditor nicht ein wenig verbessert wurde. Es wurde ja gemunkelt, Calamus96 würde eine abgespeckte Eddie-Version beiliegen, doch in der uns vorliegenden Version war dies nicht der Fall. Dem PKS-Write-Fenster sollten doch zumindest die einfachsten Elemente wie Block ausschneiden, verschieben... spendiert werden, damit man umständliche Mauswanderungen sparen kann.

Fazit

Calamus96 hat während der Testphase, die zugegebenermaßen bis zum Redaktionsschluß nur einige Tage andauerte, eine guten und soliden Ein- druck hinterlassen. Hatte DMC im vergangenen Jahr mit dem Update noch den Eindruck erweckt, die Kunden schröpfen zu wollen, so kann man versichern, dass die Nachfolgefirma mgi dafür Sorge getragen hat, dass Calamus in vielen Belangen verbessert wurde und ein neues Gesicht erhalten hat. Die vielen Arbeitserleichterungen durch die Visualisierung diverser Einstellungen, die Ergänzung um Pop-UpMenüs usw. tragen erheblich dazu bei, dass der Umgang mit dieser Layout-Software noch mehr Spaß macht.

Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Calamus96 momentan systemübergreifend zu einem der besten DTP-Programme Überhaupt gehört - zumindest in der Preisklasse unterhalb 10000,- DM.

Auch die Erzrivalen Quark-Express und Pagemaker, die Dank der Ansiedlung auf weiter verbreiteten Systemen eine größere Klientel besitzen, können Calamus in vielen Belangen nicht das Wasser reichen. Hierfür hat mgi eine solide Grundlage geschaffen, die durch die Firmen adequate systems und inversmedia Verlag genutzt wird, ein komplexes und unschlagbares Arbeitsfeld durch die Produktion vieler wichtiger Zusatzmodule zu schaffen. Weiter so!

Ali Goukassian

Update-Preise:
Calamus inkl. Module: 398 DM
Calamus exkl. Module: 298 DM
Updates von V. 1.09: + 100 DM

Bezugsquelle:
DMC/mgi GmbH D-65393 Walluf



Aus: ST-Computer 02 / 1997, Seite 11

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