1992 revolutionierte die Neuentwicklung eines kleinen Hardware-Unternehmens aus der Schweiz die ATARI-Szene: die Medusa. Mit einem Motorola-68040-Prozessor stellte sie geschwindigkeitsmäßig alles bisher Dagewesene in den Schatten. Bis heute ist bzw. war die Medusa der schnellste TOS-Rechner.
Vier Jahre später nun tritt der Medusa-Nachfolger „Hades" auf den Plan, der auf der ProTOS 1995 schon kurz vorgestellt wurde. Nun war es uns möglich, den Prototyp des Hades bei der Firma „MW electronic“ in Königswinter bei Bonn unter die Lupe zu nehmen und auf Herz und Nieren zu testen.
Die drei Firmen Medusa Computer-Systems (vom Entwickler Fredi Aschwanden aus der Schweiz), „Carasys“ und „MW electronic" haben sich zusammengetan und übernehmen die Distribution des Hades in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich.
Standardmäßig wird der Hades von MW electronic im MIDI-Tower mit einem Motorola 68040 mit 64MHz Prozessortakt mit vier PCI (PC-Schnittstellen-Standard), zwei ISA-Schnittstellen, VME-BUS, 8 MB RAM, 1.2 GB EIDE-Festplatte, 1MB D RAM PCI-Grafikkarte (ET4000/W32), MF2-Tastatur, Maus und der System-Software (NVDI, Festplattentreiber HD-Driver und dem Hades-Conroll-Accessory angeboten. Der Preis für den so gelieferten Rechner beträgt 3.675,- DM.
Ein 68060-Prozessor von Motorola ist optional zu einem Aufpreis von ca. 800,- DM erhältlich.
Das Einsatzgebiet dieses sicherlich nicht ganz billigen TOS-Rechners reicht von der Nutzung des ambitionierten Anwenders bis zum professionellen Einsatz z.B. bei DTP-Studios, im wissenschaftlichen Bereich, in Musik-Studios und im Bereich der Software-Entwicklung.
Die Speicherausstattung von 8 MB RAM ist eine Minimalkonfiguration. Auf den 8-PS/2 SIMM-Sockeln läßt sich bis zu 1GB RAM einsetzen, was wohl in nächster Zeit noch keiner wirklich ausreizen wird. Die Speichermodule müssen immer paarweise eingesetzt werden, da ein besonders schneller Zugriff (Interleaving) benutzt wird.
Die TT-bzw. MegaST(E)-Tastatur kann zur Zeit noch nicht eingesetzt werden, allerdings soll dies laut MW electronic bis zur Auslieferung der Seriengeräte nachgeholt werden.
In diesem Testbericht wollen wir der Frage nachgehen, wie kompatibel der Hades im Vergleich zu den bisherigen TOS-Systemen arbeitet und wie stabil er dabei seine Arbeit verrichtet. Dabei legten wir mehr Wert auf praxisnahe Tests als auf endlos lange Benchmark-Zahlenkolonnen, da es schwierig ist, die hohe Geschwindigkeit des Hades in Relation zu anderen TOS-Rechnern zu setzen. Ein paar Geschwindigkeitstests gibt’s aber trotzdem ...
In der Werkstatt fanden wir einen im Betrieb befindlichen Hades-Prototypen vor. im Gegensatz zum auf der proTOS vorgestellten Hades war es schon eine fertiggeätzte 6-fach-Multilayer-Platine, die allerdings noch von Hand bestückt und gelötet worden war. Sie machte einen sehr sauberen Eindruck, und wir konnten nur vier gefädelte Verbindungen entdecken, was insgesamt auf einen baldigen Auslieferungstermin hindeutet. Die Serie befindet sich wohl bereits in Produktion, und die ersten Geräte sollen - wenn Sie diesen Artikel lesen - bereits ausgeliefert sein.
Der Prototyp verfügte über einen 68060-Prozessor mit 60 MHz Prozessortakt, 40 Megabyte ST-Speicher, eine 1.2-Gigabyte-EIDE-Quantum-Fireball-Festplatte, eine SCSI-Festplatte, ein HD-Diskettenlaufwerk, zwei Grafikkarten (ET4000/W32 PCI 2 MB DRAM Grafikkarte mit 45 ns Speicherzugriff und ATI Mach64 ISA mit 2 MB VRAM). Angeschlossen waren eine PC-Tastatur und eine ATARI-kompatible Maus sowie ein handelsüblicher 17"-Monitor. Drucker und Modem waren noch nicht angeschlossen und konnten somit auch nicht getestet werden.
Eine Anmerkung: Die Unterscheidung in ST-RAM und TT-RAM entfällt beim Hades. Es bringt keinerlei Geschwindigkeitsverluste mit sich, aber den großen Vorteil, daß der gesamte eingesetzte Speicher an einem Stück verfügbar ist. Bereits bei der Medusa gab es zwischen ST- und TT-RAM keinen Geschwindigkeitsunterschied, jedoch hat wohl jeder schon erlebt, daß manche Programme trotz x-MB freien Arbeitsspeichers Speichermangel meldeten, weil zum Beispiel nur noch freies TT-RAM vorhanden war. Während des Tests hatte kein Programm mit der Verwaltung der 40 MB als ST-RAM Probleme.
Nachdem uns mit dem Plattengeschwindigkeitsmeßprogramm der ST-Computer, „How Fast“, die Schnelligkeit der angeschlossen EIDE- und Falcon-kompatibel angesteuerten SCSI-Festplatten (über 5MB/s bei der EIDE-Platte sind doch sehr beachtlich!) demonstriert wurde, sah es schon so aus, als sei der Hades-Test damit beendet. Ein im Prototyp eingesetzter Sockel hatte sich beim Bestücken der Platine verzogen und war so in Mitleidenschaft gezogen worden, daß er erst nach ca. 10 Minuten wieder so eingesetzt war, daß er fortan problemlos lief. Dies wird bei der ausgelieferten Maschine mit maschinell bestückten Platinen mit Sicherheit nicht Vorkommen, da sich dort niemand die Arbeit machen muß, SMD-Teile von Hand einzulöten ...
Nach der erfolgreichen .Reparatur' konnten wir als erstes das neue Hades-Logo beim Einschalten erkennen. Die gesamte Boot-Prozedur geht sehr schnell vonstatten, auch wenn der AUTO-Ordner gut gefüllt ist. Das eingesetzte, speziell gepatchte TOS 3.06 erkennt schon beim Speichertest die 40 MB ST-RAM. Das beim Hades ein-gesetzteTOS wurde von Fredi Aschwanden speziell angepaßt, ähnlich wie schon bei der Medusa. Neu hinzugekommen sind spezielle Speichertestroutinen, eine komplette Überarbeitung der Floppy-Routinen, die nun auch ein echtes Verify bieten sollen, sowie die Anpassung an die neue Hardware: 68040er-und 68060er-Unterstützung, PCI- und ISA-Busanbindung und diverse weitere „Kleinigkeiten". Wie schon bei der Medusa wurde die wenig aussagekräftige Bombenroutine in eine Register-Dump-Version umgebaut.
Schon beim Starten des Rechners wurde die PCI-Grafikkarte verwendet, welche im normalen Betrieb von einem speziellen Grafikkartentreiber unterstützt wird. Den zusätzlichen Einsatz von NVDI konnten wir ohne Probleme während des gesamten Testnachmittages beobachten. Der PCI-Grafikkartentreiber beherrscht derzeit erst wenige fest eingepatchte Auflösungen, jedoch wird derzeit der Videomode-Generator (VMG) angepaßt.
Nun wurde als erstes ein TOS-Programm mittels Pure C Vl.l ohne Probleme kompiliert. Dieses Programm beinhaltet hauptsächlich Routinen zur Matrizenmanipulation und kommt aus dem Bereich der theoretischen Chemie. Es benötigt für die hier ausgeführten Testrechnungen auf dem Hades 1 min 24 sec. Zum Vergleich seien hier nun genannt: Medusa MT40 7,53 min und ein Pentium 90 unter Linux 4,39 min. Diese Messungen sprechen für sich (!), und daß die erhaltenen Ergebnisse in allen drei Fällen übereinstimmten, spricht für die Qualität des FPU-Emulators des Hades.
Die LKURZ-Benchmark mit einem LaTeX 2.09 benötigte auf dem Hades für den zweiten Lauf 1,38 min. Ein primitives Dhrystone-Programm, welches für die Medusa knapp 28.000 dhrystones/sec ergibt, meldet für den Hades gut 40.000 dhrystones/sec.
Das Kopieren von 861 Dateien mit ca. 29 MB von einem 88-MB-Syquest-SCSI-Medium auf die EIDE Quantum Fireball dauerte unter dem Einsatz von Kobold3 29 sec. Diese Datenmenge wurde anschließend auf der EIDE-Platte mit LHARC 3.11 innerhalb von 3,49 min auf 9 MB komprimiert. Hierbei befand sich der Daten-Cache des 68060er-Prozessors im Write-through-Modus, eine Wiederholung im schnelleren Copy-back-Modus brachte nur eine unwesentliche Steigerung um 4 sec. Das im Vertrieb von „mw“ befindliche E-Backup benötigte für 1588 Dateien mit 37 MB 1,32 min und komprimierte sie dabei auf eine Größe von 25 MB.
Ein Calamus-Start mit den standardmäßigen Modulen dauert 3 sec, und nach weiteren 4 sec ist auch das FARBKEIL.CDK geladen. Das vergrößerte Darstellen des Bildes geht auch recht fix, Probleme sind uns nicht aufgefallen.
Als weiteres rechenintensives Programm wurde der Raytracer POVRAV V2.1getestet. Fürdie Berechnung des WATERBOW.POV (s. Abb. 1) benötigte der Hades nur 1,38 min, die Medusa mit den identischen Parametern benötigt 6,14 min.
Weitere Programme die wir problemlos auf dem Hades testen konnten: Papillon, Gembench 4.03, E-Backup, Pacshell, die Editoren Jane und Notice, Scroff, Shauri, Space, Speedmeter (>6000% im Copy-back-Modus), Interface, Dialler, XControl.
Natürlich wollten wir wissen, welche alternativen Betriebssysteme auf dem Hades zum Einsatz gelangen können.
Um allen Gerüchten von vorneherein entgegenzutreten: MagiC wird in der allernächsten Zukunft nicht auf dem Hades laufen, ebensowenig wie auf der Medusa. Wie uns mitgeteilt wurde, sei eine Anpassung des Templemon-Speichermonitors für den Hades eine zwingende Voraussetzung, daran arbeite man derzeit. Hierbei soll der Templemon die besondere Fähigkeit des Hades, mit zwei Grafikkarten gleichzeitig zu arbeiten, unterstützen. Dies ist besonders für Programmierer interessant.
Als nächstes war dann natürlich die Frage, ob das neuere N.AES, das auf MiNT aufsetzt, als Alternative in Frage kommt. Die Installation verlief fehlerfrei. Trotz mehrerer Versuche gelang es jedoch nicht, N.AES mit der 68060-CPU zum Laufen zu bekommen. Eine Anpassung ist jedoch in Arbeit und wohl auch eher verfügbar als ein Ha-des-MagiC. Aufgrund der Tatsache, daß MultiTOS ebenso auf MiNT aufsetzt wie N.AES, muß auch dort mit Problemen gerechnet werden, ein Test wurde nicht durchgeführt.
Als einzige momentan gangbare Möglichkeit, auf dem Hades mit 68060-Prozessor Multitasking zu betreiben, bleibt das amerikanische Betriebssystem Geneva mit dem dazugehörigen Desktop NeoDesk. Bei MW electronic bemüht man sich darum, die Vertriebsrechte für eine deutsche Version dieses Betriebssystem bei den Entwicklern zu erlangen.
Der Bootloader XBoot V2 und 3 führte teilweise zu Systemfehlermeldungen. Wie sich herausstellte, lag die Ursache hierfür im selbstmodifizierenden Programmcode. Da der Hades jedoch schon beim Booten den Prozessor-Cache eingeschaltet hat, stürzte X-Boot im Autoordner ab. Schaltet man zuerst mit einem kleinen Utility den Cache aus, läuft auch X-Boot einwandfrei. Das veraltete Signum! 2 konnten wir nicht zum Arbeiten auf dem Hades überreden, Signum! 3 lief nur, wenn das Hades-Accessory nicht aktiviert war. Dynacad bereitet ebenfalls noch Schwierigkeiten mit dem 68060.
Obwohl im aktuellen Linux/68k-Kernel schon Anpassungen an den 68060er-Prozessor vohanden sind, läuft es derzeit nicht auf dem Hades. Beim Versuch des Linuxloaders, die RAM-Ausstattung des Rechners zu ermitteln, stürzte dieser ab. Dies liegt wohl an der verschobenen RAM-Speicheradresse, die Linux/68k bisher noch nicht kennt.
Für die weitere Entwicklung des Hades sind einige Produkte geplant. Am weitesten fortgeschritten ist eine spezielle von Stephan Wilhelm entwickelte Harddiskrecording-Karte mit optionalem DSP. Ein namhaftes Sequenzerprogramm soll daran angepaßt werden.
Als weiteres Projekt ist die Unterstützung eines PC-üblichen PCI-SCSI-Controllers geplant, was eine weitere Steigerung der Festplattengeschwindigkeit verspricht.
Grundsätzlich sind alle PCI-Karten im Hades lauffähig, soweit sie treibermäßig unterstützt werden. Angedacht sind hier zum Beispiel der Einsatz von Netzwerkkarten, und in Zusammenarbeit mit der Firma Carasys ist die Treiberanpassung für eine PCI-Pentium-Einsteckkarte geplant. Mit der Realisierung dieser Karte hätte man beide Rechnerwelten in einem Gehäuse und somit einen echten Power-ATARI“.
In der kurzen Zeit, in der wir den Prototypen des Hades060 testen konnten, sind uns besonders die hohe Stabilität, Kompatibilität und Geschwindigkeit sehr positiv aufgefallen. Insbesondere der letzte Punkt ist jedoch sehr schwer mit normalen ATARI-Programmen zu beschreiben, da diese den 68060-Prozessor im allgemeinen nicht auslasten. Daher dürfte der Hades 040 für viele Anwender eine sehr interessante Maschine sein, da bereits dieser Prozessor eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit garantiert und natürlich auch mit ihm die einfache Erweiterbarkeit mit PCI-Karten möglich ist. Der Hades 060 wird wohl vor allem im professionellen DTP- und EBV-Bereich und bei Belichtern reges Interesse wecken.
Thorsten Flock, Rainer Wiesenfeller
Standardausstattung des Hades:
Schnittstellen
On Board:
Extern:
optional: