MagiC PC - Copperfield im PC

Das alternative Betriebssystem „MagiC“ ist spätestens seit „MagiCMac“ für alle ATARI-Anwender ein fester Begriff. Nicht nur, daß mit MagiC erstmals präemptives Multitasking in annehmbarer Geschwindigkeit auf dem ATARI-ST Einzug hielt, mit MagiCMac wurde es sogar möglich, die meisten TOS-Anwendungen auch auf Apple-Macintosh-Computern und sogar PowerMacs zu benutzen.

Die Heidelberger Firma Application Systems, denen wir MagiC und MagiCMac zu verdanken haben, ruhte sich aber nicht auf Ihren Lohrbeeren aus, sondern vollführte einen weiteren konsequenten Schritt: „MagiC PC". Mit MagiC PC erhält die ATARI-Software eine weitere Hardware-Plattform, nämlich den „kompatiblen“ PC unter Windows 95. Zwar ist das nicht ganz neu, denn mit Janus und Gemulator existieren bereits ATARI-Emulatoren für PCs, dennoch hat MagiC PC einige Neuheiten zu bieten.

Etwas Wichtiges noch vorweg: MagiC PC war zum Zeitpunkt, an dem dieser Artikel entstand, noch nicht vollendet. Wir konnten also unsere Tests lediglich an einer Beta-Version durchführen. Einige Dinge werden sich noch ändern. Mit dem Erscheinen dieser Ausgabe der ST-Computer sollte aber MagiC PC sein endgültiges Stadium (Versionsnummer 1.0) erreicht haben. Wir werden in den kommenden Ausgaben der ST-Computer weiter über den Werdegang von MagiC PC berichten.

Die Voraussetzungen

Um MagiC PC installieren zu können, braucht der Anwender einen IBM-kompatiblen PC mit installiertem Windows 95 oder Windows NT für Intel-Maschinen. Hierin liegt auch gleich die erste Einschränkung, ein Betrieb unter Windows 3.1x oder OS/2 ist nicht möglich. Im Zuge der steigenden Verbreitung von Windows 95 dürfte sich das Problem allerdings bald relativiert haben. Soviel zu den Software-Voraussetzungen. Nun zur Hardware. Zwar läuft MagiC PC schon auf einem 386er, aber ein schneller 486er oder noch besser ein Pentium-System sollte man schon für den Betrieb von MagiC PC vorsehen. Immerhin wird der Motorola-Prozessor (68000) komplett emuliert, und nicht nur der, auch die meisten ATARI-spezifischen Custom-Chips, vom Sound-Generator bis hin zum Blitter, werden mit MagiC PC per Software nachgebildet. Das kostet Rechenzeit und RAM-Speicher. Genau davon braucht man auch eine Menge. Abgesehen davon, daß für ein Windows-95-System zum sinnvollen Arbeiten sowieso mindesten 16 MB veranschlagt werden müssen, kommt der Speicherbedarf für MagiC PC und die darunter laufenden ATARI-Anwendungen noch hinzu. 16 MB sind also die vernünftige Untergrenze, um ein flüssiges Arbeiten unter MagiC PC zu erreichen. Dem ATARI-Teil kann davon ein einstellbarer Speicherbereich zur Verfügung gestellt werden. Dabei liegt die Obergrenze bei 14 MB. Das dürfte für den normalen Anwender ausreichen, bei ernsthaften EBV- oder DTP-Anwendungen ist diese Grenze aber schnell erreicht.

Hier werden die sogenannten Laufwerkscontainer erzeugt.

Es werden beliebige PC-Grafikkarten unterstützt. Der Grafikmodus im ATARI-Betrieb beschränkt sich zunächst auf die üblichen ATARI-Modi, also 640x400 in Monochrom, 320x200 in 16 Farben und 640x200 in 4 Farben. Darüber hinaus kann die Auflösung aber mit Hilfe eines Programmes im Autoordner auch wesentlich höher eingestellt werden, je nachdem, was die PC-Grafikkarte unter Windows noch anzeigt. Die Farbtiefe ist dabei allerdings auf 4 Bit(16 Farben) beschränkt. Höhere Farbtiefen sind aus Geschwindigkeitsgründen nicht vorgesehen. Allerdings wurde uns mitgeteilt, daß die Gebrüder Behne bereits an einem speziellen NVDI arbeiten, das auf die Grafikroutinen von Windows zurückgreift und neben einer deutlich höheren Geschwindigkeit auch Farbtiefen bis 24 Bit ermöglichen wird. Wann diese NVDI erhältlich sein wird, war noch nicht in Erfahrung zu bringen. Bis dahin jedenfalls funktioniert das ganz normale NVDI für den ST auch jetzt schon unter MagiC PC. Natürlich nur in den schon erwähnten Farbtiefen und Auflösungen.

Mit einer SoundBlaster-kompatiblen Karte bekommt der Anwender auch die typischen ATARI-Geräusche (Keyklick, Warnton usw.) zu hören. Den Kern von MagiC PC bildet naturgemäß derCPU-Emulator. Dieser gaukelt dem MagiC-Betriebssystem vor, daß eine 68000er-CPU im System vorhanden sei. Der Emulator ist dabei allerdings nichts anderes als ein Befehlsinterpreter für 68000er-CPU-Befehle. Es ist eine reine Softwarelösung, die auf die in den PCs arbeitenden Intel-Prozessoren zugeschnitten ist. Weitere Hardware wird nicht benötigt. Auch auf eine Einsteckkarte, die das original-TOS aufnimmt, kann verzichtet werden, da MagiC ein „TOS-kompatibles“ Betriebssystem ist, das nicht dem Copyright von ATARI unterliegt. PC-Besitzer brauchen also ihren Computer nicht zu öffnen, um MagiC PC zu installieren. Dadurch werden natürlich auch die Produktionskosten gering gehalten. Eine 3.5"-Diskette reicht aus, um MagiC PC installationsfertig auszuliefern.

Installation

Auch die serielle Schnittstelle wird unterstützt.

Da wir, wie schon erwähnt, noch nicht über die endgültige Version von MagiC PC verfügen konnten, läßt sich auch noch nicht viel über die Installationsprozedur sagen. Sie wird sich aber lediglich auf das Kopieren von Programmen auf die PC-Festplatte beschränken. Änderungen an der Systemkonfiguration des PCs werden nicht notwendig sein. Das Programm selbst ist lediglich ca. 1 MB groß. Daneben wird aber noch ein sogenannter Laufwerkscontainer eingerichtet. Dies ist, vom Windows-System aus betrachtet, eine Datei, die bis zu 32 MegaByte groß sein kann. Unter MagiC PC wird diese Datei wie eine TOS-Partition angesprochen. Im Normalfall ist dies das TOS-Laufwerk C:, von dem auch gebootet wird. MagiC PC erlaubt in einem eigenen Dialog die Erzeugung von solchen Laufwerkscontainern (siehe Bild 2). Dieses Verfahren hat natürlich den Nachteil, daß sehr viel Platz auf der PC-Festplatte verschwendet wird. Allerdings kann man über ein spezielles Laufwerk (TOS-Drive I:) auch direkt auf alle PC-Partitionen zugreifen. Leider konnten wir diese Funktion bei unserer Betaversion lediglich zum Kopieren von Daten benutzen. Das Starten von Programmen direkt vom PC-File-System war damit noch nicht möglich. Laut Auskunft von ASH soll der Dateizugriff in der Endversion aber ähnlich wie unter MagiCMac aussehen. Hierbei läßt sich einfach ein beliebiges Unterverzeichnis auf einer PC-Partition als Laufwerk für MagiC PC anmelden. Beide Systeme können dann uneingeschränkt darauf zugreifen, wenn es sein muß sogar gleichzeitig.

Floppy

Für den Zugriff auf das Diskettenlaufwerk mußte man sich auch etwas Besonderes einfallen lassen. Über ein Menü im Windows-95-Teil von MagiC PC muß eine eingelegte ATARI-Diskette zunächst komplett in den Speicher des Rechners eingelesen werden. Die Daten dieser Diskette stehen sodann als Laufwerk A: unter MagiC PC zur Verfügung. Schreibzugriffe auf Laufwerk A: werden zunächst ebenfalls erst ins RAM des PCs durchgeführt. Erst die Anwahl des entsprechenden Menüpunktes (Diskette schreiben) schreibt die Daten zurück auf die Floppy-Disk. Der Grund für dieses doch etwas umständliche Verfahren liegt darin, daß die TOS-Routinen zum Lesen und Schreiben auf Disketten natürlich nicht so einfach auf die PC-Hardware umgeschrieben werden können. Aber auch hier will ASH in der finalen Version eine andere, bessere Lösung anbieten.

Schnittstellen

Drucker können an der parallelen Druckerschnittstelle des PCs betrieben werden. Die Druckausgaben von ATA-Rl-Programmen werden dabei von MagiC PC abgefangen und an das Windows-Betriebssystem weitergegeben. Es wird also immer der Drucker benutzt, der in Windows als Standarddrucker definiert ist. Somit lassen sich z.B. auch Netzwerkdrucker benutzen. Unser Test zeigte, daß selbst ATARI-Programme, die direkt auf die Hardware drucken (z.B. Signum!2, oder Harlekin) problemlos funktionieren. Daran erkennt man, wie gut die ATARI-Hardware von MagiC PC rein softwaremäßig nachgebildet wird.

Im Dialog Einstellungen werden wichtige Parameter für die Emulation beeinflußt.

Auch die Modemschnittstelle läßt sich benutzen. Im dafür vorgesehenen Einstellungsdialog hat der Anwender die Wahl zwischen „COM1“ und „COM4“. Der jeweilige Port steht dann für die ATARI-Programme als Modem1 zur Verfügung.

Der Start

Die Emulation wird über einen Menüpunkt gestartet. Anders als unter MagiCMac läuft die Grafikausgabe des ATARl-Bildschirms in einem eigenen Windows-95-Fenster, und das unter Beibehaltung des vollen Windows-Multitaskings. Alle anderen unter Windows 95 laufenden Programme verrichten weiterhin ihren Dienst - natürlich unter Verlust von Rechenzeit, die MagiC PC für die Emulation benötigt. Ein Umschalten auf das Windows-Desktop ist allerdings jederzeit möglich. Nach Druck auf die Windows-Taste erscheint wieder der gewohnte weiße Mauspfeil von Windows 95. Die ATARI-Emulation wird dabei allerdings nicht angehalten. Eventuell laufende ATARI-Programme setzen ihre Arbeit ungestört fort. Ein Klick in das Bildschirmfenster von MagiC PC genügt, um die Kontrolle wieder der ATARI-Seite zu übergeben.

Hierbei wird die prinzipielle Funktionsweise der Bildschirmausgabe deutlich. Der Bildschirmspeicher des ATA-Rl-Systems wird zyklisch ausgelesen und mit den normalen Windows-Grafikbefehlen unter Berücksichtigung eines eventuell anfallenden Clippings in das Windows-95-Fenster kopiert. Die Anzahl der Bildschirm-Updates pro Sekunde läßt sich dabei einstellen.

Unsere Testsysteme

Um ein möglichst breites Rechnerspektrum abzudecken, testeten wir MagiC PC auf einem sehr schnellen Pentium-150 mit 32 MB RAM und -das andere Extrem - auf einem 486er mit 33 MHz und 8 MB RAM. Der Pentium macht dabei naturgemäß deutlich mehr Spaß, während die Arbeit auf dem 486er schlicht nicht möglich war, was allerdings auf Speichermangel und damit verbundenes "Swapping" zurückzuführen ist. Ganz wichtig für die Geschwindigkeit der Emulation ist die richtige Wahl des Bildschirm-Updates. Je mehr Updates pro Sekunde durchgeführt werden, desto flüssiger wirkt die Bildschirmausgabe, aber um so geringer wird die Rechenleistung der Emulation. Wer vorwiegend Textverarbeitung benutzt, wird sicherlich einen flüssigen Bildschirmaufbau bevorzugen und einen hohen Wert eintragen. Wer eher mit rechenintensiven Programmen arbeitet, sollte hier eine möglichst geringe Zahl einstellen. Unser Pentium 150 schaffte selbst 60 Bilder pro Sekunde noch anstandslos und ohne, daß ein zu großer Performance-Verlust spürbar wurde. Natürlich hängt dies auch von der Geschwindigkeit der Grafikkarte ab. Einen guten Kompromiß stellt ein Wert zwischen 30 und 40 Bildern pro Sekunde dar.

Mit dem Menüpunkt „Start“ wird die ATARI-Emulation hochgefahren.

Praxis

ln der Kürze der Zeit, die uns zur Verfügung stand (die aktuelle Betaversion erreichte uns erst kurz vor der Deadline der Juni-Ausgabe) konnten wir leider nicht allzuviel testen. Allgemein läßt sich aber sagen, daß MagiC PC mit sehr hoher Kompatibilität aufwarten kann. Die Möglichkeit, sogar ein originales ATARI-TOS-lmage einzulesen und zu booten, sorgt dafür, daß selbst einige Spiele in der niedrigen ST-Auflösung problemlos zu betreiben waren. Wer sich ein wenig in der Spieleprogrammierung auskennt, weiß, wie dieser Umstand zu werten ist.

Fazit

MagiC PC läuft sehr stabil. Abstürze, die zum Zusammenbruch des Windows-Systems führten, konnten wir sogar mit unserer Betaversion nicht feststellen. Eine Liste derzu MagiC PC kompatiblen Programme werden wir in einer der nächsten Ausgaben der ST-Computer nachreichen. Sicherlich werden wir auch in unserer Emulatoren-Rubrik noch öfter auf MagiC PC eingehen. Gmb zusammengefaßt kann man sagen, daß mit MagiC PC nun endlich ein schneller und sehr kompatibler ATARI-Emulator für PCs zur Verfügung steht, der auch auf Notebooks eingesetzt werden kann. Bislang scheiterte dies an den dafür notwendigen Einsteckkarten.

CM

MagiC PC

Positiv:

Negativ:

GEM Bench

GEM Bench v3.40
Mega STE TOS 2.00, MiNT not present
Blitter Disabled, NVDI 4.11 present
Video Mode = 640 * 480 * 16 Colours
FPU not present
Run and Malloc front STRAM
Ref = TT + Fast RAM + FPU, TT Medium
Pentium 150

Test: 10fps 35fps
GEM Dialog Box: 379% 345%
VDI Text: 1269% 1143%
VDI Text Effects: 907% 764%
VDI Small Text: 712% 584%
VDI Graphics: 212% 168%
GEM Window: 319% 247%
Integer Division: 433% 338%
Float Math: 7% 5%
RAM Access: 117% 90%
ROM Access: 136% 120%
Blitting: 90% 79%
VDI Scroll: 473% 422%
Justified Text: 417% 368%
VDI Enquire: 389% 340%
New Dialogs: 259% 226%
Graphics: 493% 426%
CPU: 173% 138%
Average: 407% 349%


Aus: ST-Computer 06 / 1996, Seite 8

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