Die langersehnte Version 4 der beliebten Textverarbeitung präsentiert sich gründlich überarbeitet und mit interessanten neuen Funktionen.
Seit seinem Erscheinen hat papyrus die ATARI-Szene in Atem gehalten. Mit frei bewegbaren Textobjekten, einer vorbildlichen Font-Auswahl und diskontinuierlichen Blöcken beeindruckte schon die erste Version. Seitdem ist papyrus kontinuierlich weiterentwickelt worden und bietet in der aktuellen Version als neue Funktionen unter anderem Textmakros und Farbbildunterstützung.
Als erstes fällt an papyrus 4 das neue Lineal auf, in das gleich mehrere häufig gebrauchte Funktionen verlegt wurden. Von der Zoomstufe über den Modus-Schalter (Cursor-Modus, Objektmodus etc.) bis zur Font-Auswahl mit Punktgröße liegen alle linealüblichen Funktionen für den direkten Zugriff bereit. Die Formatierungsarten Blocksatz etc. befinden sich nun in einem Pop-up-Menü. Die Maßleiste ist von der oberen Kante des Lineals zur unteren Kante gewandert, um der direkten Beziehung der Maßleiste auf den Text Rechnung zu tragen.
Neu dazugekommen ist die Funktion „Stil“, mit der ein namentlicher Textstil festgelegt werden kann. Ein Textstil legt einen Font in einer bestimmten Größe fest und kann zusätzlich Stilinformationen wie beispielsweise „unterstrichen" beinhalten. Die Verwendung von Textstilen liegt besonders dann nahe, wenn beim Schreiben häufig der Textstil gewechselt wird. Anstatt beispielsweise an jeder hervorzuhebenden Textstelle den Font zu ändern und dann noch eine Textfarbe zu wählen, können diese Stilelemente zusammen als ein Textstil definiert werden, der über das Pop-up oben links im Lineal gesetzt wird.
Die Stilvorlagen ergänzen die Absatzstile, mit denen unter anderem die Ränder und der Zeilenabstand gesetzt werden können. Wenn ein Absatz-Stilformat auch einen Textstil beinhalten soll, kann ein vorher angelegter Textstil als Bestandteil des Absatz-Stilformates gewählt werden. Technisch war dies zwar auch schon in der vorangegangenen Version möglich, die neue Aufteilung macht die Bedienung jedoch deutlich einfacher. Wer lieber ohne Absatz- und Textstile arbeiten möchte, kann diese Funktion einfach links liegen lassen. Lediglich für die Erstellung automatischer Inhaltsverzeichnisse muß ein Absatz-Stilformat für die aufzunehmenden Überschriften gesetzt werden.
Sowohl Textstile als auch Absatzstile können auf die Shift-Ebene der Funktionstasten gelegt werden und stehen dann auch sofort für neue Dokumente zur Verfügung.
Um die Einstellung einer Zoomstufe so einfach wie möglich zu machen, wurde die aus Bildbearbeitungsprogrammen schon bekannte Lupenfunktion eingebaut. Nach einem Klick auf das Lupensymbol im Lineal kann mit der Maus ein Rechteck aufgezogen werden. Der Inhalt dieses Rechtecks wird darauf auf die volle Fensterfläche vergrößert. Über ein Pop-Up-Menü im Lineal sind die frei definierbaren Zoomstufen erreichbar.
Textteile konnten in papyrus schon in älteren Versionen farbig gestaltet werden. Hinzugekommen ist nun die Unterstützung von Farbbildern, die per Referenz auf ihre Bilddatei verwaltet werden. Mit dem Dokument gesichert wird nur der Pfad des Bildes, um zu verhindern, daß Dokumente zuviel Speicherplatz belegen. Für ein schnelles Scrollen des Bildschirms sorgt ein Cache-Verfahren für Farbbilder, das auch dafür verantwortlich ist, daß beliebig große Dokumente mit vielen Farbbildern auch auf Rechnern mit wenig Speicher bearbeitet werden können. Um insbesondere Farbbilder beim Öffnen eines Dokuments schnell auf dem Bildschirm anzeigen zu können, speichern viele Programme eine niedrigauflösende Kopie des Bildes im Dokument. Papyrus geht diesen Weg nicht und bietet statt dessen eine sehr gute Bildschirmdarstellung der Farbbilder. Einziger Nachteil sind hierbei etwas längere Wartezeiten bei der ersten Anzeige von Farbbildern nach jedem erneuten Öffnen des jeweiligen Dokuments. Erkannt werden die Bildformate: TIF, GIF, IFF, JPG, (X)IMG, PCX und viele andere wie z.B. das Kodak-Foto-CD-Format.
In papyrus 4 kann die Darstellung von beliebig vielen Seiten nebeneinander eingestellt werden. Das ist besonders für die Layout-Kontrolle bei Buchprojekten praktisch, da gegenüberliegende Seiten einen ausgewogenen Gesamteindruck ergeben sollten. Die neue Funktion ist aber auch nützlich, um bei der Druckvorschau in einer kleinen Zoomstufe den Bildschirm möglichst optimal zu nutzen.
Für häufig wiederkehrende Textpassagen wie z.B. beim Schreiben von Rechnungen ist eine Funktion für Textmakrosgeradezu unentbehrlich. Man gibt ein Kürzel ein, das dann durch den eigentlichen Text ersetzt wird, sobald es vollständig eingegeben ist. Unangenehm wird es dabei allerdings, wenn man als Kürzel am liebsten einen Namen vergeben würde, der auch als normaler Textteil Vorkommen soll. Für diesen Fall gibt es in papyrus noch zwei weitere Möglichkeiten zur Eingabe von Makros, die für jedes Makro individuell gewählt werden können. Für längere Kürzelnamen gut geeignet ist die Folge von Funktionstaste 9 und dann dem Kürzelnamen. Eher für ganz kurze Kürzelnamen geeignet ist die Alternate-Taste, die während der Eingabe des Kürzels gedrückt werden muß.
Eine weitere sinnvolle Anwendungsmöglichkeit fürTextmakros ist die Möglichkeit, Sonderzeichen über ein Makro einzugeben. So läßt sich beispielsweise für das kleine „e“ die Tastenkombination „Akzenttaste“ gefolgt von „e“ definieren. Neu ist in diesem Zusammenhang, daß auch die Sonderzeichen z.B. aus osteuropäischen Sprachen leicht zugänglich sind.
Bei der Definition eines Makros kann ein selektierter Block in den Dialogeingefügt werden.
Grundsätzlich können Makros auch auf eine Datei verweisen, die beim Aufruf des Makros in den Text eingefügt wird und auch Bilder enthalten kann. Besonders vorbildlich an der Makroverwaltung ist die Anzeige des Textanfangs neben dem Kürzelnamen, denn das beste Makro ist nichts wert, wenn man das Kürzel oder den Inhalt vergessen hat.
Zur „Verschlankung“ der Oberfläche sind in papyrus 4 nur noch maximal zwei Ausgangs-Buttons für Dialoge einstellbar. Konnte man sich bisher beispielsweise für die Viererkombination „OK“ / „Abbruch" / „Setzen“ / „zurück" entscheiden, gibt es jetzt nur noch die Wahlmöglichkeiten zwischen den Zweierkombinationen „OK" / „Abbruch“ und „setzen" / „zurück“. Wer also auf den Abbruch-Button nicht verzichten will, muß das Pärchen „OK" / „Abbruch“ wählen und das „Setzen“ durch einen Rechtsklick auf „OK" auslösen.
Papyrus 4 unterstützt nun beliebig viele Fonts gleichzeitig. Dabei darf jeder Font aufgrund des neuen und bislang im ATARI-Bereich nur in papyrus verfügbaren Standards „Unicode“ theoretisch über 65000 Zeichen beinhalten. Diese Zeichen können gleichzeitig verwendet werden. Damit gelangt man besonders leicht an alle Sonderzeichen wie z.B. die deutschen Anführungszeichen oder osteuropäische Akzentzeichen. Die in Speedo-Zeichensätzen enthaltenen Sonderzeichen sind grundsätzlich verfügbar. Insgesamt bietet fast jeder Speedo-Zeichensatz rund 500 Zeichen. Darunter sind neben Akzentzeichen auch Grafikzeichen. Wer Fonts in den Formaten TrueType oder PostScript Typei verwenden will, muß mit NVDI 4 arbeiten, um auf die Sonderzeichen im Unicode-Standard zugreifen zu können. NVDI 4 beschleunigt die Bildschirmausgabe und berechnet die Vektor-Fonts.
Als Platzhalter kann man in papyrus jetzt auch die aktuelle Seitennummer mit einem Offset wählen. Soll in der Fußzeile beispielsweise die Folgeseite mit ihrer Seitennummer angegeben werden, ist dieser Offset auf den Wert 1 zu setzen. Ebenso mit Offset kann ein Datumsplatzhalter gewählt werden, was beim Schreiben von Rechnungen für das Datum der spätesten Zahlung praktisch ist. Weiterhin sind als neue Platzhalter dazugekommen der Name der Datei, der wahlweise mit Pfad angegeben werden kann, und das Datum der letzten Änderung des Dokuments.
Zu den Objekten ist als neuer Typ das Kreis- und Ellipsenobjekt gekommen. Der Kreis bzw. die Ellipse kann mit einem Linienstil für die Begrenzungslinie und mit einem Füllmuster versehen werden. Das Objekt liegt in einem Rechteck, das über die üblichen Griffe in der Größe verändert werden kann.
Papyrus 4 präsentiert sich vollständig im 3D-look und bietet Echtzeit-Slider in Dialogen. Wer mit der aktuellen Version von MagiC oder MagiCMac von Application Systems Heidelberg arbeitet, kommt sogar in den Genuß von Echtzeitslidern in Dokumentfenstern, da papyrus diese Funktion unterstützt. Auch bei der Verwendung von Winx stehen Echtzeit-Slider zur Verfügung. Insgesamt ist papyrus durch die Umstellung auf die Programmiersprache „C“ schneller geworden und belegt weniger Speicher. Die Goldversion läuft daher jetzt auch auf ATARI-Rechnern mit nur einem Megabyte. Es entfallen dabei allerdings die Funktionen Farbbilder sowie Wortprüfung, und man kann keine Vektorfonts verwenden.
Auch der Ausdruck konnte deutlich beschleunigt werden. Für eine DIN-A4-Textseite mit 300 dpi benötigten wir im Test mit einem HP Laserjet 4 neun Sekunden für die Zeit vom Druckbeginn bis zum Abschluß der Datenübertragung an den Drucker. Hinzu kommen weitere 20 Sekunden für den mechanischen Druckvorgang der ersten Seite. Dieser Wert hängt vom Drucker ab und kann bei neueren Druckern noch kürzer sein. Beim Drucken von fünf Seiten beträgt die Gesamtzeit, bis das letzte Blatt in den Ausgabeschacht fällt, 1 Minute und 12 Sekunden. Beim Drucken mit 600 dpi beträgt die Zeit bis zum Ende der Datenübertragung an den Drucker 28 Sekunden. Für fünf Seiten wurden 2 Minuten und 49 Sekunden benötigt. Weniger deutlich wirkt sich die Geschwindigkeitssteigerung bei veralteten Druckern mit langsamen Schnittstellen aus.
papyrus kann in der aktuellen Version 4.09 Texte und Bilder per Drag&Drop empfangen. In dieser Version steht auch eine Automatik für typographische Anführungszeichen zur Verfügung, und der Maus-Cursor wird während der Texteingabe abgeschaltet.
Vor allem dürften sich die Anwender von papyrus noch viele Updates und Upgrades ihrerTextverarbeitung-trotz des kleiner gewordenen ATARI-Marktes - wünschen. Um die Weiterentwicklung der ATARI-Version garantieren zu können, hat sich die Firma R.O.M. logicware entschlossen, papyrus portabel zu machen und auch in einer Version für das Betriebssystem OS/2 herauszubringen, das auf IBM-kompatiblen Rechnern läuft. Geplant ist auch eine Version für Macintosh-Computer.
Hervorzuheben ist das Engagement, mit dem papyrus gepflegt wird, denn ein Blick in andere Rechnerwelten zeigt, daß dies keineswegs selbstverständlich ist. Aufgrund dieser Perspektive lohnt es sich, für das nächste Update Wünsche zu sammeln. Ganz weit oben auf der Liste stehen das Ausschneiden und Einfügen von Tabellenspalten und automatische Rahmen für Objekte.
Papyrus wird als Normalversion und als Goldversion angeboten. Das normale papyrus umfaßt alle Grundfunktionen, während papyrus GOLD zusätzlich die im Profibereich nötigen Funktionen bietet. Die aktuelle Version 4.08 läuft auf allen ATARI-Rechnern und unter MagiCMac. Anfängliche Kinderkrankheiten der Version 4.0 sind mittlerweile behoben, und zunächst fehlende Funktionen wie der Hintergrunddruck stehen wieder zur Verfügung.
Bezugsquelle:
R.O.M. logicware
Raschdorffstraße 99
13409 Berlin
Preise:
papyrus 198- DM
papyrus GOLD 249- DM
Upgrades mit Onllne-Dokumentationen von allen Versionsnummem auf die entsprechende papyrus-4-Version kosten 69,- DM. Das komplette neue Handbuch mit Gold-Teil kann für zusätzlich 20,- DM bestellt werden. Crossgrades sind möglich.
Papyrus 4
Positiv:
Negativ:
keine automatischen Rahmenlinien für Objekte