Zum zweiten Mal traf sich die ATARI-Clique in Hennef bei Bonn, um Neuigkeiten zu entdecken, eigene Software zu aktualisieren und um das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Letzteres ist angesichts der momentanen Situation im Markt sicherlich keine Schwierigkeit. So sah man an sehr vielen Ständen ältere Hardware, Ersatzteile und alte Software-Versionen, die aufgrund des günstigen Preises durchaus ihre Käufer fanden. Die proTOS war für viele Software-Hersteller eher Anlaß, ihre, zum Teil lang ersehnten, Updates und Upgrades vorzustellen und zu verkaufen.
Von vielen sehnlichst erwartet, zeigte R.O.M.Logicware die Papyrus-4-Version. Der Grund für die lange Wartezeit war die komplette Umsetzung des Programms in die Programmiersprache C. Dadurch schrumpfte das Programm um über 200 KB. Die Folge davon ist wiederum die Lauffähigkeit auf 1-MB-Rechnern. Die zweite sehr positive Veränderung ist der Geschwindigkeitszuwachs. Papyrus ist in allen Bereichen 3- bis 5mal schneller geworden als das Vorgängermodell. Weiterhin neu ist die gerasterte Farbbildausgabe, die eine Beurteilung des Bildes schon vor dem Druck erlaubt. Neue Funktionen sind die Textmakros, namentliche Textstile, Pair-kerning und - auffällig: die komplette Oberfläche ist jetzt im 3D-Look.
Um bei den Textverarbeitungen zu bleiben: Compo brachte ein Mini-Update von That's Write in der Version 4.12 mit, mit der Zielsetzung, alle Anwender auf den gleichen Programmstand zu bringen. Federführend ist ja no!Software an der Textverarbeitung, die nun auch einen 1200 dpi Druckertreiber für die Lexmark-Optra-Serie liefert. 1stWord, auch bei Compo erhältlich, liegt in der Version 5 vor, ebenso wie Script bei der Firma Purix. Scripts Vorteil liegt in dem geringen Preis von nur 99 DM. Es bietet neben diskontinuierlichen Blöcken die direkte Benutzung von Speedo- und TrueType-Fonts.
Bei Purix konnte man auch Formula Pro, einen Editor für den Formelsatz, testen. Formula Pro arbeitet mit TeX-Zeichensätzen und stellt auch einen TeX-gerechten Export her. Die normale Ausgabe der erstellten Formeln geschieht per IMG-Bild. Endlich lieferbar ist nun die Adreßverwaltung no|Adress, nachdem man bis zu einem halben Jahr darauf warten mußte. Crazy Bits hat sein Malprogramm PixArt auf die Version 3.2 gebracht und rechtfertigt dies mit einem Farb-Preview mit Kalibrierung für den zu erwartenden Ausdruck. Der Druckertreiber für den Epson Stylus Color befindet sich jetzt auch im Lieferumfang. Für die Online-Hilfe wurde ein Hypertext erstellt (für ST-Guide).
MAXON Computer konnte zwei Tage vor der Messe die Harlekin-95-Version ausliefern. Nachdem sie lange angekündigt war, wurden neben den vorher verschickten Versionen alle mitgebrachten Update-Pakete ausverkauft. Daneben konnte man sich von der ersten Vorversion des Raytracers/Modelers/ Renderers Cinema 4D auf einem Power Macintosh überzeugen lassen.
Leicht erweitert wurde die CD-Recorder-Software von Bernd Lohrum. In der Version 1.08 ist der Yamaha-Recorder integriert worden. Man konnte auch schon einen Blick auf die 2.0 Version werfen, die im Dezember 1995 kostenlos upgedatet werden kann. Inhaltlich ist eine Erweiterung der Recorder-Unterstützung zu erwarten, eine intuitivere Bedienung sowie verbesserte Audiofunktionen. Die Firma Soundpool hat maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen und bietet eben diesen CD-Recorder ebenfalls an. Soundpool hat sich in den letzten Jahren so stark in den Musikbereich gedrängt, daß heute kein Musiker, der mit einem ATARI Musik machen möchte, an Soundpool vorbeikommt. Zum Angebot gehören Audio-Tracker (8-Spur-Harddiskrecording), Wave-Master (Sample-Editor für Cubase Audio, um AIFF- und WAV-Files auf der Platte editieren zu können), Zero-X (ein Sample-Editor) und Audio-Master (ein digitales Schnitt- und Bearbeitungssystem mit Equalizer, Analyzer und Dynamik-Modul). Daneben gibt es jede Menge Hardware.
Application Systems Heidelberg war mit einer der umlagertsten Stände am ganzen Wochenende. Nicht ohne Grund, wie sich schnell herausstellte. Endlich gab es das Multitasking-Betriebssystem MagiC in der Version 4 zu kaufen. MagiC 4 läuft nun auch auf dem Falcon030. Des weiteren wurde die Tabellenkalkulation Texel gezeigt, welche wir bereits in der Ausgabe 12/95 getestet haben. Phönix-Anwender konnten sich die Version 4.1 aushändigen lassen. Ab sofort hat ASH auch den Exklusiv-Vertrieb der BTX-Software ST-Online 4.5. In dieser Version sind High-Speed-Zugänge zum Online-Dienst der Telekom möglich.
Am gegenüberliegenden Stand war ähnlich viel Betrieb, obwohl es dort nur eine einzige Software zu bestaunen gab: NVDI4. Mit im Lieferumfang sind nun Tools für die Font-Einbindung (Fonts anschauen und ausdrucken, bevor sie installiert sind). Die Tools setzen auf MagiC-4-Erweiterungen auf. Werjedoch noch ein altes TOS besitzt, bekommt Systemerweiterungen mitgeliefert, mit denen die Tools ebenfalls benutzt werden können. NVDI 4 unterstützt nun auch den Unicode, der z.B. von Papyrus 4 genutzt werden kann. Einen Stand weiter präsentierten Adequate Systems und DMC das DTP-System Calamus, für das es jetzt ein Feindatenmodul gibt. Damit können in Calamus niedrigaufgelöste Layout-Daten verarbeitet werden. Auf Wunsch werden die hochauflösenden Daten eingelagert und stehen dann jederzeit zur Verfügung. Der Vorteil durch das Feindatenmodul liegt im beschleunigten Bildaufbau und in der Dokumentengröße. Den Kunden wurde auch schon verraten, daß Adequate Systems an einem neuen systemübergreifenden DTP-System arbeitet. Dazu paßt der Cicero Visual Designer glänzend.
Die Firma Cicero präsentierte den Cicero Visual Designer zur absolut portablen Programmerstellung vis-ä-vis am gleichen Stand. Der CVD dient zur Oberflächen- und Grafikprogrammierung auf den Systemen Apple (Mac- OS), ATARI (TOS), Windows NT, Windows 95, OS/2, Unix und Power PC. Selbstverständlich läuft der Cicero Visual Designer auch auf diesen Systemen. ATARI GEM-Programme können somit leicht auf ein anderes System portiert werden.
no|software zeigte das Textretrievel-System Dr.no". Das Programm sucht auf der Festplatte nach Texten, wobei verschiedene Suchparameter genau festgelegt werden. Alle gefundenen Texte werden in einem Index festgehalten. Falls später einmal eine bestimmte Passage gesucht wird, zeigt Dr.no sehr schnell eine Liste mit den entsprechenden Texten an. An Textformaten erkennt Dr.no ASCII, That's Write, WordPlus und CyPress.
Arabesque, ebenfalls von nolsoftware, hat neben der Farbraumverwaltung, der Hilfslinienverwaltung und der Unterstützung des FreeHand-EPS-For-mates auch den pixelorientierten Teil des Programmes langsam mit Leben gefüllt. Arabesque bietet nun den IMG-Import an. Der IMG-Bereich soll, laut Auskunft von nolsoftware, in Zukunft konsequent ausgebaut werden.
Michael Nolte stellte auf der pro-TOS den Besuchern das Multitasking-Betriebssystem Geneva" vor. Es läuft auf allen ATARIs und beinhaltet einen vollständigen AES-Ersatz. Wahlweise läuft Geneva mit oder ohne MiNT und ist demzufolge entweder ein kooperatives oder präemptives Betriebssystem. Als Desktop diente die Version 4 von NeoDesk. NeoDesk bietet Gruppenverwaltung, teilbare Fenster und läuft in allen Auflösungen inkl. Grafikkarten. Interessant ist der 'rettende Mülleimer'. Gelöschte Dateien werden zwar im Originalverzeichnis gelöscht, jedoch anderswo in ein großes Archiv gepackt. Erst dort kann man eine endgültige Löschung vornehmen. Als dritte Software präsentierte Michael Nolte UpTo-Case, ein Programm zur Erstellung von Nassi-Schneidermann-Struktogrammen.
N.AES ist ein neues AES-kompatibel zu AES 4.1. Es verspricht doppelte Geschwindigkeit im Vergleich zu MultiTOS. Die Firma Overscan vertreibt N.AES im Bundle mit N.Thing, ST-Guide und FSelPlus. Als Zielgruppe werden die MultiTOS-User anvisiert oder die Besitzer von älteren TOS-Versionen. Es tritt jedoch nicht als Konkurrenz zu MagiC in Erscheinung.
Team Computer präsentierte den Besuchern das 3D-Programm NeoN". Leider war der Verkauf an ATARI-Versionen bis dato sehr schlecht, was wohl daran liegen mag, daß u.a. die Demo-Version von findigen Leuten doch als Vollversion benutzt werden kann. Team entwickelte jedoch eine OS/2-Version von NeoN, die auf einem Pentium 90-Rechner ca. 50mal schneller rechnet als auf dem Falcon. 1200,- DM sind für die OS/2-Version auf den Tisch zu legen. Eine Demo ist ab Dezember erhältlich. Mehr dazu kann jeder in der Team-Mailbox (0221-4303245) selbst nachlesen. Team bot den Interessenten eine CD mit Animationen, die mit NeoN erstellt wurden.
Der CD-Boom ist ungebrochen: Bernd Lohrum ließ zum Thema CD verlauten, daß die letzten Exemplare seiner drei CDs ausverkauft werden. Sie fanden auf der proTOS sehr guten Absatz. Gleiches hörte man von MAXON, die neben der Demo-CD noch die World-of-ATARI-Games-CD und die PD-CD verkaufen konnten. Fast alle Exemplare waren bereits am Samstag Abend vergriffen. Delta Labs präsentierte druckfrisch die Delta-CD und einen USA-Sampler mit zwei CDs für den ATARI. Kompatibel zum ATARI ist der Gemulator 95 aus dem Hause Compo. Gemulator läuft unter Windows 95 und emuliert das TOS komplett auf Software-Basis. Eine bekannte Hardware-Lösung ist der Janus von VHF. Da gab es auf der proTOS wenig Neues zu entdecken. Janus 020 läuft nun mit 40 MHz, und die neue Treiber-Software erlaubt den Betrieb bis in die True-Color-Auflösung. Overscan präsentierte den Afterburner 040. Der Afterburner wird in den Falcon gesteckt und hat je nach Ausführung einen 68040-oder 68LC040-Prozessor. Ein durchgeführter Slot ist für Erweiterungen wie z.B. ScreenEye gedacht. Ein zusätzlicher 32Bit-Slot bietet sich an, um eine Grafikkarte aufzunehmen. 2 PS2-Sockel für bis zu 64 MB RAM und eine Steigerung der Geschwindigkeit auf das 14fache gegenüber einem Original-Falcon lassen Falcon-User-Augen glänzen. Der Preis für die LC-Version liegt bei 1 298 DM. Um den Afterburner komplett anzuschließen, müssen noch zwei Beinchen auf dem Falcon-Board durchgeknipst und zusätzlich neun Leitungen angelötet werden. Durch die Bauhöhe bedingt, kann die Tastatur nicht mehr verwendet werden, und ein neues Gehäuse dürfte dem Afterburner-Kauf recht schnell folgen.
MW zeigte die bekannte Medusa T40, für die nun die Grafikkarte Mach 64 mit l, 2 oder 4 MB VRAM erhältlich ist. Linux mit X-Windows läuft seit kurzem ebenfalls auf der T40. Ein Prozessor-Upgrade auf den 68060-Prozessor durch einfaches Stecken kostet den Käufer ca. 1500,- DM.
Die wirkliche Neuheit auf der Messe war jedoch der Hades". Ein TOS-kompatibler Rechner mit 68040-Prozessor und allen 'ATARI-Schnittstellen' (außer dem ACSI-Port). SCSI und EIDE sind on Board. Bis zu 256 MB RAM (8 x PS2) und 4 PCI-Slots sollen den ATARI-Fan ab März 1996 erfreuen. Der anvisierte Preis liegt bei ca. 3400,- DM. Die Firma Carasys präsentierte mehrmals am Tag den Hades in Aktion.
C-Lab zeigte die Falcon-Weiterentwicklung MKII in bekannter MIDI-multitrack-Audio-Verbindung, vornehmlich für den Cubase-Audio-16-Einsatz. Daneben konnte man jedoch schon das Gehäuse sowie eine Designstudie vom neuen MK X sehen. Dieser wird mit professionellen Audio-Klinkenbuchsen und einem Tastatur-Interface für PC-Tastaturen ausgeliefert. Daneben bietet der Falcon MK X mit seinem neuen Desktop-Gehäuse die Möglichkeit, eine weitere 3,5"-Festplatte oder eine 5,25"-Wechselplatte einzubauen. Eine Variante im 19"-Rack-Gehäuse ist ebenfalls in Vorbereitung. Wie wir erfahren konnten, will sich C-Lab zukünftig auch um die Weiterentwicklung des TOS kümmern. Es fanden schon einige Gespräche mit bekannten Entwicklern statt. Auch BlowUP steigt intensiver in den Musikmarkt ein. Mit dem Jam 8 stellt die Firma einen 8-Kanal-Audio-Expander für den Falcon vor. Jam 8 stellt acht analoge Einzelausgänge zur Verfügung, die mit hochwertigen Digital/Analogwandlern ausgestattet sind. Das Besondere am Jam 8 ist allerdings, daß alle Ausgänge über symmetrische 6,3 mm Stereo-Klinkenbuchsen verfügen und sich somit für den professionellen Einsatz eignen. Jam 8 wird an den DSP-Port angeschlossen. Damit auch weiterhin ein S/PDIF-Inter-face verwendet werden kann, ist der DSP-Port durchgeführt. Der kleine Bruder, Jam 2, ist mit Jam 8 indentisch, bietet allerdings nur 2 statt 8 Ausgänge.
Crazy Bits zeigten den FotoFun-Drucker (siehe Test in ST-Computer 12/ 95) im Einsatz, für den es demnächst Calamus-Treiber gibt. Das ArtPad 2, Nachfolger vom legendären ArtPad, hat als Weiterentwicklung einen eingebauten Radiergummi". Der Stift wird einfach umgedreht und funktioniert sofort als Radiergummiwerkzeug. Als weiteres Eingabegerät war der Paragon-Scanner zu sehen. Ein Flachbett-Scanner mit SCSI-Anschluß und Ansteuerung per GDPS.
Auch Apple war mit einem großen Stand vertreten und fand reges Interesse.
Woller & Link, bekannt durch die DCF77-Funkuhren, boten neue Jaguar-Sticks an. Die Sticks zeichneten sich durch ihre Größe und 12 stabile Funktionstasten aus (Pagedown verkaufte die Jaguars für 189- DM!). Kurz vor Auslieferung stehen auch die seriellen Adapter, mit denen man die Funkuhren nicht wie gewohnt an den Joystick-Port, sondern an eine serielle Schnittstelle anschließen kann. Die Firma Cameron zeigte einen 64-Graustufen-Hand-Scan-ner und 300-/600-dpi-Farb-Flachbett-Scanner. Der Anschluß erfolgt wie gewohnt über den ROM-Port.
Selbstverständlich waren auch alle bekannten Magazine vertreten. Der Falke-Verlag präsentiert die ATARI-Inside, der PSH-Medienvertrieb die ST-Computer & MacOPEN und der Invers Media Verlag die Invers. Beim PSH-Medienvertrieb klärten sich die Verwirrungen einiger Messe-Besucher auf, die vorher noch angenommen hatten, daß die ST-Computer eingestellt worden sei. Lediglich durch Umstellungen beim Zeitungsverteiler entstanden einige erteilungsprobleme. Die Invers ist ein monatliches Magazin für Typographie und Gestaltung. Es ist systemübergreifend und wendet sich an Calamus-, Photoshop-, VivaPress-User und alle anderen, die praxisorientiert über Arbeitsweisen informiert werden wollen. Für viele ist besonders das experimentelle Schriftforum interessant. Ab Januar gibt es die Invers an jedem Kiosk, und zusätzlich zum Heft gibt es Disketten, auf denen Calamus-Module und diverse Tools rund um Calamus angeboten werden. Die Module sind größtenteils exklusiv bei Invers Media erhältlich.
Nach der überaus großen Resonanz im Vergleich zum Vorjahr darf man fast davon ausgehen, daß sich dieses Spektakel 1996 wiederholen wird. Zwar herrschte an diversen Ecken mehr das Flohmarkt-Flair als ein Messetreiben, jedoch dürften fast alle Händler mit einem Plus nach Hause gegangen sein. Für den ATARI-Anwender gab es eine Menge zu sehen und vor allen Dingen zu kaufen. Bleibt als Fazit nur zu sagen, daß die Szene nach wie vor lebt!
JH