Kleiner Zahlenakrobat: Tabellenkalkulation TEXEL

Das Thema ATARI und Tabellenkalkulation sorgt von jeher für vielfältigen Diskussionsstoff. Zwar existierten seit 1985, dem Geburtsjahr des ST, einige Tabellenkalkulationen, die jedoch zu keinem Zeitpunkt die gleiche Bedeutung wie die zahlreichen Textverarbeitungen erlangen konnten. Mit TEXEL könnte es allerdings dem Distributor ASH gelingen, endlich den Durchbruch auf dem ATARI-Markt zu schaffen.

Wirft man einen Blick auf die benachbarten PC- und Macintosh-Welten, ist es eigentlich verwunderlich, daß Tabellenkalkulationen auf dem ATARI bisher lediglich ein kümmerliches Schattendasein fristen. Dort rangieren Tabellenkalkulationen neben Textverarbeitungen und Datenbanken auf den ersten drei Plätzen in der Anwendergunst, während Tabellenkalkulationen auf dem ATARI auf den letzten Plätzen zu finden sind. Die Gründe für diese Entwicklung sind aber sicherlich vielschichtig. Zum einen ist eine Tabellenkalkulation natürlich eine typische Büroanwendung, die in kaufmännischen Bereichen zur Kalkulation von Kosten- und Erlösstrukturen dient. Nun ist seit Anbeginn der elektronischen Datenverarbeitung der kommerzielle Firmenbereich eine Domäne der Windows-Rechner. Selbst Macintosh-Rechner konnten sich bei kaufmännischen Anwendungen nie so richtig durchsetzen. Zum anderen findet man aber auch zahlreiche Gründe bei den ATARI-Programmen. Das begann schon bei der unsauberen Programmierung, die den weiteren Einsatz auf ATARI-Rechnern der neueren Generation oftmals verwehrte. Zudem ließ sich der Großteil der Applikationen nur wenig komfortabel bedienen. Anstatt sich an gängigen Standards zu orientieren, hat jeder Programmierer sein eigenes Süppchen gekocht. Das hat den Niedergang dieser Software-Spezies eher noch verstärkt. Dabei sind Tabellenkalkulationen recht nützliche Programme, die von jedermann gebraucht und genutzt werden können. Im großen Computer-Lexikon aus dem Markt & Technik Verlag wird die Funktionsweise einer Tabellenkalkulation wie folgt definiert: „Es ist ein Anwendungsprogramm, das als Benutzeroberfläche aus einer Art Rechenblatt mit einer bestimmten Anzahl von Zeilen und Spalten besteht. Solche Kalkulationsprogramme werden häufig dann eingesetzt, wenn oft wiederkehrende Berechnungen schnell und zuverlässig durchgeführt werden sollen." In der diesjährigen April-Ausgabe haben wir Ihnen bereits die Tabellenkalkulation ABACUS vorgestellt, die in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis neue Maßstäbe gesetzt hat. TEXEL will nun diese Entwicklung fortsetzen und zeigen, daß man für professionelle Kalkulationen nicht nur auf Excel oder Lotus angewiesen ist.

Ansichtsfreude: Zeilen und Spalten können den jeweiligen Erfordernissen entsprechend formatiert und layoutet werden.

Voraussetzungen

ASH definiert TEXEL als Publishing-und Tabellenkalkulationsprogramm, mit dem man umfangreiche Berechnungen durchführen, Angebote erstellen, Haushaltsbücher führen sowie Präsentationen oder wissenschaftliche Auswertungen vornehmen kann. So kann man TEXEL in jeder Beziehung als durchdachtes und professionelles Programmpaket bezeichnen. Das beginnt bereits beim rund 63 Seiten umfassenden Handbuch, in dem alle Funktionen ausführlich beschrieben werden. Der Handbuchautor schlägt hierbei einen recht lockeren und aufmunternden Sprachstil an, der die zeitweise doch recht trockene Materie erfolgreich vermittelt. Das Handbuch ist aber nicht die einzige Hilfestellung bei Problemen. Wenn man beispielsweise auf ein unbekanntes Icon mit der Maus zeigt und die rechte Maustaste anklickt, öffnet sich eine kleine Sprechblase mit einer kurzen Information. Eine umfangreichere Online-Hilfe steht in Form eines ST-Guide-kompatiblen Hypertexts zur Verfügung, wobei die Programmierer gleich mitgedacht haben und ST-Guide auf der Installationsdiskette mitliefern. Richtig Freude bereitet TEXEL allerdings auf einem Falcon030 nur mit installiertem NVDI.

Excel-like: Werkzeugleiste und Funktionsleiste für den schnellen Zugriff auf einzelne Funktionen

Das Programm benötigt rund 1,5 MB freies RAM sowie eine Bildschirmauflösung ab 640400 Pixeln. Empfehlenswert sind allerdings ein Einsatz unter TOS 2.06 mit NVDI ab Version 3.02 sowie 2 MB freies RAM. Grafikerweiterungen wie BlowUp oder Screenblaster II werden einwandfrei unterstützt, was auch Sinn macht. Eine Tabellenkalkulation sollte man grundsätzlich mit einer erhöhten Bildschirmauflösung von 800608 Pixeln betreiben, da nur so ein umfassender Blick auf die Arbeitsblätter ermöglicht wird, was dem Informationsgehalt und der Übersichtlichkeit zugute kommt. TEXEL arbeitet ebenfalls einwandfrei unter MagiCMac und unterstützt auch die langen Dateinamen des Mac-HFS. ASH geht aber noch einen Schritt weiter und fügt der Installationsdiskette einige nützliche Utilities bei. Stellvertretend möchte ich hier SENF nennen, einen Environment-Setzer, der verschiedene HOME-Verzeichnisse für die *.INF-Dateien unterstützt.

Das Arbeitsblatt

Nach dem Programmstart zeigt TEXEL zunächst eine leere Arbeitsoberfläche mit einer eigentlich recht kleinen Menüleiste an. Die Menüleiste bietet alle notwendigen Dateioperationen wie Speichern oder Laden, Funktionen zum Bearbeiten wie Einfügen oder Ausschneiden, eine Funktion für globale Einstellungen sowie die Online-Hilfe an. Im ersten Augenblick dürfte man etwas überrascht sein, hat man doch wesentlich mehr Funktionen erwartet. Das Rätsel wird allerdings schnell aufgeklärt. Sobald man ein Arbeitsblatt öffnet, kommen alle weiteren Funktionen zum Vorschein. TEXEL unterscheidet streng zwischen lokalen und globalen Einstellungen, was insbesondere beim Arbeiten mit zwei oder mehreren Arbeitsblättern sinnvoll erscheint. Doch hoppla! Der Aufbau eines Arbeitsblattes kommt einem seltsam vertraut vor. Und auch dieses Rätsel wird schnell geklärt. Offensichtlich haben sich die Programmierer von Standardprogrammen wie Excel inspirieren lassen, so ähnlich wirkt die Arbeitsoberfläche im ersten Augenblick. Doch hat dies auch seine Vorteile. Wer bereits mit Programmen wie Excel gearbeitet hat, wird sich relativ schnell der Bedienung von TEXEL zurechtfinden. Absolut Excel-like ist die Werkzeugleiste in der oberen Hälfte des Arbeitsblattes. Über kleine Icons erreicht man Funktionen wie Sichern, Drucken, Kopieren, Summenbildung, Textausrichtung, Textformatierung oder Sortierung. Unterhalb der Werkzeugleiste befindet sich eine Funktionsleiste zur Auswahl des Zeichensatzes und der Font-Größe, zur Definition des Auto-Cursors sowie zur Festlegung der Rahmen, der Muster, der Textfarben, der Zellfarben und der Zoom-Größe. Das Rechenblatt selbst ist zweidimensional aufgebaut und wird mit numerierten Zeilen von 1 bis 16.384 sowie mit Spalten von A bis ZZ beschrieben.

Funktionen: TEXEL überzeugt insbesondere durch seine Vielfalt an mathematischen und statistischen Rechenfunktionen.

Eingaben

# Mathematische und statistische Funktionen von TEXEL

Operatoren:
+i -f >/i =; >i =, <=» <>

Statistische Funktionen:
Mittelwert, GeoMittel, HarMittel, QuadMittel, GleichVert, StdNormVert, ExpVert, Varianz, VarianzN, StdAbw, StdAbwN, MittelAbw, SumQuadAbw, Min, Max

Datums- und Zeitfunktionen:
Stunde, Minute, Sekunde, Jahr, Monat, Tag, Wochentag, Datum, Zeit, Ostern, Tage, Heute, letzt

Trigonometrische Funktionen:
Sin, Cos, Tau, Sec, Cosec, Cot, Sinh, Cosh, Tanh, Coth, Arcsin, Arccos, Arctan, Arctan2, Arccot, Arsinh, Arcosh, Artanh, Arcoth, Grad, Rad

Rundungsfunktionen:
Nachkomma, NRunden, Int, Runden

Potenzen, Logarithmen und Wurzeln:
Exp, Ln, Log, Lg, Lb, Quadrat, QWurzel, Wurzel

Finanzmathematische Funktionen:
LiA, ADA, GDA, DigA, DDA, RMZ

Aussagenlogik:
Wenn, Nicht, Und, Oder

Sonstige Funktionen:
Summe, Produkt, Balmer-Funktion, IstGerade, IstUngerade, IstFehler, IstLeer, IstText, IstZahl, Div, Mod, Fakt, Sgn, Abs, Zuf, Zufall

Vordefinierte Konstanten:
sekl, mini, stdl, Vm, Falsch, False, Pi, R, Trne, Wahr, c, e, g, h, u

Die gute und saubere Einbindung ins GEM garantiert systemweit ein standardisiertes Verhalten in bezug auf Tastaturkürzel oderauch Klemmbrett. Vektor-Fonts mit Speedo- oder True-Type-Schriften werden ebenso unterstützt wie das Iconify einzelner Fenster. Lokale Menüs in den Fenstern sorgen dafür, daß Einstellungen für das Seitenformat oder Zellen- und Spaltendefinitionen lokal wirken. TEXEL wurde sogar so komfortabel ausgerüstet, daß Einstellungen über einen Setzen-Button aktiviert werden, ohne das Dialogfenster explizit zu schließen. Zudem lassen sich im Hintergrund liegende Fenster ebenfalls steuern. So ist es fast überflüssig zu erwähnen, daß sich einzelne Zellen mittels Drag & Drop kopieren und verschieben lassen. Eine Mehrzahl von Zellen läßt sich durch Aufziehen eines Gummibandes mit der Maus oder durch manuelle Eingabe des Zellbereichs im Cursorbutton-Dialog selektieren. Durch letztere Möglichkeit wird also eine beliebige Zelle unter anderem eindeutig definiert. In einzelne Zellen können Zahlen, Formeln oder Texte eingegeben werden, wobei TEXEL relative und absolute Zellbezüge erlaubt. Der Übersichtlichkeit halber habe ich alle mathematischen und statistischen Funktionen in einer separaten Tabelle aufgeführt. Eingegeben werden Zahlen, Texte oder Formeln in einer Eingabezeile unterhalb der Werkzeug-und Funktionsleiste. Anklicken eines grünen Hakens neben der Eingabezeile bewirkt die Übernahme des Eingabefeldes, das Anklicken des roten Kreuzes hingegen verwirft die Eingabe.

Außenwelt

Eine überaus wichtige und im täglichen Leben nicht zu unterschätzende Funktion ist die Möglichkeit zum Datenaustausch. Diese Frage stellt sich auf alle Fälle dann, wenn im Büro ein PC mit Excel oder Lotus steht und man die erstellten Arbeitsblätter daheim am Wochenende weiterbearbeiten möchte. Betrachten wir uns deswegen zunächst die Import-Schnittstelle, die in der uns derzeit vorliegenden Version folgende Formate unterstützt: LDW, DIF, CSV, ASCII und Klemmbrett. Formate für Lotus, Excel und SYLK sind bereits vorgesehen, allerdings noch nicht implementiert. Ähnliches gilt für die Export-Seite: DIF, CSV, ASCII sowie Text, LaTeX und bereits SYLK werden unterstützt, der Datenaustausch mit Excel oder Lotus ist aber auch hier noch nicht möglich. Eigentlich etwas schade, denn der Umweg über SYLK oder DIF ist zum Datenaustausch mit Excel oder Lotus mit vielen Einschränkungen verbunden.

Gestaltung: Die Gestaltungsmöglichkeiten erheben TEXEL beinahe in den Rang eines einfachen Publishing-Programms.

Gestaltung

TEXEL ermöglicht eine nahezu freie Gestaltung des Ausdrucks eines Arbeitsblattes. Hierzu gehört die Definition von Kopf- und Fußzeilen ebenso wie der Einsatz von Platzhaltern für Datum oder Pfadangabe. Vor dem eigentlichen Ausdruck kann man sich die Seite in einer Detailansicht darstellen lassen, um einen ungefähren Eindruck vom späteren Druckerzeugnis zu erhalten. Die Druckfunktion ist hierbei so flexibel, daß die Darstellungsgröße variiert werden kann. Damit lassen sich beispielsweise DIN-A4-Tabellen auf DIN-A5-Blättern ausgeben. An dieser Stelle sollte man dann auch noch die vielfältigen Formate erwähnen, denn nicht umsonst bezeichnen die Programmierer TEXEL auch als Publishingsoftware. Das bezieht sich zum einen natürlich auch auf die Font-Auswahl. Sofern ein externer Font-Selektor installiert ist, wird dieser bevorzugt aufgerufen, und zwar in der Reihenfolge xFSL4, MagiC-Font-Selector und UFSL. TEXEL unterstützt dabei auch nichtmodale Font-Selektoren. Zum anderen bezieht sich obige Programmbeschreibung auch auf die zahlreichen Textattribute wie Texteffekte, Textausrichtung sowie Textrotation und Schrägstellung. Damit kann man richtig pep-pige Darstellungsformen erzielen. Last but not least sollten auch noch die Möglichkeiten der Zahlenformatierung angesprochen werden. TEXEL verwaltetgetrennte Formate für Zahlen, Uhrzeit, Datum, Wissenschaft oder auch Währung.

Fazit

ln der mir vorliegenden Version 1.01 vom 28.09.95 hinterließ TEXEL einen absolut positiven Eindruck, der durch die saubere GEM-Einbindung und die Betriebssicherheit gestützt wird. Meine Aussage im April-Heft über ABACUS muß ich der Fairneß halber aber auch

hier wiederholen: Selbst TEXEL kann man nicht mit Profiwerkzeugen wie Lotus oder Excel vergleichen. Hier liegen noch Welten dazwischen, was allein durch die fehlenden Grafikfunktionen verständlich wird. Dennoch haben die Programmierer von ASH für den günstigen Preis von 149,- DM ein kleines Meisterwerk geschaffen, das gebührend gewürdigt werden sollte. Bleibt zu hoffen, daß TEXEL möglichst lange bestehen bleibt und noch für manchen Funktionszuwachs sorgt.

RW

Bezugsquelle:

Application Systems Heideiberg Software GmbH Postfach 10 26 46 69016 Heldelberg

Texel

Positiv:

leistungsfähige Tabellenkalkulation
hohe Funktionsvielfalt
hervorragende GEM-Einbindung
läuft auch unter MagiCMac
umfangreiche Online-Hilfe
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Negativ:

keine Grafikfunktionen
derzeit noch wenige Export- und Importformate



Aus: ST-Computer 12 / 1995, Seite 22

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