Ein alter Bekannter, der Gemulator, präsentiert sich in neuem Gewand. Wie der Zusatz „95“ schon andeutet, ist die aktuelle Version an Windows 95 angepaßt. Doch mit Hilfe der Erweiterung Win32s kann man den Gemulator auch unter Windows 3.1 bzw. 3.11 betreiben.
Der Gemulator ist ein Software-Emulator. Sämtliche Befehle für die 68000-CPU des ATARI werden also von der CPU des PC nachgebildet. Der Datenaustausch mit emulierter ATARI-Hardware wie etwa dem Videosystem muß vom GEMulator abgefangen und auf PC-Hardware abgebildet werden. Eine ISA-Steckkarte wird trotzdem benötigt, um die ROMs des TOS 2.06 in den PC einzupflanzen. Auf dieser Steckkarte ist auch noch Platz für weitere TOS-Versionen und notfalls können mehrere Karten benutzt werden.
Die Performance der ATARI-Emulation hängt beim Gemulator ganz wesentlich von der Leistung des Wirt-PCs ab. Dieser Test wurde auf einem 486DX2-66 durchgeführt, der durch ein schnelles PCI-System unterstützt wird. Mit einem Pentium-System lassen sich sicher noch bessere Ergebnisse erzielen, während der Einsatz alter ISA-Systeme und schwächerer Prozessoren den Gemulator ziemlich ausbremsen dürften.
Der ATARI-Bildschirm wird in einem eigenen Fenster auf der Windows-Oberfläche dargestellt. ATARI- und Windows-Software lassen sich so bequem parallel nutzen. Die Tastatur eines ATARI wird mit Hilfe der Sondertasten derPC-Tastatur nachgebildet. Die Maus wird zwischen ATARI- und Windows-Oberfläche umgeschaltet. Das Ergebnis ist eine saubere und gut handhabbare Integration der ATARI-Welt in die des PC.
Wie schon die Vorgängerversion [1] bietet der Gemulator 95 viele Optionen, die nun in einer übersichtlichen Dialogbox konfiguriert werden können. In der aktuellen Version lassen sich ein ST oder ein STe emulieren, die Option TT030/Falcon ist noch nicht anwählbar. Verschiedene Hardware-Komponenten wie Blitter, Soundhardware und natürlich die Größe des Hauptspeichers lassen sich hier einstellen.
Eine große Zahl von Optionen beeinflußt die Grafikdarstellung. Grundsätzlich besteht die Auswahl zwischen Schwarzweiß- und Farbdarstellung, wobei der Gemulator in der jeweiligen ST-Auflösung bootet und mit einem Autoordnerprogramm höhere Auflösungen ausgewählt werden können, bis hin zu 1600 x 1200 Punkten. Sehr unpraktisch an diesem Programm ist, daß es bei jedem Booten auf einen Tastendruck wartet. Besser wäre, wenn es nach einer gewissen Zeit einen Default auswählen und den Boot-Vorgang fortsetzen würde und wenn man den Default beispielsweise mit einem CPX-Modul auswählen könnte. Da der Sourcecode des Auswahlprogramms auf der Gemulator-Originaldiskette als Demo für die Kommunikation zwischen ATARI-Programmen und dem Emulator mitgeliefert wird, besteht für einen versierten Programmierer die Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen.
Einige weitere Optionen des Emulators dienen dazu, die Grafikperformance zu optimieren. Sie liegt bei Schwarzweißmodi 10 % über der eines ATARI TT, wenn man beim Gemulator den Blitter einschaltet und das mitgelieferte Beschleunigungsprogramm Quick-GEM benutzt. Bei Darstellung von 16 Farben werden noch 95 % im Vergleich zum TT erreicht. In diesem Modus ruckelt der Bildschirmaufbau ziemlich. Durch den Einsatz von NVDI 3.01 läßt sich die Grafikdarstellung beschleunigen. Der Schwarzweißmodus wird um 80 % schneller, bei 16 Farben sind es 17 %. NVDI ist außerdem empfehlenswert, weil es ein weiteres Problem des Gemulators umgeht. Der Gemulator verwendet bei der Farbdarstellung immer den 88-Font der ST-Low-Auflösung. Mit NVDI wird der 816-Font benutzt. Im Test ließ sich kaum eine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Windows-Bildschirmmodi mit 256 Farben und HiColour-Modi mit 65535 Farben feststellen. Die Werte beziehen sich übrigens auf eine SPEA Mirage P-64 PCI-Grafikkarte.
Die unter DOS angemeldeten Partitionen einschließlich spezieller Kandidaten wie komprimierter Partitionen, CD-ROMs oder Netzlaufwerke stehen in der ATARI-Emulation zur Verfügung. Dies ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der Vorgängerversion. Die virtuellen Laufwerke aus früheren Tagen können in einem speziellen Modus weiterbenutzt werden. Weggefallen ist leider die Möglichkeit, ATARI-und PC-Laufwerke frei zuordnen zu können.
Während des Tests trat immer wieder das Problem auf, daß sich plötzlich die Laufwerke nicht mehr ansprechen ließen. Für den emulierten ATARI waren sie angeblich leer, obwohl dort in Wirklichkeit Dateien gespeichert waren. Nach einem Neustart des Gemulators wurden sie allerdings wieder gefunden.
Benchmarks Gemulator V4.06 (Windows 3.1, TOS 2.06, Blitter
Quickindex 2.1, Referenz: TT
Beschleuniger Auflösung |
QuickGEM ST-Hoch |
NVDI ST-Hoch |
QuickGEM TT-Mittel |
NVDI TT-Mittel |
---|---|---|---|---|
CPU memory | 209 | 216 | 195 | 205 |
CPU register | 69 | 68 | 64 | 64 |
CPU devide | 233 | 231 | 187 | 185 |
CPU shifts | 92 | 89 | 69 | 69 |
TOS text | 572 | 339 | 632 | 245 |
TOS string | 1522 | 1086 | 535 | 252 |
TOS scroll | 225 | 189 | 17 | 48 |
GEM dialog | 261 | 322 | 138 | 94 |
GEM Bench 3, Referenz: TT
Beschleuniger Auflösung |
QuickGEM ST-Hoch |
NVDI ST-Hoch |
QuickGEM TT-Mittel |
NVDI TT-Mittel |
---|---|---|---|---|
RAM Access | 92 | 104 | 88 | 90 |
ROM Access | 79 | 78 | 79 | 78 |
Display < | 120 | 214 | 53 | 62 |
Eine serielle und eine parallele Schnittstelle werden emuliert. Sie können jeweils einer entsprechenden PC-Schnittstelle zugeordnet werden .Baud-Raten bis 115.200 Bit/s stehen zur Verfügung, wenn man auf inzwischen überholte Baud-Raten wie 110 Bit/s verzichtet und diese mit einer speziellen Option zu hohen Raten umdefiniert [2]. Wegen einer Inkompatibilität in der Win32s-Erweiterung lassen sich die seriellen Schnittstellen unter Windows 3.1x leider nicht benutzen.
Probleme gab es außerdem m it dem Soundsystem. Weder über den ST-Sound noch über den Stereo-Sound waren dem Gemulator Töne zu entlocken, die eigentlich über das Windows-Soundsystem zur Soundkarte transferiert werden sollten.
Die Einbindung des ATARIs in die Windows-Oberfläche bietet neue Möglichkeiten bei der parallelen Nutzung beider Systeme. Der Gemulator kann sogar Windows-Anwendungen aus der ATARI-Emulation heraus starten. Die vielfältigen Optionen und die Nutzung der Windows-Schnittstellen ermöglichen die Anpassung des Gemulators an unterschiedliche Anwenderwünsche und Systemanforderungen. Die Performance reicht mit einem modernen PCI-Computersystem aus, um Anwendungsprogramme komfortabel benutzen zu können. Bei rechenintensiven Vorgängen und bei Farbdarstellung treten aber Wartezeiten auf, die stören können.
Die Leistungsfähigkeit dieses Produkts läßt sich in Zukunft sicher noch verbessern, wenn die Emulation über spezielle Treiber die Hardware des Wirt-PCs besser ausnutzt. Als spezielle Kandidaten wären hier ein Grafikkartentreiber und ein HSMODEM-kompatibler Treiber für die seriellen Schnittstellen zu nennen.
COMPO hat ein kostenloses Update angekündigt, das bis zum Erscheinen dieser Ausgabe bereits an registrierte Benutzer ausgeliefert werden soll. In diesem Update sollen eine Reihe von Fehlern behoben sein.
Der technische Support von Microsoft konnte übrigens auf Anfrage keine offizielle Bezugsquelle für die Win32s-Erweiterung zu Windows 3.1x nennen. Wer den Gemulator damit einsetzen möchte, sollte daher gleich beim Kauf danach fragen.
Und dann kam es doch noch - Windows 95. Der Gemulator läuft darunter wie unter Windows 3.1x, da sich die Einbindung in die PC-Umgebung nicht ändert und die Performance in etwa gleich bleibt. Wir haben deshalb auf den Abdruck der Windows-95-Benchmarks verzichtet. Die Verständigung zwischen beiden Systemen klappt aber besser, mit Windows 95 lassen sich die seriellen Schnittstellen benutzen und das lästige Problem mit den angeblich leeren Verzeichnissen trat nicht mehr auf. Sound war dem Gemulator aber immer noch nicht zu entlocken.
Preise:
349- DM
399- DM inkl. TOS 2.06 90- DM (Upgrade vom Gemulator 3.x)
Literatur:
[1] Gabriel Schmidt: „ATARI-Emulationen für IBM-kompatlble PC“, ST-Computer 5/1995
[2] „Tips und Tricks zum GEMulator 95“, ST-Computer 11/1995
Bezugsquelle: COMPO Software Vaalser Str. 540 52074 Aachen