aixTT: Mehr Speicher für den TT

Zweifellos kann man einen ATARI selbst dann noch recht gut einsetzen, wenn er mit nur 4 MB Hauptspeicher ausgestattet ist. Wer jedoch speicherhungrige Anwendungen benutzt oder komfortabel im Multitasking-Betrieb arbeiten will, kommt um eine Speichererweiterung kaum herum. Auch das Unix-kompatible Betriebssystem Linux ist eine typische Anwendung, die nach mehr Speicher schreit. Beim ATARI TT gibt es die Möglichkeit, entweder das ST-kompatible RAM oder das TT-RAM auszubauen.

Ab Werk ausgeliefert wurden TTs mit 2, 4, 2+4 oder 4+4 MB Hauptspeicher. „+4" bedeutet, daß diese TTs nicht nur mit ST-kompatiblen RAM, sondern zusätzlich mit dem je nach Anwendung bis zu 50% schnelleren TT-RAM ausgerüstet sind.

Zwei Sorten RAM

Wie läßt sich ein solcher Geschwindigkeitsunterschied erklären? Das ST-kompatible RAM zeichnet sich dadurch aus, daß alle Systemkomponenten des ATARI TT uneingeschränkt auf diesen Speicherbereich zugreifen können. Die Folge ist, daß der Prozessor und die Videologik ihre Zugriffe auf das ST-RAM miteinander abstimmen müssen, damit es nicht zu Kollisionen kommt. Der 68030-Prozessor kann nur dann auf den Adreßbereich des ST-kompatiblen RAM zugreifen, wenn die Videologik ihm Zeit dafür läßt. Dies führt dazu, daß der 68030 diesen Speicher nicht mit der maximalen Geschwindigkeit ansprechen kann. Beim Falcon030 ist die Situation übrigens ähnlich. Daß der Prozessor durch Videozugriffe gebremst wird, zeigt sich deutlich, wenn man die Bildschirmauflösung beim Falcon erhöht: Die Rechenleistung sinktdann spürbar. Schaltet man hingegen mit speziellen Bildschirmschonern den Videoteil des Falcon vollständig ab, läßt sich ein Zuwachs an Geschwindigkeit feststellen. In der Praxis macht dieses Vorgehen natürlich nur bedingt Sinn, da man nur bei wenigen Anwendungen auf die Bildschirmdarstellung verzichten kann.

TT-RAM bevorzugt

Um eine Abhängigkeit der Rechenleistung von der Bildschirmauflösung zu vermeiden, bietet es sich an, einen speziellen RAM-Bereich vorzusehen, der nur für den Prozessor und ausgewählte Peripheriebausteine zugänglich ist. Beim TT-RAM handelt es sich um einen solchen Speicherbereich. ST- kompatible Peripherie, wozu insbesondere die Videologik und Geräte am DMA-Bus (ACSI) zählen, haben keine Möglichkeit, direkt auf dieses RAM zuzugreifen. Der Prozessor hat hier also freie Bahn und so erklärt sich der Geschwindigkeitsgewinn bei Anwendungen, die im TT-RAM ablaufen.

Wer zusätzlichen Speicher in seinen TT einbaut, wird also in der Regel kein ST-kompatibles RAM nachrüsten, sondern das schnellere TT-RAM bevorzugen. Lediglich in Sonderfällen macht eine Aufrüstung des ST-RAM Sinn. Für einen TT mit nur 2 MB ST-RAM und einen SLM804- oder SLM605-Laserdrucker benötigt man u.U. zusätzliches ST-RAM, weil die ATARI-Laserdrucker kein eigenes RAM besitzen und daher das ST-RAM mitbenutzen müssen. Das ST-kompatible RAM kann auf bis zu 10 MB ausgebaut werden.

Bei TTs, die nicht von vornherein mit TT-RAM ausgestattet sind, lassen sich Speicherbausteine in Form der heute üblichen SIMMs nicht einsetzen, da auf dem Mainboard des TT keine geeigneten Steckplätze vorhanden sind. Man benötigt daher in jedem Fall eine Speicherkarte. Von ATARI existieren Karten, die eine Erweiterung des TT-RAM auf 4 oder 16 MB erlauben. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß es nicht ohne weiteres möglich ist, einen ab Werk mit 4 MB TT-RAM bestückten TT durch Austauschen von SIMMs auf 16 MB Speicher zu erweitern. Diese so einfach erscheinende Lösung scheitert oft daran, daß die vorhandenen 4 MB Speicher auf die Speicherkarte aufgelötet wurden oder daß die verwendete RAM-Karte nicht ohne Hardware-Modifikationen dazu gebracht werden kann, andere als die bereits vorhandenen SIMMs zu akzeptieren.

Unterm Strich heißt das also, daß für viele, die keine RAM-Karte eines Drittanbieters besitzen, der Einbau oder die Aufstockung des Speichers nicht gangbar ist. Seit GE-Soft mit der Mighty Sonic die erste Karte auf den Markt brachte, die eine vernünftige Aufrüstung des TT-RAM ermöglichte, gab es daher eine ganze Reihe weiterer Speicherkarten für den TT, von denen einige bereits wiedervom Markt verschwunden sind.

Neuer Wind

Neu zu haben ist nun die aixTT von Heyerund Neumann. Diese Karte unterscheidet sich von den bisherigen Speichererweiterungen für den TT dadurch, daß auf ihr PS/2-SIMMs zum Einsatz kommen, die die handelsüblichen SIMMs zunehmend verdrängen und auch in IBM-kompatiblen PCs Verwendung finden. Je nach Ausführung bietet ein PS/2 SIMM zur Zeit 4, 16 oder 32 MB Kapazität. Die aixTT kann mit ein oder zwei solcher SIMMs bestückt werden und erlaubt somit bei kleinen Ausmaßen eine Aufrüstung des TT-RAM auf insgesamt 64 MB. Beide RAM-Bänke können unterschiedlich bestückt werden. Der Speicherausbau wird von der Karte automatisch erkannt, so daß es nicht notwendig ist, beim Ändern der Konfiguration irgendwelche Jumper zu setzen. Wenn sich auf der Karte dennoch Jumper befinden (s. Abbildung), liegt das daran, daß sich die Geschwindigkeit des RAM-Zugriffs mit ihnen senken läßt, um der Hardware mancher TTs älteren Datums gerecht zu werden, die Probleme beim schnellen Zugriff auf das TT-RAM haben. Obwohl für diesen Test ein solcher betagter TT verwendet wurde, gab es jedoch keine Fehler beim RAM-Zugriff und man darf davon ausgehen, daß die Möglichkeit zur Herabsetzung der Geschwindigkeit beim Speicherzugriff in erster Linie eine Vorsichtsmaßnahme von Heyer und Neumann darstellt, die in der Praxis nur selten von Bedeutung sein dürfte. Somit beschränkt sich der Einbau der Karte in den TT darauf, sie im vorgesehenen Steckplatz in der Nähe des Netzteils zu plazieren.

Automatik mit Tücken

So praktisch die automatische Erkennung der Bestückung bei der aixTT auch sein mag, bereitete diese in der Praxis Probleme. So wurde unter TOS, MagiC und Linux ein Speicherausbau von 16 und 32 MB korrekt erkannt, nicht dagegen vom UniSoft System V, Release 4. (Zur Erinnerung: Dabei handelt es sich um ein im Auftrag von ATARI entwickeltes Unix für den TT, das nur an Entwickler ausgeliefert wurde.) Hier ging das Betriebssystem bei einer Bestückung von 16 MB RAM davon aus, daß 24 MB vorhanden seien. Diese Fehleinschätzung führte zwangsweise zum Systemabsturz. Zumindest dieses Verhalten läßt sich darauf zurückführen, daß das SVR4 ein schlecht gewähltes Verfahren zur Bestimmungder RAM-Bestückung verwendet. Da sich die Anwender des SVR4 vermutlich an den Fingern einer Hand abzählen lassen und ohnehin bereits das TT-RAM erweitert haben dürften, sollte dieser Punkt für eine Kaufentscheidung nicht weiter relevant sein. Bei einer mit 32 MB Speicher bestückten aixTT arbeitet das SVR4 übrigens einwandfrei.

Der Prototyp der aixTT, wie er für diesen Test vorlag, arbeitete in Verbindung mit den für den Test zur Verfügung gestellten SIMMs bei der Erkennung der RAM-Bestückung einwandfrei. Bei einem Exemplar aus der Serienfertigung, das kurz vor Redaktionsschluß getestet werden konnte, war dies überraschenderweise nicht mehr der Fall. Nach Experimenten auf mehreren TTs mit unterschiedlichen SIMM-Typen und RAM-Ausbaustufen zeigte sich, daß der Speicherausbau in Abhängigkeit von den verwendeten SIMMs nicht immer korrekt erkannt wurde. Bei manchen Kombinationen in den beiden RAM-Bänken der aixTT versagte die Karte schlichtweg. Eine Anfrage bei H&N ergab, daß man die aixTT in einem solchen Fall zusammen mit den verwendeten SIMMs einschicken könne, um die Widerstände auf der Karte ändern zu lassen bzw. Lötbrücken auf den SIMMs anzubringen. In diesem Fall wird ein Aufpreis fällig.

Gemischte Gefühle

Müßte der Anwender nicht mit Problemen bei der ErkennungdiverserSIMMs rechnen, hätte ich nun ein durchweg positives Fazit ziehen können. Die Hauptforderung an eine Hardware wie an eine Speicherkarte ist, daß sie sich leicht einbauen läßt und zuverlässig funktioniert. Genau dies trifft grundsätzlich auch für die aixTT zu, sofern sich die verwendeten SIMMs mit der Karte vertragen. Anders sieht es dagegen aus, wenn SIMMs und Speicherkarte nicht harmonieren. Wer mit dem Gedanken spielt, das schnelle RAM seines TT mit einer aixTT zu erweitern, sollte sich vorher mit H&N in Verbindungsetzen und sich über den aktuellen Stand hinsichtlich der Probleme bei der Erkennung der RAM-Bestückung informieren. Eventuell fallen zusätzlich zu den 249 DM für die aixTT noch 29 DM für die Anpassung an die verwendeten SIMMs an.

US

aixTT

Positiv:
preisgünstige Karte bis 64 MB aufrüstbar

Negativ:
funktioniert nicht mit allen SIMM-Typen



Aus: ST-Computer 10 / 1995, Seite 18

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