Jede Menge Diagramme - Fachbuchproduktion im DTP (3)

Bild 1 und 2: Die Diagramme für das Buchprojekt, und davon gab es jede Menge, wurden vollständig im Calamus entwickelt.

Im letzten Monat haben wir uns mit der Anlage der Illustrationen für unser Buchprojekt „Thermische Solaranlagen“ beschäftigt. Fast alle dieser Grafiken wurden mit der neuen Version von DA’s Layout entwickelt, die für diese Arbeiten viele gut geeigneten Werkzeuge bereit hält. Heute wollen wir uns mit den Problemen der Diagramm-Gestaltung sowie der Kompatibilität der Grafikformate unter den ATARI-Programmen und darüber hinaus beschäftigen.

Kompatible Grafikformate nach innen...

Nach Fertigstellung der Grafiken mußten diese zur Montage ins Buch-Layout in den Calamus SL exportiert werden. Hier begannen dann die ersten Probleme. Die Grafiken mußten ja unter anderem auch deshalb in einem Vektorformat entwickelt werden, da eine endgültige Größe der Abbildungen im Buch zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand und eine weitere Verarbeitung für Overhead-Vorlagen in einem größeren Format und „in Farbe“ von vornherein geplant war. Die von DA’s Layout erzeugten Blend-Effekte können jedoch genauso wenig in einem Vektorformat exportiert werden wie die mit dem Compose-Modul angelegten Pixel-Bilder. Wie einfach wäre das, wenn beide Programme über gute EPS Im- und Export-Treiber verfügten ...

Aber selbst im CVG-Format gestaltet sich die Übernahme von reinen Vektordaten aus DA’s Layout heraus in den Calamus nicht reibungslos. So werden grundsätzlich die in DA's Layout eingestellten Linienstärken von Vektorobjekten nicht korrekt in den Calamus übernommen. Irgendeine Software-Seite verwendet hier wohl nicht das korrekte CVG-Format...

Nach Aussage von G. Kreidl (Digital Arts) ist aber Abhilfe in Sicht, da kürzlich vorgenommene Gespräche mit DMC für beide Produkte endlich kompatible Formate erwarten lassen. Zeit wäre es dafür wirklich, wurden doch ähnliche Absichten bereits vor längerer Zeit angekündigt. Aber vielleicht schafft es nun ja MagiCMac, mit der die zweifellos konkurrenzfähige DTP-Software auch einige Schritte in neue Mac-Märkte gehen kann - so man denn kompatibel zu wichtiger Mac-Software ist - und bringt den nötigen sanften Druck auf die ATARI-Softwarehäuser, auch „untereinander“ etwas kompatibler zu werden.

... und außen

Die Linienstärken müssen also im Calamus mit dem Vektor-Modul oder LineArt nachgestellt werden. Das müssen sie aber sowieso, da der Calamus, im Gegensatz zu DA's Layout, über keine Option verfügt, bei einer Skalierung die Linienstärken proportional anzupassen (eingestellte Linienstärken bleiben also bei Größenveränderungen der Grafik immer erhalten). Diese Arbeit erfolgt zum Abschluß, nachdem alle Grafiken ins Layout montiert worden sind.

Für manch einen mag sich an dieser Stelle natürlich auch die Frage stellen, warum das Buch dann nicht gleich komplett in DA's Layout angelegt wurde, was zumindest technisch möglich wäre und auch manche der oben geschilderten Probleme erst gar nicht aufkommen ließe. DA’s Layout hat ja im Bereich der kreativen Vektorbearbeitung unschätzbare Vorteile. Da ist es mehr als umständlich, wenn zur Weiterverarbeitung im Calamus SL beispielsweise Vektorobjekte mit Farbverläufen getrennt aus DA’s Layout heraus exportiert werden mußten (Vektor als CVG, Verläufe und Compose-Bilder als TIF), um diese dann im Calamus wieder exakt zusammenbauen zu müssen.

Ohne hier auf die Unterschiede beider Layouter im Bereich ihrer grafischen und typografischen Möglichkeiten, ihrem Seiten-Handling usw. näher einzugehen, waren hier vor allem ganz pragmatische Gründe ausschlaggebend. Da sind zum einen die von den Autoren gelieferten Text-und Diagrammdaten, die allesamt in PC-Formaten geliefert wurden. Diese mußten im Verlauf der Arbeit und auch danach immer wieder einzeln aus dem Layout herausgenommen werden; für Korrekturen, Einbindungen in Hausmitteilungen, Presse-Infos usw. Hier ist der Calamus offener, wenn es um den Import von Fremdformaten und den Export beliebiger Elemente in die verschiedenen Formate anderer Systeme geht. Man definiert z.B. einfach mit einem Seitenteile-Rahmen den gewünschten Bereich der Dokumentenseite, und exportiert diesen über Bridge in das geforderte Format. Zum anderen wird auch im Öko-Institut, dem Auftraggeber des Buchprojekts, mit Calamus SL gearbeitet, was eine Vorformatierung der Texte und die einzelnen Korrekturphasen dann natürlich sehr erleichtert.

Bild 3: Vektorverläufe, wie sie nicht sein sollten. Durch die Ungenauigkeiten beim Export als CVG-Grafik aus dem Chart-Editor sind sie unbrauchbar.

Die Diagramme

Zur Erzeugung von Balken- und Tortendiagrammen gibt es auf der ATARI-Seite ja bereits vorzügliche Werkzeuge. Man nehme hier nur „Xact“, das so ziemlich keinen Wunsch nach grafischer Datenumsetzung offen läßt. Nur konnten in diesem Buchprojekt keine automatisch generierten Diagramme eingesetzt werden. Unterschiedlichste Meßwerte mußten in ein einheitliches Info-Grafik-Layout gebracht werden, wozu ebenso unterschiedliche grafische Gestaltungsmittel angewandt werden mußten - viel Handarbeit also. Aber halt- eine Tortengrafik mußte es dann doch sein, und prompt wurde ich mit einem ärgerlichen Xact-Fehler konfrontiert.

Werden in Xact 3-D-ähnliche Objekte erzeugt, wie zum Beispiel bei der gewünschten Torte, so generiert die Software die Verläufe als einzelne Vektorobjekte. Soweit, so gut. Nur werden diese Objekte dann vom Programm nicht sauber aneinander gesetzt, wenn die Grafik im CVG-Format geschrieben wird. Da blitzt es dann an allen Ecken! Hier manuell nachzuarbeiten wäre Unsinn; beim nächsten Skalieren im SL wären wieder Blitzer zu sehen, dann halt an anderen Stellen. Um hier ein sauberes Ergebnis zu erzielen und die Verläufe aus Xact sauber ins Layout-Programm zu retten, muß ein kleiner Umweg gegangen werde. Aus Xact wird die Torte also nicht im CVG-Format, sondern als GEM-Artline-Datei exportiert und in DA’s Vektor geladen. In diesem Format werden die Verläufe sauber dargestellt. Von dort aus kann die Grafik dann als Tiff-Bild in einer beliebigen Auflösung exportiert werden - etwas unelegant, aber wirksam.

Die Entwicklung der Diagramme fielen in die ersten Tage der Auslieferung des neuen LineArt 1.5-Moduls. Probleme und Vorteile hielten sich hier so gerade die Waage. Manch ein LineArt-Anwender der ersten Version weiß, wovon ich spreche. Die Vorteile von Vektorverläufen in diesem Stadium des Projekts habe ich bereit in den letzten Monaten erwähnt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich bis zum Abschluß der Arbeiten noch Daten ändern, die unter Umständen auch einen kompletten Neuaufbau der Grafik notwendig machen. Auch die Farbwahl läßt sich mit Vektorobjekten und Verläufen natürlich wesentlich komfortabler gestalten.

Ein Nachteil in der Arbeit mit den LineArt-Vektorverläufen ist der große Rechenaufwand, der sehr in die Zeit geht (Zeit für Bildschirmaufbau und auch Belichtung), wenn man die Verläufe in der notwendigen hohen Auflösung fährt. Glücklicherweise bietet das Modul in der Version 1.5 getrennte Einstellungsmöglichkeiten für Bildschirmdarstellung und interne Auflösung. Nur hat das dann mit WYSIWYG nicht mehr allzuviel zu tun.

Zum Abschluß des Projekts wurden dann auch alle mit LineArt 1.5 erzeugten Verläufe in Pixel-Verläufe konvertiert. Diese Konvertierungen können im Calamus beispielsweise über die Module Bridge, Merge oder Filter erfolgen. Auf diese Art und Weise kommt man auch nicht mit einer weiteren Sonderbarkeit LineArts in Kontakt. Die von LineArt 1.5 angelegten Verläufe machen ein wichtiges Calamus-Prinzip zunichte, da sie nicht fest ins Dokument eingebunden werden können. Will man Objekte, die mit LineArt 1.5-Verläufen erzeugt wurden, auf dem Monitor darstellen (oder sogar drucken bzw. belichten!), muß immer das LineArt-Modul zur Ausgabe geladen sein. Wenn Sie also mit diesen LineArt 1.5-Funktionen arbeiten und ein solches Dokument zum Belichten schicken, sollten Sie sich auf jeden Fall vorher bei Ihrem Belichtungs-Service erkundigen, ob dort auch die neueste LineArt 1.5-Version verfügbar ist!

Bild 4: Am Titelbild wurden umfangreichere Manipulationen vorgenommen. Rechts das Original, links das Ergebnis nach der Bearbeitung mit dem Paint-Modul im Calamus.

Der Titel

Die Titelgestaltung des Buchs wurde, bis auf den Hintergrundverlauf, vollständig im Calamus SL abgewickelt - auch die hier notwendigen umfangreichen EBV-Arbeiten. Als Vorlage für das Titelbild hatte ich lediglich das Foto einer bereits installierten Solaranlage zur Verfügung. Nur war das Bildumfeld alles andere als geeigneter den Buchtitel einer Marktübersicht über Solaranlagen: ein trister, grauer Himmel, der noch durch zusätzliche Gebäude weiter verdeckt wurde. Nicht sonderlich attraktiv also, aber dem konnte mit dem Paint-Modul im Calamus nachgeholfen werden.

Das Foto wurde zunächst einmal mit einem Epson GT 8000 gescant und über ReColor farbkorrigiert. Um die störenden Gebäude zu entfernen, wurden diese im Calamus mit Teilen des im Bild vorhandenen Himmels einfach mit Paint übermalt bzw. kopiert. Stellt man für diesen Vorgang in Paint die Werkzeugschärfe auf „0“, verläuft sich die gemalte Kopie ganz sanft in den Hintergrund der übermalten Bildteile. Auf diese Art und Weise ist auch für ein geübtes Auge später kaum der Unterschied zwischen Original und „Fälschung" auszumachen.

Auch die Blautönung im Kollektor (als Reflexion des Himmels) wurde mit Paint erzeugt. Mit einem aus dem Himmel herausgepickten und in die Calamus-Farbliste übernommenem Blauton wird dazu einfach mit einer sehr geringen Deckung über die zu färbenden Bereiche gemalt. Helle Bildbereiche nehmen dann die Farbe eher an als dunkle, wodurch ein sehr realistischer Effekt entsteht.

Erst nach diesen Manipulationen wurde das Bild auf die endgültige (kleinere) Größe skaliert, mit dem Filter-Modul geschärft und auf die notwendige Auflösung heruntergerechnet. Nach dem Kleiner-Skalieren hatte das mit 400dpi eingescante Bild eine Auflösung von mehr als 600dpi, die gleichzeitig mit dem Schärfen auf ausreichende 400dpi heruntergerechnet wurden. Diese Arbeiten - Filtern und Änderung der Auflösung - sollten immer nach den Retusche-Arbeiten erfolgen.

Bild 5: Der Buchtitel kurz vor der Fertigstellung

Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 04 / 1995, Seite 60

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