Falcon Scene - Guten Tag!

Der Background kommt „in motion“ cool rüber...
Vielleicht der spektakulärste Effekt im INTER-Demo.

Alle Leute die jemals mit AVENA zu tun hatten, werden ahnen, warum ich Euch heute nicht mit dem vertrauten „Heho“ begrüße. AVENA hat es nämlich tatsächlich geschafft, diese im Alltag meist zu einem "‘n Tach“ heruntergekommene Begrüßungsfloskel in vollkommen ungeahnte Dimensionen inhaltlicher Widersprüche zu schleudern.

Denn mit fast kindlicher Freude äußern sie besagte Laute unabhängig von der aktuellen Situation und verlangen vom jeweiligen Zuhörer eine intuitive Interpretation. Nach intensiven Recherchen habe ich herausgefungen, daß „Guten Tag“ in Avenadeutsch soviel bedeutet wie: "... ohhh, wie erstaunlich“, „der/die/das ist doof“, "...ich fürchte ich werde mich übergeben“, "... das gefällt mir höchstgradig“, "...ist das Deine Cola? Kann ich sie haben?“, "...wo ist eigentlich meine Cola?“ und allgemeine Einleitung einer Rede.

Natürlich wäre das Ganze für uns hier nicht interessant, wenn sie dieser Tatsache nicht auch noch ein ungewöhnliches Demo gewidmet hätten. Ungewöhlich, weil es zuerst gar kein Demo ist. Mit „GutenTag.TXT“ bekommt man ein Text-File, in dem sich die Avenoiden „sehr ernsthaft“ über zahlreiche, wichtige Probleme des Alltags auslassen. Folgt man der Aufforderung, die Extension in PRG umzubenennen, und ist auch noch so leichtsinnig, das nun entstandene Programm zu starten, sieht man: einen schwarzen Screen! Klar bleibt es nicht dabei, bald ertönt Musik von Tommy, diese Tatsache erspart es mir, über die Qualität derselben zu berichten (logisch, super!!!). Mehr als ein kleines „Guten Tag“-Logo und 5 sich abwechselnde, knallbunte Gouraud-Shading-Objekte, die da rumschlingern, gibt’s dann nicht. Lustig ist, daß man die Rotation dieser Vektorkörper, in allen drei Achsen unabhängig, auch selbst steuern kann. Ne witzige Sache das Ganze, was zum Rumspielen. Gerüchten zufolge arbeitet AVENA jetzt an einem Demo welches den Betrachter durch Suggestion zu einem willenlosen Handlanger für Avenas Welteroberungspläne macht - auf jeden Fall wird’s sehr bunt (hi,hi).

AVENA ... vom Spaß zum Screen.
Diese Texturemapping-Objekte sehen erst bewegt so richtig toll aus.
Großes Bild: Digital Chaos bringt tolle Berge à la Comanche.

Vor kurzem lag in meinem Briefkasten eine Sendung, die sich verdammt nach Diskette anfühlte. Das erinnerte mich an alte Zeiten, und da ich von niemanden etwas erwartete, war ich überaus neugierig. Also schnell den Rechner eingeschaltet und nachgesehen. Es war ein Disk-Mag. So kam ich auf die Idee, mal über dieses Scene-Medium zu berichten. Wie im allerersten Falcon-Scene-Artikel müssen wir uns dazu wieder in die Vergangenheit begeben. 1989: Neben den neuesten Demos wurden auch Disketten hin und her geschickt, die Bezeichnungen wie „ST-News“ oder „Maggi“ trugen. Ich sehe es noch ganz genau vor mir, wie ich mit einem Kumpel stundenlang Demos anschaute und wie wir nach den neuesten Ausgaben des „Maggi“ gierten. Ein Diskmag enthielt viele Dateien und ein Programm. Wenn man dieses startete, offenbarte sich ein Menü, von dem aus man bequem auf die Texte zugreifen konnte. Meistens wurden die Mags von einer Gruppe betreut und es schrieben zahl-reiche Leute Artikel. Für uns war es damals „das“ Fenster, durch welches wir einen Einblick in die Scene bekamen. Es gab Berichte über Partys, News aus der Scene, Kritiken zu Demos und Spielen und Interviews. Das Ganze wurde mit Musik- und Grafikuntermalung präsentiert. Speziell das „Maggi“, welches damals von den „Lost Boys“ herausgegeben wurde, und die ST-News von Richard Karsmakers stellten Institutionen dar und behielten sehr lange Kultstatus.

So präsentiert sich das Menü des Undercover Mags.

Im Verlauf der Zeit gab es dann noch viele Nacheiferer, wie das „AMAZINE“ von Mad Vision aus Frankreich oder das „DBA-Mag“ von DBA und noch einige, die ich vergessen oder nie gesehen habe, weil zu der Zeit einfach eine Schwemme aus der Scene kam, die man kaum noch überschauen konnte. Nun ja, langsam, aber sicher verschob sich die Kommunikation in der Scene von der postgesandten Diskette zur DFÜ. Schnelle Modems wurden immer billiger, die Nachrichten waren einfach schneller, und die Diskmags hatten lange nicht mehr die Resonanz wie in den „goldenen“ Tagen. Nicht zuletzt haben sich die dominierenden Gruppen damals langsam aus der Scene zurückgezogen. Das „Maggi“ wurde später von Delta Force übernommen, die eine tolle Oberfläche programmierten, aber nach ein paar Ausgaben auch aufhörten; zur Zeit betreuen ein paar Engländer das „Maggi“, aber man kann nicht behaupten, daß es noch einen Stellenwert hätte. Von der ST-News sind wohl auch noch ein paar sporadische Ausgaben erschienen, und das letzte DBA-Mag ist meines Wissens ein Jahr alt.

Mit dem Erscheinen des Falcons entstanden ein paar neue Magazine, die aber auch nicht besonders waren oder gleich wieder in der Versenkung verschwanden. Um so mehr freute mich das „Undercover“, ein noch relativ junges Diskmag, welches sich mit der ST- und Falcon-Scene beschäftigt. Herausgeber sind „The naughty Bytes“ aus Deutschland, und so ist auch das Mag in Deutsch. Ich empfinde das als sehr angenehm. Um etwas globaler zu wirken, denken die Jungs aber über eine parallele Ausgabe in Englisch nach. Das „Undercover“ präsentiert sich im klassischen Stil: am Anfang gibt’s ein cooles Intro mit schmissiger Soundchip-Musik, welches vom ST bis zum Falcon läuft. Das eigentliche Menü liegt dann für ST und Falcon getrennt vor, wobei beim Falcon natürlich die Grafik aufgepeppt wurde und anstatt Soundchip-Musiken im Hintergrund verschiedene Soundtracker-Stücke angewählt werden können. Auch der Inhalt gestaltet sich traditionell, es werden Spiele, Demos und Tools für ST und Falcon besprochen, Scene-News verbreitet und über Gott und die Welt geschrieben. Bemerkenswert fand ich politische Statements, die sich auch mit der derzeitigen Situation in Deutschland befassen. Nicht zu vergessen die Artikel zum Jaguar und zu anderen Rechnerplattformen. Etwas Wichtiges in einem Scene-Mag waren auch immer die Charts, in denen man erfahren konnte, wer zur Zeit als bester Programmierer, Grafiker, Musiker oder beste Gruppe gehandelt wurde. Bei TNB krankt die Sache aber etwas am mangelnden Feedback der Leser, die Jungens stecken wirklich eine Menge Arbeit in dieses Mag und suchen noch Leute, die Artikel schreiben möchten. Wenn Ihr das Mag also haben wollt oder Artikel schreiben möchtet, dann wendet Euch an:

Moondog of tnb
c/o Eric Henschler
Weichau 1a
06618 Weicha

Es wäre schade, wenn diese Art von Informationsquellen ausstirbt, weil die Leute zu bequem sind. Die Diskmags gehörten vom Anfang an mit zur Scene und bilden immer noch eine interessante Alternative zur Nachrichten Verbreitung per DFÜ, gerade weil sie irgendwie etwas persönlicher sind als anonyme Berichte in Mailboxen, die man einmal liest und dann nie wieder sieht. Also ich schaue gerne mal in eine Ausgabe der alten Mags. Weiter so TNB!

Built in Obsolescence by D.C.

Auf dem Postweg erreichte mich auch das neue Falcon-Demo von „Digital Chaos“. Diese 8 Mitglieder zählende Gruppe aus England machte schon einmal mit spektakulären Effekten in ihrem ST-Demo auf sich aufmerksam und ihr Falcon-Debüt kann sich auch sehen lassen. In ca. 370 KB sind tolle Effekte im sauberen Design untergebracht. Besonders gut gelungen ist die Anpassung an die Musik, welche wieder Tommy geliefert hat. Highlight dieses Demos ist eine Kombination aller bekannten Vektorgrafikeffekte, d.h. Vektorobjekte, welche mit Texturen belegt sind und mittels Gouraud-Shading auch noch Beleuchtung aufweisen. Als ob das nicht reichen würde, wurde auch noch Z-Buffering eingebaut, also können die Körper ineinander eintauchen und sich überschneiden. Beeindruckend fand ich auch eine Berglandschaft, die auf den Betrachter zuscrollt und sich um ihre eigene Achse drehen kann. Bleibt nur zu hoffen, daß die Jungs von Digital Chaos weiter ihre Fähigkeiten spielen lassen und wir noch mehr so technisch brillante Demos zu sehen bekommen.

Obnoxious by Inter

Dieses Demo erwähnte ich schon in der letzten Falcon-Scene, jetzt konnte ich es auch mal in Ruhe betrachten. Und das Teil ist wirklich megafett, nicht nur in quantitativer Hinsicht zieht dieses Demo an allem bisher Dagewesenen vorbei. Ein derartig konsequent durchdesigntes Demo habe ich noch nicht gesehen, kein Effekt traut sich den anderen ohne einen verblüffenden Übergang abzulösen. Auf welche Art die Inter-Jungs Grafiken manipulieren können, ist schon fast unheimlich. Da werden Bilder in ihre RGB-Anteile aufgesplittet, welche dann herumtanzen oder sich um ihren eigenen Mittelpunkt wickeln, daß man vor Staunen den Mund nicht zubekommt. Ein befreundeter Musiker, der mit Computern nichts am Hut hat, konnte sich vor Begeisterung gar nicht mehr halten, als ich ihm das Demo auf dem großen Fernseher vorführte. Es würde wirklich zu weit führen, alle Effekte zu beschreiben, also pick ich die absolut fantastischsten heraus und lasse Euch noch ein paar Überraschungen. Ungeschlagen ist die brennende Vektorgrafik, muß man gesehen haben, das kommt schon fast an die Realität ran. Am witzigsten ist eine Sequenz, bei der ein Gesicht auf psychodelische Art und Weise verzerrt wird, ich habe tatsächlich noch nichts Komischeres auf einem Computer gesehen. Am schönsten ist aber die technische Brillanz des ganzen Demos, nichts ruckelt oder wird langsam. Wie schon gesagt, beschäftigen die Leute von INTER sich jetzt mit Spielen. Falls sie bei der Qualität dieser Programmierorgie bleiben, sollten das ziemlich coole Games werden.

Das war’s wieder, einen „Guten Tag!“ an Euch alle (speziell Silli)...

Euer A.-t- of Cream



Aus: ST-Computer 03 / 1995, Seite 90

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