Viel zu oft sind sie zu finden. In allen Drucksachen kann man sie antreffen, und bestimmt macht sich auch in dieser ST Computer der eine oder andere bemerkbar. Nicht alle sind gefährlich, können aber Layouter und Drucker immer wieder zu Zornesausbrüchen treiben. Sie stören nicht nur das Erscheinungsbild eines Drucks, im Extremfall können sie auch den gesamten Druck in die Mülltonne jagen.
Eigentlich kennt sie jeder, der schon einmal eine Druckvorlage für mindestens zwei Far ben erstellt hat: diese kleinen Blitzer im fertigen Druck, die die Papierfarbe dort durchscheinen lassen, wo zwei Farben eigentlich exakt aneinanderstehen müßten.
Daß es dennoch oft in Drucksachen blitzt, kann ganz verschiedene Ursachen haben. Gerade den Einsteiger ins Desktop Publishing verleitet die hohe Genauigkeit in Satz und grafischer Gestaltung - oft auch noch verbunden mit der Unkenntnis der späteren Weiterverarbeitung in der Druckerei - zu der Ansicht, alles müsse genauso weiterverarbeitet werden können, wie es aus dem Rechner auf den Film kommt.
Im Grunde stimmt das ja auch. Eine genaue Anlage zweier Farben im Rechner führt normalerweise zu einer ebenso exakten Belichtung auf Film. Bis hierher ist alles also noch unproblematisch und unterliegt dem Einfluß des Grafikers. Die Probleme beginnen dann in der Druckerei, wo die Welt der digitalen Präzision auf die analoge Welt der Feinmechanik trifft...
Der Drucker wird, wenn er sauber arbeitet, die Filme paßgenau auf die Druckplatten kopieren und drucken. Bis zu diesem Zeitpunkt paßt alles auch noch genau. Nun kommen aber einige Faktoren hinzu, die sich nicht immer exakt voraussehen und beeinflussen lassen. Da kann zum Beispiel die Druckmaschine nicht korrekt eingestellt sein, es kann zu Papierverzug im Druck durch Temperaturschwankungen kommen, besonders, wenn ein Mehrfarbendruck nicht in einem Durchgang erfolgt. Letzteres ist dann auch noch abhängig von der jeweiligen Papiersorte, da unterschiedliche Papiere ebenso unterschiedlich auf diese Faktoren reagieren. Oder die Druckplatten haben sich etwas verschoben usw.
Diese im Druck unter Umständen auftretenden Probleme müssen also bereits bei der Erstellung einer Druckvorlage in der Layoutsoftware berücksichtigt werden. Man bedient sich hier eines auf den ersten Blick einfachen Mittels: die im Druck eigentlich aneinanderstehenden Farben werden im Layout-Programm eben nicht exakt nebeneinander gelegt, sondern überlappen sich ein wenig, wodurch mögliche Ungenauigkeiten im Druck kaschiert werden können.
Da diese Überlappung nur Bruchteile eines Millimeters groß sein muß und die Farben im Offsetdruck lasierend sind (nichtdeckende Farben), fällt diese kleine Unsauberkeit nicht weiter auf. Die Überfüllungen dürfen aber auch nicht zu groß eingestellt werden, da es sonst zu unschönen Effekten kommen kann. Würde, um unser Beispiel weiter unten vorwegzunehmen, eine gelbe Fläche auf einem blauen Hintergrund zu stark überfüllt werden, bekäme diese Fläche im Druck die schönste grüne Outline (Gelb und Blau mischen sich).
Auf der anderen Seite muß die gleiche Anlage für den Siebdruck deutlich stärker überfüllt werden, da Ungenauigkeiten im Druck hier häufiger auftreten können. Da Siebdruckfarben jedoch deckende Farben sind, kommt es nicht zu Farbmischungen an den Überlappungen.
Diese Überfüllungen im Calamus einzustellen, zum Beispiel für die Arbeit mit Schmuckfarben, ist eigentlich recht einfach. Eigentlich! Im Grunde ist ja alles ganz einfach, besonders im neuen SL-Update sollte es so sein, da eine Schmuckfarbenseparation hier automatisch erzeugt werden kann. Ganz so einfach ist es nun aber doch nicht.
Schmuckfarben sind Farben, die direkt als Druckfarben vorliegen. Eine Schmuckfarbenseparation verteilt diese genau definierten Farben dann auf einzelne Filmauzüge. Bisher gingen viele Calamus-Anwender bei der manuellen Schmuckfarbenseparation den einfachen Weg über sogenannte „Stellvertreterfarben“. Soll da zum Beispiel eine Gestaltung die Farben HKS 12 und Schwarz beinhalten, so wird, als letzter Schritt vor der Belichtung, HKS 12 durch z.B. Magenta ersetzt, was im Farbformular einfach durch "Farbe ersetzen" geschehen kann. Dem Belichtungsservice wird dann nur noch der Auftrag gegeben, lediglich die Schwarz- und Magentaebene über die 4-Farb-Separation auszugeben. Beide Farben liegen dann separiert vor.
Das gleiche Verfahren verwendet leider auch die automatische Schmuckfarbenseparation des neuen SL-Updates bei im Dokument bereits vorhandenen Listenfarben. Diese werden, wenn sie nachträglich als Schmuckfarbe im Farbformular definiert werden, einfach nur durch eine Prozeßfarbe (Cyan/Yellow/Magenta) ausgetauscht. Lediglich von Anfang an als Schmuckfarbe angelegte Farben bleiben auch im Monitor als gewählte Farbe sichtbar.
Grundsätzlich haben aber alle diese Verfahrensweisen zur Schmuckfarbenseparation den ganz großen Haken, daß sich auf diese Weise das Problem der Überfüllungen noch nicht lösen läßt!
Wer jetzt ins Grübeln kommt und ein Fehlen dieser Funktion zur automatischen Überfüllung als ein Manko seiner Software ansieht, hat recht; hier gibt es jedoch, besonders wenn nicht nur Text und grafische Objekte, sondern auch Bildmaterial überfüllt werden soll, in fast jeder Layoutsoftware auf allen Systemen mehr oder minder große Probleme, die aber immer mit einiger Übung und Know-How überwunden werden können.
Es lassen sich dennoch Rechner/Software-Kombinationen finden, mit denen Überfüllungen aller Layout-Elemente vollautomatisch erzeugt werden können. Arbeiten konnte ich mit diesen Produkten bisher allerdings nicht, provoziert doch der Preis dieser Systeme schon die Entscheidung: Kaufe ich mir den entsprechenden Rechner nebst Software, oder doch lieber einen dieser netten Kleinwagen aus Stuttgart...
Im Moment führt der sichere Weg zu einer korrekten Überfüllung also immer noch über den Fußweg einer manuellen Anlage. Dies gilt vor allem für diejenigen Gestaltungen, die ausschließlich in Schmuckfarben angelegt werden müssen, wie das z.B. bei den meisten Geschäftsausstattungen der Fall sein wird (Briefbogen, Visitenkarten usw.). Es ist derzeit zwar ein Modul für den Calamus in Entwicklung, das die Überfüllung nicht nur für Schmuckfarben, sondern auch für beliebiges Bildmaterial automatisiert, es wird aber wohl erst im nächsten Jahr fertiggestellt sein - auf jeden Fall bewegt sich auch hier etwas in der Software-Entwicklung, was hoffen läßt.
Wir wollen uns einmal einige der derzeit möglichen Wege zum manuellen Überfüllen etwas genauer anschauen.
In einem ersten Schritt wird eine Kopie des Vogels aufs Clipboard gelegt. Da der blaue Hintergrund als Volltonfarbe gedruckt werden soll (100% HKS), stellen wir die Farbe der Rasterfläche auf 'Schwarz' (im Farbformular: C=0, Y=0, M=0, K=100%). Soll die Druckfarbe zu einem helleren Blauton aufgerastert werden, wird ein entsprechend geringerer K-Prozentwert eingetragen. Der im Dokument verbleibende Vogel dient nun als "Maske" und bekommt die Flächenfarbe 'Weiß', der Grafikrahmen selbst wird auf "deckend" gestellt.
Nun wird der Vogel vom Clipboard wieder ins Bild kopiert und bekommt als Flächenfarbe ’Yellow' (im Farbformular: Y=100, alle weiteren =0%) zuzüglich einer Outline in der gleichen Farbe und einer Stärke von vielleicht 0,4 Punkt (das ist ein ungefährer Wert, der auch 0,5 oder 0,6 Punkt betragen kann - geht alles). Dadurch, daß die oben liegende Grafik durch die Outline-Einstellung etwas größer geworden ist, überfüllt sie die darunter liegende weiße Fläche. Im späteren Druck wird das 'Gelb' somit ein wenig in den blauen Hintergrund hineingedruckt werden.
Da beide Farben nun über die Vierfarbseparation ausgegeben werden sollen (Y und K werden ausgegeben), muß der oben liegende gelbe Rahmen unbedingt noch 'transparent' gestellt werden! Das hat natürlich nicht zu bedeuten, daß dieser nun 'durchsichtig' wird. Durchsichtig, also quasi 'nicht vorhanden', ist er nun aber in der Tat für die Farbseparation des Calamus.
Durch die Transparentstellung der gelben Grafik wird der blaue Hintergrund (inklusive des durch die weiße Maske auskopierten Vogels) auf Film ausgegeben, als ob es den oben liegenden Grafikrahmen gar nicht geben würde. Dagegen würde bei einem "deckend" eingestellten Rahmen bei der Separation die gelbe Grafik exakt in der blauen Fläche ausgespart werden. Und eben dieses wollen wir ja umgehen. Darum die weiße Fläche im Hintergrund, und darum auch der transparent gestellte Rahmen, bei dem dann ja auch die größere Outline der gelben Grafik bei der Ausgabe des Hintergrunds ignoriert wird.
Auch die etwas problematisch zu handhabenden farbigen Texte auf schwarzem Hintergrund lassen sich auf diese Weise elegant anlegen (Text weiß stellen, 1:1-Kopie des Textes mit einer Outline versehen darüber legen und diesen Rahmen transparent stellen).
Die im Calamus für Text vorhandene Funktion "Konturtransparent/Überfüllung“ leistet dergleichen automatisch. Bei deckend gestelltem Rahmen läßt sich eine farbige Outline zusätzlich transparent stellen. Diese Funktion benötigt jedoch sehr viel Rechenzeit beim Belichten.
Bleiben wir bei unserem gelben Vogel. Die Dokumentenseite mit unserer fertigen Gestaltung wird erst einmal kopiert. Auf der ersten Seite (das wird der Farbauszug für den Blaudruck) stellen wir die Grafik weiß/ohne Outline und den Hintergrund schwarz. Aus Seite 2 wird der Hintergrund gelöscht und die Grafik schwarz gestellt, ebenso die Outline mit wieder etwa 0,4 Punkt. Die in allen Fällen notwendigen Passermarken erzeugt Calamus automatisch. Dieses muß dann aber dem Belichtungsservice mitgeteilt werden, da diese im Seitenmodul einstellbare Funktion nicht im Dokument mitgespeichert wird.
In diesen Beispielen begegnet uns aber so ganz nebenbei eine zweite Falltüre, in die viele sicher schon aus schlichter Unkenntnis der Dinge gestolpert sind.
Mir jedenfalls ging es anfangs so. Wir sind sehr selbstverständlich mit dem Begriff „Outline“ umgegangen, so, als ob es sich immer auch um eine solche handeln würde. Und eben das ist nicht immer der Fall. Wenn wir beispielsweise anstelle der gelben Vektorgrafik einen ebensolchen Kreis in ein blaues Rechteck stellen würden (beides als Rasterflächenrahmen des entsprechenden Calamus-Menüs) und diesen Kreis dann für die Druckvorlage etwas überfüllen wollen, indem wir einfach eine etwas fettere Outline in der Flächenfarbe des Kreises einstellen, wird gar nichts überfüllt! Im Calamus zeigen unterschiedliche Objekte eben auch ein unterschiedliches Verhalten bei der Erzeugung ihrer Outlines — warum sollte es auch einfach sein ...
Der gerade erwähnte Rasterflächenrahmen erzeugt seine Outline nun einmal nach „innen“, ist also eigentlich eher eine "Inline". Dieses Verhalten hat vielleicht den Vorteil, daß ein einmal eingegebenes Maß der Rasterfläche auch bei unterschiedlichen Outline-Stärken immer erhalten bleibt, erfordert aber bei der Anlage einer Überfüllung ein Umdenken. Hier muß die „Aussparung“ im Hintergrund durch die Outline-Einstellung kleiner gemacht werden, wogegen das oben liegende Objekt keine weiteren Änderungen erfährt.
Anders wiederum verhalten sich Textobjekte. Diese erzeugen im Calamus eine "echte" Outline. Das heißt, daß zum eingestellten Schriftgrad die Outline-Stärke hinzugerechnet wird, die Schrift sich also quasi um die Outline-Stärke vergrößert. Und wieder anders verhält sich die Outline natürlich bei Vektorobjekten. Hier wird die eingestellte Outline vom Pfad des Vektorobjekts aus in beide Richtungen (nach innen wie nach außen des Objekts) gleichermaßen berechnet. Eine 6 Punkt fette Outline (derartig fette Outlines wird man im Calamus bei Vektorobjekten aber sowieso nicht einstellen ...) läuft da also vom Vektorpfad ausgehend 3 Punkt nach innen und 3 Punkt nach außen, ausgehend vom Vektorpfad.