Computer & Recht

In dieser Rubrik sollen aktuelle Rechtsprechungen und juristische Grundlagen rund um den Computer vorgestellt werden. Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und arbeitet im Büro auf ATARI ST/ TT-Computern.

Werbung mit Zollangaben für Disketten und Monitore

Der oben genannten Kommentierung zufolge beanstandete die Antragstellerin, eine Konkurrentin der Antragsgegnerin, die Maßangabe mit Zoll (") bei Laufwerken und Monitoren in einem Inserat für Computer. Glücklicherweise verstößt die beanstandete Werbung nicht gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs, insbesondere nicht gegen § 1 und § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Das Landgericht Coburg begründete seine Entscheidung wie folgt:

Zwar hat der Bundesgerichtshof zur Angabe von „PS" anstatt „kW" im Urteil vom 4.3.1993 (MD 93/542) einen wettbewerblichen Vorsprung durch Rechtsbruch nicht verneinen können, weil nicht unerhebliche Teile des Verkehrs gerade deshalb, weil sie mit der Leistungsangabe „kW" noch nicht vertraut sind oder diese Angabe auf „PS" nicht umrechnen können, ihr Augenmerk in besonderem Maße auf Anzeigen mit der vertrauten „PS-Angabe" richten und sich gerade deshalb mit solchen Anzeigen befassen, Anzeigen mit „kW"-Angaben aber demgegenüber vernachlässigen. Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Es gibt nämlich keine „nicht unerhebli- eben Teile des Verkehrs", deren Augenmerk von einer Angabe in Zentimetern abgelenkt werden kann, wenn es um den Erwerb von Computer-Monitoren, Disketten, Diskettenlaufwerken, Festplatten und dergleichen geht.

Es ist durch die Medien vor kurzer Zeit bekannt geworden, daß ein Verband angesetzt hat, die Angabe in „cm" durch Abmahnungen durchzusetzen. In den Medien wurde weiter davon berichtet, daß diese Abmahnungen ohne Kostenbelastung vorgenommen worden seien. Damit habe die Unterwerfung erleichtert werden sollen. Die Aussicht sei es, hierdurch nachweisen zu können, daß es tatsächlich auf dem Markt Angaben in Zentimetern gibt. Diese Aktion trägt offenbar dem Umstand Rechnung, daß es jedenfalls bis zum Beginn der Aktion überhaupt keine Werbung, welche Zentimeter genannt hätte, für die o. g. Gegenstände gegeben hat. Die Kammer kann das aus eigener Sachkunde beurteilen. Der Vorsitzende ist ständig mit der Anschaffung von EDV-Zubehör befaßt. Er wertet seit Jahren zahlreiche EDV-Zeitschriften aus und hat einem weit gespannten Überblick über die Angebote/Werbung auf dem betroffenen Sektor. Dabei ist die Beschreibung eines Monitors oder eines Laufwerks oder einer Diskette mit „cm"-Angaben noch nicht ein einziges Mal vorgekommen. Dies ist die natürliche Folge dessen, daß die Überzahl der Hersteller und praktisch der gesamte Markt englischsprachig sind. Häufig sind Handbücher, Bedienungsanleitungen und Software ausschließlich in englischer Sprache erhältlich. Damit ist die Angabe in „Inches" vorgegeben. Die Maßangabe im „Zoll" ist lediglich die deutsche Entsprechung. Die Werbung unternimmt somit nichts anderes, als dem durchgängigen Sprachgebrauch der Branche und aller angesprochenen Verkehrskreise zu folgen. Die Beschreibung mit Hilfe von Zoll oder Inch dient nicht der Schaffung von Vorteilen im Wettbewerb durch Verletzung einer wettbewerbsneutralen Vorschrift, sondern der schlichten Verständigung unter Verwendung einer ausnahmslos eingespielten Fachterminologie, welche hilft, Verständigungsfehler zu vermeiden und das sachlich (!) Richtige zu erwerben.

Dabei ist insbesondere die Maßangabe für Disketten und Laufwerke ohne jede werbliche Relevanz. Disketten oder Laufwerke werden nicht nach einem speziellen Ausmaß erworben, weil der eine oder andere Wert mehr über die Leistung oder das Image aussagen könnte. Vielmehr werden 3 l/2"-Disketten für 3 1/2"-Laufwerke benötigt, sowie 5 l/4-Zoll-Diskettenfür5 1/4-Zöll-Laufwerke und umgekehrt. Bei der Anschaffung vom Laufw rken mag noch eine Rolle spielen, ob der Computer in einer Breite vom 3 1/2-Zoll oder 5 1/4-Zoll Platz bietet. Bei Monitoren ist einzuräumen, daß sie im allgemeinen je weiter in der Diagonale, desto teurer sind. Dennoch ist es nahezu unvorstellbar, daß der von der Werbung angesprochene Kaufinteressent, wenn dies im wirklichem Leben tatsächlich einmal vorkommer, sollte, die Vertiefung seines Interesses bis zum Kaufentschluß von so sachfremden wie unergiebigen Erwägungen wie der Maßeinheit beeinflussen ließe. Darüber hinaus ist es Bildschirmen durch bloße Betrachtung sofort anzusehen, welcher größer oder kleiner ist. Bei Pferdestärken mag das schwieriger sein. Im übrigen werden die Zoll-Angaben lediglich als Richtmaß angesehen; häufig ist schon die sichtbare Fläche des Bildschirms kleiner und das effektive Bild noch kleiner als 12, 14, 15, 17, 20 oder 21 Zoll usw. Im Gegensatz zu kW/ PS, wo die beanstandete Werbung mit PS höhere Zahlenwerte mit sich bringt und deshalb höhere Leistung vorgaukeln mag, bedeutet hier die beanstandete Werbung mit Zoll niedrigere Werte (12 Zoll entspricht 30,48 cm). Es kann also nicht durch die höhere Zahl die höhere Qualität vorgegaukelt werden. Schließlich wird man dem Markt nicht zumuten sollen, einem Wert mit zwei Stellen hinter den Komma (z. B. 30,48) anzugeben, bei dem schon die Stelle unmittelbar vor dem Komma für die effektive Verwendbarkeit nicht als verbindlich behandelt wird. Außerdem würde die Diskrepanz zwischen scheinbarer Genauigkeit und verbindliche Aussage deutlich größer. Auch das kann im Wettbewerb kaum erwünscht sein.

Dementgegen entschied jedoch das Oberlandesgericht Hamm, daß zwar im Eilverfahren nicht festgestellt werden konnte, daß irgendwelche Mitbewerber anstelle der Zoll-Angaben die Disketten und Laufwerke mit „cm" angeben oder anzugeben beabsichtigten. Daher sei ein Wettbewerbsverstoß verneint worden. Die Werbung für Computer-Bildschirme mit „12 Zoll" verstößt dagegen gegen das MeßEinhG und auch gegen § 1 UWG.

(OLG Hamm, Landgericht Coburg)

CK



Aus: ST-Computer 10 / 1994, Seite 118

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