Leserbriefe

Meter vs Zoll

Wenn man den Leserbrief des Herrn H. Günther aus Rastatt liest, kann man sich des Verdachtes nicht erwehren, daß es sich hierbei um einen „Ewiggestrigen“ handelt, der aber offenbar auch nicht zu den geistigen Brandstiftern des in Deutschland wieder salonfähig gewordenen Rechtsextremismus gezählt werden kann, da geistig nichts dahintersteckt.

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, daß die fast weltweit gültige Längeneinheit „Meter“ und die daraus abgeleiteten Größen dm, cm, mm, |om, nm, pm etc. keineswegs „deutsche“ Einheiten sind, wie Günther fälschlicherweise behauptet, sondern im Jahre 1791 von der französischen Akademie der Wissenschaften („Academie Francaise des Sciences“) im Zuge der französischen Revolution eingeführt wurde. Auch die in der Computerwelt standardisierte Einheit „Zoll“ zur Größenangabe von Disketten hat insofern eine unbedingte Existenzberechtigung, als nicht die Deutschen sich als Erfinder von modernen Personalcomputern hervortaten, sondern die von Günther als „geistig zurückgeblieben“ bezeichneten Amerikaner (Steven Wozniak, Steve Jobs u.v.a). Aus dem nämlichen Grund gibt es umgekehrt diverse deutsche Wörter, die sich in der ausländischen (und damit „undeutschen“?) Welt durchgesetzt haben (denken wir z.B. an die Wörter „bremsstrahlung“, „eigen value“ und nicht etwa „proper value“ für „Eigenwert“ in der Mathematik oder „kindergarden“ etc. Selbst die russischen Schachspieler haben die Begriffe „Zugzwang“ und „Zeitnot“ in ihre Fachsprache integriert). Deswegen erinnert mich der verbale Rundumschlag des Herrn Günther an die Zeit des Nationalsozialismus, in der beispielsweise alltägliche Begriffe wie „Nase“, die nicht im Indogermanischen verwurzelt sind, als „undeutsch“ verpönt waren und durch „Gesichtserker“ ersetzt wurden. Wenn dieser Herr von sich aus eingesteht, er sei „nicht mehr zu retten“, dann soll er die Haßtiraden, die den Tatbestand der Volksverhetzung voll erfüllen, gegen die Amerikaner (Zitat: „amerikanischer Inch-Schwachsinnn“, „diese armen geistig Zurückgebliebenen“, „Der Inches-Computer-Schwachsinn hätte generell von Anfang an in Europa verboten gehört“) gefälligst unterlassen.

Sollte Herr H. Günther ein stolzer Besitzer eines ATARI-Computers sein, so möge er zur Kenntnis nehmen, daß dieser in einem Land konzipiert wurde, dessen „Hälfte der Einwohner keinen Busfahrplan lesen kann“. (Zitat).

Yasushi K. 44623 Herne

Red.: Dem ist nichts hinzuzufügen!



Aus: ST-Computer 07 / 1994, Seite 110

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