Kontinuität ist ein Merkmal, das gerade in der Software-Branche nicht häufig anzutreffen ist. Tempus Word kann damit aufwarten und zeigt darüber hinaus Erweiterungen und Verbesserungen. Bereits einige Male berichtete die ST-Computer über Tempus-Word, das Textverarbeitungsprogramm von CCD. Seit der Version 2.0 hat das Programm wieder kräftig zugelegt. Da die dritte Version wohl noch ein wenig auf sich warten läßt, folgt hier ein Zwischenbericht über die aktuelle Version 2.8.
Wie wir im Vergleich [3] festgestellt hatten, war Tempus-Word bisher für Büroeinsatz und umfangreiche schriftliche Arbeiten gleichermaßen geeignet - für intuitive Gelegenheitsarbeiten jedoch weniger. Dieses Urteil muß mittlerweile revidiert werden. Denn in der nun vorliegenden Version können Texte mit gedrückter Maustaste selektiert, verschoben und kopiert werden. Formatierungsarbeiten am Lineal, Zeichensatzauswahl mit Pop-Up-Menüs etc. vereinfachen es für den sporadischen Anwender, optisch ansprechende Texte zu Papier zu bringen.
Konsequenterweise gibt es zum günstigen Einsteigerpreis von 199 - DM eine Junior-Version, die gegenüber der Normalausgabe um einige Sonderfunktionen erleichtert wurde.
Seit Jahr und Tag halten sich hartnäckig Gerüchte, die Tempus-Word Unsauberkeiten in punkto Programmierung nachsagen. Mittlerweile gibt es dafür wirklich keinen Grund mehr: Die Textverarbeitung aus Eltville arbeitet mit allen Auflösungen ab 640 mal 400 Punkten, egal wie viele Farben sie bieten. Sie verhält sich kooperativ unter Multitasking-Bedingungen und vermag auch mit 32-Bit Umgebungen wie auf TT und Falcon umzugehen.
Die CCDler haben ihre Hausaufgaben tatsächlich gemacht: Dateiaustausch übers Klemmbrett (in RTF- und ASCII-Formaten), Verarbeitung von Speedo-Schriften und Calamus-Font-Lademodule (für unserialisierte bzw. alle Calamus-Schriften) heben die Textverarbeitung auf den Stand der Software-Technik.
Trotz aller Innovation ist sich Tempus-Word treu geblieben. Umfangreiche Parametrierbarkeit konfrontiert den ungeübten Benutzer zuweilen immer noch mit Details, zu deren Klärung ein Blick ins Handbuch unerläßlich ist. Dessen wichtigsten Passagen sind in Form eines in das Programm integrierten Hilfesystems immer parat.
In der Textverarbeitung ist eine Datenbank enthalten, mit der Adressen etc. verwaltet werden können. Ein Terminkalender hilft zusätzlich, die Schreibtischarbeit mit Tempus-Word allein zu erledigen. Beides erreicht nicht die Qualität wie ein ausschließlich für den jeweiligen Zweck erstelltes Programm, genügt einfachen Ansprüchen jedoch.
Darüber hinaus kann die Arbeit auch mit Hilfe externer Programme wie z.B. der Datenbank TWIST stark vereinfacht werden. Dank der umfangreichen Makromöglichkeiten, die Tempus-Word bietet, kann die Datenübernahme mit nur wenigen Tastendrücken erledigt sein. Mit Hilfe der Makros lassen sich alle Bedienungen des Programms - auch innerhalb von Dialogen - aufzeichnen und zu einem späteren Zeitpunkt wiedergeben. Hier fehlt als Bonbon nur, daß die Makros auch verändert werden können, ohne sie erneut aufzuzeichnen.
Weitere Helfer im täglichen Einsatz sind Felder, die auch rechnen können, Formularfunktion, Serienbriefe, Tabellen und Textbausteine (Sie schreiben ‚mfg‘ und die Software macht automatisch ‚Mit freundlichen Grüßen‘ daraus.). Mit TeleOffice und QFAX ist ein sofortiger Versand der Schriftstücke via FAX-Modem möglich.
Konsequenz besitzt Tempus-Word auch, wenn es sich dem Benutzer anpassen soll: Ob Makrodateien, Kürzeldefinitionen, Seitenformate, Tabulatorzeilen oder gleich die gesamte Arbeitsumgebung - alles kann einzeln gespeichert und geladen werden. So kann jeder Benutzer seinen Arbeitsplatz schnell den eigenen Bedürfnissen (und Vorlieben) anpassen.
Zwei weitere Features sind ebenfalls wichtig, wenn mehrere Personen Zugang zu den Schriftstücken haben: Die Autorenverwaltung für jeden Text, der angelegt wird. Sinn und Zweck sowie eine Kurzbeschreibung können eingegeben werden. Ein Dateimanager hilft später, alle Texte eines Festplattenpfades aufzuspüren und einen bestimmten daraus zu suchen Ferner erlaubt Tempus-Word das Anlegen von Formdokumenten, denen sofort nach dem Laden ein neuer Dateiname gegeben werden muß.
Nein, dabei handelt es sich keinesfalls um eine journalistische Begriffskreation. Sie stammt vielmehr von den Programmautoren selbst, die Tempus-Word als ‚Text-und Autorensystem‘ bezeichnen.
Für die Verfasser längerer Machwerke ist jedenfalls genug Funktionalität vorhanden, um ihnen die Arbeit gehörig zu vereinfachen. Automatische Überschriftennumerierung, ein Gliederungsmodus, Index- und Inhaltsverzeichniserstellung, Fuß-, Kapitel- und Endnoten etc. sind die Werkzeuge, die beim Bearbeiten umfangreicher Texte notwendig werden.
Ein besonderes Special sind die Referenzen, die auf verschiedene Weisen eingesetzt werden können. Es ist möglich, quasi Platzhalter für Ziffern zu setzen, die Tempus-Word für das gesamte Dokument in der Reihenfolge ihres Auftritts durchnumeriert. Somit ist eine einfache Möglichkeit geschaffen, um z.B. Abbildungen zu numerieren. Selbstverständlich ist die Angabe eines Startwertes möglich, kann die Darstellungsform der Ziffern variiert werden und sind mehrerer solcher Numerierungen innerhalb eines Dokumentes machbar. (Das gehört zum oben beschriebenen Tempus-Word-Konzept, jede Funktion parametrierbar zu gestalten)
Bleiben wir noch beim Beispiel der Bildnumerierung. Es kann aus jeder Stelle des Dokumentes auf eine der Abbildungen hingewiesen werden, indem eine Referenz auf den entsprechenden Punkt gesetzt wird. Dabei wird die referierte Ziffer selbst oder die Seitenzahl in den Text eingefügt. Ein Beispiel für eine solche Referenz, zeigt eine der nebenstehenden Abbildungen. Wird ein neues Bild zwischen zwei bestehenden eingefügt oder ändern sich die Seitenpositionen, werden automatisch die Numerierungen und Referenzen angepaßt. Selbstverständlich steht es jedem frei, die Referenzen auch für andere Zwecke zu benutzen.
Bei der Bearbeitung von größeren Texten sind Subfenster von Nutzen, durch die man auf eine andere Stelle im Text blickt. Zum Beispiel, um sich eine Abbildung, die man gerade beschreibt, zu vergegenwärtigen. Der individuellen Anpassung an den Bedienenden kommt die freie Belegung der Tastatur entgegen: Mit Hilfe einer ASCII-Steuerdatei lassen sich jeder Befehl oder eine Befehlsfolge auf jede beliebige Tastenkombination (oder -folge) legen.
Sie brauchen weder ein Büro zu besitzen, noch ellenlange Diplomarbeiten zu schreiben, um Tempus-Word einzusetzen. Davon war ja bereits zu Beginn die Rede. Wenn Sie Ihre Arbeiten gerne mit auffälligen Überschriften verzieren wollen, dann ist vielleicht ‚Write and Flip‘ das Richtige für Sie. Mit Hilfe skalierbarer Calamus- oder Speedo-Schriften lassen sich kurze Texte auf vielfältige geometrische Weisen verzerren, was eine der Abbildungen demonstriert. Das Zusatzmodul ‚Write and Flip‘ bedarf gesonderter Bezahlung.
Das gleiche gilt für ein anderes, sehr nützliches Zusatzmodul mit dem Namen ‚Formel Pi‘. Im Prinzip ist dies ein Formelgenerator, der eine Eingabezeile aus einer speziellen Syntax in die bildliche Darstellung einer Formel wandelt. Beispielsweise wird aus
RT(8#3)
die dritte Wurzel aus acht. Die Formel wird als Bild in das Dokument übernommen, bleibt aber editierbar. Es tun sich natürlich Parallelen zu TeX auf, doch sei bereits verraten: So leistungsfähig wie TeX ist Formel Pi nicht. Das ist denn auch nicht Sinn der Sache, bei CCD stand eher das Ziel im Vordergrund, kurze Formeln mit einer schnell erlernbaren Syntax erstellen zu können. Und das ist den Machern von Tempus-Word gelungen. Bei mir hat die Einarbeitung ca. 30 Minuten gedauert, und schon hatte ich die nebenstehend gezeigten Formeln erzeugt. Für die Kritischen unter den Lesern habe ich die jeweils mit TEX gesetzten Formeln links und die Formel-Pi-Entsprechungen rechts dargestellt.
Im Vergleich wirken die mit Calamus-Schriften erzeugten Formeln etwas fetter, besonders die Sonderzeichen wie die Klammer und das Summenzeichen sind unelegant. Dem stehen der Geschwindigkeitsgewinn und die leichte Erlernbarkeit gegenüber. Um die Darstellung besser anpassen zu können, wäre ein variabler Zeichen- und Zeilenabstand allerdings sinnvoll. Alles in allem ist Formel Pi eine echte Bereicherung für Tempus-Word. Für Arbeiten im technisch-naturwissenschaftlichen Sektor, in denen Formeln nur gelegentlich eingestreut werden, ist das Modul genau das Richtige.
Auch von den übrigen Grafikmöglichkeiten, die Tempus-Word beherrscht, gibt es Gutes zu berichten: An der Erkennung von GEM-Metafiles, die auch Speedo-Schriften enthalten dürfen, wurde gefeilt. Wer darüber hinaus Kästchen, Linien oder andere Grafikprimitive benötigt, kann diese ebenfalls in seinen Text einfügen. Besitzer von 600-DPI-Druckern können bei Verwendung von Speedo- oder Calamus-Schriften die Auflösung einer solchen Maschine voll ausnutzen.
Im Rahmen eines Tests wird es kaum Situationen für ein ausgereiftes Programm geben, in denen die Grenzen so spürbar werden wie bei wochenlanger stetiger Arbeit mit der Software. Ich habe vor kurzem zwei jeweils rund 150 Seiten lange Arbeiten mit Tempus-Word geschrieben. Beide Texte wurden jeweils in einer Datei gehalten, also nicht kapitelweise aufgetrennt. Die Textlängen betrugen 340 bzw. 700 KB.
Auf einem TT mit schneller Festplatte benötigt Tempus-Word weniger als drei Sekunden, um den kürzeren der beiden Texte mitsamt zugehörigen Zeichensätzen zu laden. Das Speichern dauert nicht länger. Wenn man je Text rund 3-4 Megabyte an Bitmap-Bildern in 70 bzw. 120 Einzeldateien benötigt, ist es durchaus von Vorteil, daß das Programm die Bilder bei Bedarf von der Platte nachlädt und nicht mit dem Text speichert.
Jede Funktion des Programms scheint auf Geschwindigkeit ausgelegt, was einem sehr erleichtert, sich auf die Arbeit selbst zu konzentrieren. So ist es auch bei solch langen Texten möglich, sie in Echtzeit (!) mit der rechten Maustaste zu scrollen.
Das Programm ist während dieser Arbeiten äußerst selten abgestürzt und hat, wenn - dank automatischer Speicherung -, keinen Datenverlust verursacht. Insgesamt kann ich aufgrund dieser Erfahrungen Tempus-Word für umfangreiche Arbeiten empfehlen. Hier noch einige, zugegebenermaßen subjektive. Erfahrungen:
Die Arbeit mit Speedo-Schriften führt mit Tempus-Word zu keinem Geschwindigkeitsverlust. Denn diese werden in einem Cache gehalten und daher nur einmal geladen. Noch mehr zum Thema Geschwindigkeit: Der Ausdruck erfolgte auf einem HP-kompatiblen Laserdrucker, der maximal 6 Seiten pro Minute druckt. Für 59 Seiten, auf denen sowohl Grafik als auch Text (Speedo-Schriften) enthalten war, benötigte Tempus-Word 11 Minuten Druckzeit, das entspricht 5,3 Seiten/Minute. Dabei wurde der ‚HP spezial‘-Druckmodus verwandt.
Während der ‚Suchen und Ersetzen‘-Dialog für den Normaleinsatz verwirrend viele Einstellmöglichkeiten besitzt, gab es eine Situation, in der ich dankbar dafür war. Und zwar sollte in einem gesamten Dokument die Zeichenfolge ‚... cm‘ so ersetzt werden, daß zwischen der Zahl und der Einheit ein ‚hartes‘ Leerzeichen steht, das durch Blocksatz nicht in die Länge gezogen und durch Zeilenumbrüche nicht getrennt wird. Bei Tempus-Word ist die Suche unter Angabe von Wildcards und das Ersetzen auch mit harten Leerzeichen möglich, so daß die Arbeit mit wenigen Mausklicken erledigt war.
Das Beispiel zeigt erneut: Was bei weniger umfangreichen Arbeiten übertrieben scheint, führt bei langen Texten zu erheblicher Entlastung.
Allerdings gibt es auch von Schwächen zu berichten: Das Umbruchkonzept, bei dem die Seitenenden erst auf Befehl formatiert werden, ist lästig: ein echtes Zusammenklammem von Absätzen ist nicht möglich. So müssen häufig Umbrüche des Dokumentes manuell durchgeführt werden, damit Bilder und Bildunterschriften beieinander bleiben. Ein Absatzvorabstand fehlt leider - da muß eine Leerzeile für den nötigen Platz sorgen.
Der Trennalgorithmus weist Mängel bei zusammengesetzten Wörtern auf, an denen er häufig scheitert: Trennungen wie ‚Baugruppe‘ müssen dann manuell korrigiert und einem Ausnahmelexikon zugeführt werden.
Tempus-Word ist ein Produkt, das bereits seit einigen Jahren am Markt ist, an dem ständig gearbeitet wird und das daher einem permanenten Entwicklungsprozeß unterliegt. Da kommt es dann auch vor, daß sich vereinzelte konzeptionelle Mängel einschleichen. So können zwar skalierbare Schriften verarbeitet werden, sie müssen jedoch für jede Punktgröße erneut geladen werden. Das Vorgehen stammt von den Pixel-Schriften und wurde (noch) nicht an die getrennte Auswahl von Schrift und Punktgröße angepaßt.
Konsequenterweise erlauben die skalierbaren Schriften auch die stufenlose Vergrößerung der Monitordarstellung, was im aktuellen Konzept von Tempus-Word nicht möglich ist.
Nach einem permanenten Zuwachs in Form neuer Funktionen (an dem die Anwender durch Updates teilhaben konnten) steht demnächst eine Version 3.0 ins Haus, in der das gesamte Konzept erneut überarbeitet werden muß. Denn mittlerweile ist die Programmdatei (wieder einmal) auf über 500 KB angewachsen. In Zukunft wird wohl auch Tempus-Word ein modulares Konzept besitzen, so daß selten benutzte Funktionen wie Im- oder Exportfilter nach eigenem Ermessen fortgelassen werden können.
CCD hat weitere, tiefgreifende Veränderungen für die kommende Version angekündigt, und soviel darf schon verraten werden: Eine Undo-Funktion wird bestimmt dabei sein. Auf dem Aufgabenzettel steht noch mehr: Der manuell auszulösende Seitenumbruch sollte einem permanenten automatischen weichen, die Textdarstellung sollte Zoom erlauben. Bei den Blockoperationen wäre eine automatische Leerzeichenkorrektur wünschenswert, genauso wie ein Zeilenvorschub innerhalb eines Absatzes viel Formatierarbeit ersparen könnte. Weiterhin stehen auch noch Features aus, die die ‚ganz großen‘ Textverarbeitungen (in anderen Rechnerwelten) bieten: Synonymlexikon und Grammatikhilfe.
Die vergangen Jahre haben gezeigt, daß CCD die Textverarbeitung stetig weiterentwickelt, und die Hoffnung darauf, daß viele Wünsche in Erfüllung gehen, scheint nicht unbegründet. Mit der vorliegenden Version 2.8 kann Tempus-Word beschieden werden, erwachsen zu sein. Was natürlich nicht bedeutet, daß es nicht Bedarf für weitere Reifeprozesse gäbe.
Von Tempus-Word gibt es drei Versionen: Junior, Student und Pro, deren Preise zwischen 199,- und 654,- DM rangieren. Während die Junior-Variante auf viele Besonderheiten der großen Brüder verzichten muß, verfügt die Student-Version über alle Funktionen, die bei ‚normalen‘ Texten benötigt werden. Einige der oben erwähnten Features wie die Modulfähigkeit oder die Referenzen, die richtigen Knüller also, sind der Pro-Version Vorbehalten. Da gerade Studenten häufig genau diese Funktionen benötigen, bekommen sie die Pro-Version 200.- DM günstiger. Ansonsten nimmt CCD jedes alte Textprogramm gegen ein Tempus-Word Pro in Zahlung und rechnet dafür bis maximal 450 - DM an.
IB
Bezugsquelle
CCD Creative-Computer-Design
Hochheimer Straße 5
65343 Eltville
Preise:
Tempus Word Junior: 199.- DM
Tempus Word Student: 454.- DM
Tempus Word Pro: 654.- DM
Formel Pi-Modul: 89.- DM
Write- and Flip-Modul: 59.- DM
Calamus-Fontloader für unserialisierte bzw. alle Schriften: 59.- DM
bzw. 99.- DM
Literatur:
[1] Moderne Zeiten - Tempus-Word Vorabbericht - ST-Computer 6/90. S.38ff
[2] Na endlich - Tempus Word ist da - ST-Computer 2/91, S. 19ff
[3] Schreibmaschinen: Sieben Textverarbeitungen für den ST/TT - ST-Computer 4/92 S.39 ff.
[4] Was lange währt... - Tempus Word 2.0 - ST-Computer 9/92 S. 14f.