Das dominierende Layout-Programm im ATARI-DTP ist nach wie vor der Calamus SL, der seit der diesjährigen CeBIT auch in einer Version für Windows NT ausgeliefert wird. Grund genug also für uns, ein Gespräch mit der Geschäftsleitung von DMC über die weitere Zukunft des ATARI-Calamus zu führen. Auf der CeBIT sprach ich mit Dr. Riedl, bis Mitte letzten Jahres Technischer Direktor von ATARI Deutschland und nun in der DMC-Geschäftsleitung tätig.
ST Computer: Herr Dr. Riedl, welche neuen Aufgaben übernehmen Sie bei DMC?
Dr. Riedl: Ich denke, ich werde im Laufe der Zeit die Betreuung unserer Distributoren, die Pressebetreuung, einen Teil des Marketings und die Verbindung zu unseren Programmierern übernehmen. Im Moment ist es auch eine meiner Aufgaben, die Verbindung zu den ehemaligen Programmierern auf eine neue Grundlage zu stellen.
ST: Bisher war ja vorgesehen, die Entwicklung von Calamus SL und Calamus für Windows NT weitgehend parallel laufen zu lassen. Neuerungen auf beiden Plattformen, also auch neue Module für den SL, würden dann auch auf NT verfügbar sein und umgekehrt. Ist es bei dieser Absicht geblieben, die Programmversionen beider Plattformen in etwa gleichwertig zu behandeln? Wird es also auch Rückportierungen von Neuentwicklungen auf dem NT-Calamus zurück auf die ATARI-Plattform geben?
Dr. R.: Wir werden weiterhin bevorzugt auf Windows NT entwickeln und auch neue Module erst einmal nicht auf ATARI-Calamus anbieten. Was die Dänen (zuständig für die Portierung des SL auf NT, Anmerk. d. Red.) bis jetzt gemacht haben, geht ja über eine reine Portierung weit hinaus. Die haben ja auch schon eigene Module entwickelt, die so im SL nicht vorhanden sind. Ich glaube, es wird da wohl zwei gesonderte Entwicklungsstränge geben, einen für ATARI und einen für NT.
ST: Die aber nicht beide von DMC weiter gepflegt werden?
Dr. R.: Ich nehme an, daß die weitere Calamus-Entwicklung für die ATARI-Plattform eher außerhalb von DMC passieren wird. Ich hoffe aber, daß man vielleicht eine Verbindung zwischen den beiden Programmierer-Crews herstellen kann, warum sollten die sich auch nicht gegenseitig austauschen? Im Moment ist es aber erst einmal wichtig, beide Dinge zum Laufen zu kriegen. Die Portierbarkeit neuer Entwicklungen wird dann sicher möglich sein.
ST: Wobei für den ATARI-Calamus mit den ehemaligen Calamus-Programmierern und ihrer neuen Firma „as“ eine Entwickler-Crew ja bereits vorhanden ist.
Dr. R.: Ja klar, das drängt sich ja auch förmlich auf, ich werde auch darauf hinarbeiten, daß wir mit „as“ zu einer Vereinbarung kommen.
ST: Wie werden die weiteren Aktivitäten von DMC auf dem ATARI-Markt aussehen, besonders jetzt, wo mit dem EAGLE und der MEDUSA zwei sehr schnelle Rechner für den SL verfügbar werden, wenn sie auch nicht von ATARI selbst hergestellt werden? Wird sich DMC jetzt vom ATARI-Markt verabschieden?
Dr. R.: Wenn sich zeigen sollte, daß da wieder eine tragfähige Hardware-Basis entsteht, gibt es keine Gründe, nicht im ATARI-Markt weiter aktiv zu sein. Unser Engagement auf dem ATARI hängt letztlich also davon ab, wie sich der ATARI-Markt insgesamt weiterentwickelt.
Ich bin der festen Meinung, daß eine Plattform nur dann das Vertrauen der Anwender hat, wenn die Firma als solche auch dahintersteht. Wenn sie ein Signal dadurch setzt, daß sie eine Niederlassung im jeweiligen Land hat und als Ansprechpartner präsent ist. Und das ist im Moment nicht mehr der Fall. All das wird ja im Moment durch das Engagement von Software-Häusern, Händlern und Distributoren ersetzt. Und ich glaube schon, daß das für seriöse Anwender keine Vertrauensbasis schafft. Ich kann mich natürlich auch täuschen, aber das wird sich ja in Kürze zeigen. Die MEDUSA ist jetzt ja lieferbar, da wird man sehen, inwieweit es Leute gibt, denen der TT nicht mehr ausreicht und die sich eine MEDUSA kaufen. Ich halte die MEDUSA aber für zu teuer.
ST: Zumindest in puncto Geschwindigkeit ist Calamus SL/MEDUSA wohl eine reale Alternative zum RISC-Rechner mit Calamus für Windows NT. Dazu kommt auch, daß der Windows-NT-Markt, im Gegensatz zum ATARI-DTP, aktuell ja noch gar nicht existiert. Windows NT ist im Moment doch noch eine Plattform, die aufgrund der hier notwendigen Rechner-Performance nur einen Nischenmarkt bedienen kann.
Dr. R.: Das ist richtig. Aber es ist ja so, daß parallel zu Windows NT Windows 4.0 kommen wird, was dann die eigentliche Massenbasis für potentielle Calamus-Anwender sein wird. Langfristig ist auch geplant, daß Windows NT die meisten Hardware-Plattformen abdecken soll, die mit der Zeit entstehen werden. Welche von diesen das Rennen schließlich machen wird, weiß im Moment keiner. Daß Microsoft aber weiterhin die wichtigste Firma sein wird, daran ist, glaube ich, nicht zu zweifeln.
ST: Wie wurde der Calamus für Windows NT hier auf der CeBIT angenommen; ist er doch ein ernstzunehmendes Konkurrenzprodukt einerseits zu QuarkXPress, dem direkten Konkurrenten von Mac und PC, aber letztlich natürlich auch zum ATARI-Calamus SL?
Dr. R.: Im ATARI-Markt wird der NT-Calamus von professionellen Anwendern schon begrüßt. Ich glaube, daß tatsächlich eine starke Bindung bei Calamus-Usern an das Programm selbst vorhanden ist. Die sind nicht so stark an ATARI, sondern an Calamus orientiert.
ST: Die Ansprechpartner für DMC-Produkte sind im Moment noch die CPCs, die Calamus-Profi-Center. Wird sich das im Zuge der Markteinführung des Calamus für Windows NT ändern?
Dr. R.: Die CPCs werden erstmal aufgelöst und im Anschluß wieder unter neuen Gesichtspunkten neu gegründet werden, wobei es nicht so sein muß, daß dann wieder die gleichen Händler autorisiert werden. Der Support für den NT-Calamus wird dann zum Teil über die neuen CPCs laufen. Wir werden Calamus aber auch über andere Vetriebswege anbieten.
In erster Linie ist für eine Software-Firma nicht die Größe eines Marktes wichtig, sondern die Perspektiven, die in diesem Markt vorhanden sind. Vor 9 Jahren war auch der ATARI-Markt ein kleiner, aberstark wachsender Markt. Man wußte nicht: wird’s was oder nicht. Der NT-Markt ist im Moment sicher noch kleiner als der ATARI-Markt. Aber Windows 4.0 kommt. Man geht da vielleicht ein Risiko ein, aber mit einer Perspektive.
Mit Dr. Riedl sprach Jürgen Funcke