Studio Photo

Bildbearbeitung und Retusche - fürs Nachbearbeiten von Bildern gibt es viele Programme auf den ATARI-Rechnern. Alle haben sie eins gemeinsam: jede Menge Funktionen auf engstem Raum. Doch mit dieser geballten Ladung hat so mancher Hobby-Anwender seine liebe Not. Zu unübersichtlich, zu komplex der Leistungsumfang, als dass wirklich alle Funktionen genutzt werden. Studio Photo ist dagegen auf einfache Bedienung und die wesentlichen Bearbeitungsfunktionen ausgerichtet.

Studio Photo, das uns in der Version 1.0 zum Test vorlag, ist nicht unbedingt mit klassischen Retuscheprogrammen zu vergleichen. Statt mit selten benötigten Detailfunktionen zu strotzen, wartet das Programm mit einfacher Bedienung und grundsätzlichen Bearbeitungsfunktionen auf.

Intern verarbeitet das Retusche-Programm Bilder mit 16,7 Millionen Farben. Diese lassen sich in acht unterschiedlichen Formaten laden und speichern (SEE, TIF, GIF, TGA, PCS, IFF, DEGAS, NEO). Je nach Hardware - Grafikkarte, Monitor, Rechnertyp - stellt das Programm die Bilder in allen verfügbaren Auflösungen dar. Um es gleich vorweg zu nehmen: Entwickelt wurde Studio Photo auf einem Falcon030, auf dem es dann auch die besten Ergebnisse erzielt. Zum Lieferumfang von Studio Photo gehören jedoch auch spezielle Anpassungen für die 68000-ST-Reihe und den TT. Mit zunehmender Prozessorleistung steigert sich natürlich auch die Arbeitsgeschwindigkeit des Programms.

Die Installation auf Festplatte und eine eventuelle Deinstallation(!) besorgt ein spezielles Installationsprogramm. Eine Art Kopierschutz macht dabei das Original auf Diskette nach zweimaliger Installation unbrauchbar. Zwar ist ein reiner Diskettenbetrieb ebenso möglich, aufgrund der anfallenden Datenmengen ist dieses Vorgehen jedoch nicht sehr sinnvoll.

Grundsätzlich gesehen

Alle Funktionen zur Bildbearbeitung sind auf vier Pull-Down- Menüs, einer Farbtafel, einer Farbpalette und einer Werkzeugtafel untergebracht. Zum Laden eines Bildes müssen Sie zuvor anhand des Menüpunkts „Datei/Format“ das jeweilige Bildformat festlegen, Studio Photo erkennt dieses bedauerlicherweise nicht von selbst. Den gepackten Bildformaten wie JPEG oder GIF rücken die Lade- und Entpackroutinen selbst auf langsamen STs mit guter Geschwindigkeit zu Leibe. Wünschenswert wäre hier eine Möglichkeit

zum Abbrechen des Ladevorgangs. Noch ein Wort zu den unterschiedlichen Bildformaten. Bedauerlicherweise existieren auf den unterschiedlichen Plattformen der Computerwelt diverse Versionen eines Bildformats. Trauriges Beispiel ist etwa das „TIF“ -Format. Ungenügende, bis nicht vorhandene Dokumentationen machen es unmöglich, die angegebenen Formate in jeder Form zu laden und darzustellen. Diesem Manko unterliegt auch teilweise Studio Photo, aber wie gesagt, hier ist die Ursache nicht nur im Programmcode zu suchen.

Bevor Sie ein Bild komplett neu anlegen, sollten Sie bereits etwas übers Konzept von Studio Photo wissen. Die notwendigen Informationen dazu entnehmen Sie der knapp gehaltenen, aber dennoch informativen Anleitung. Unser Testkandidat verarbeitet entweder Grautonbilder mit 8 Bit Tiefe und 256 Graustufen oder 24-Bit-tiefe Volltonbilder mit 16,7 Millionen Farben. Wie bereits erwähnt, ist die interne Bildtiefe unabhängig von der momentanen Auflösung, somit ist eine optimale Bildqualität gewährleistet. Die Bildgröße läßt sich im handgestrickten, aber dennoch fliegendem Dialog über ein Pop-Up-Menü einstellen. Sie verwenden eines der elf Standardblattformate oder wählen eine benutzereigene Bildgröße und geben die Ausmaße in Pixel an. Bei den Standardformaten ist zudem die Auflösung in Stufen von 50, 75, 100, 150, 200, und 30 dpi anzugeben.

Zur Benutzerführung bleibt anzumerken, dass nicht immer auf Anhieb klar ersichtlich ist, wohin ein Mausklick zu erfolgen hat, wann welcher Dialog erscheint und in welchem Teil des Programms sich der Anwender gerade befindet. Etwas mehr Dialog mit dem Benutzer wäre angebracht. Kehren wir aber zum eigentlichen Anliegen des Programms, der Bildbearbeitung zurück. Jedes farbige Bild besteht im Grunde genommen aus der Kombination der drei Grundfarben, beziehungsweise ihren „elektronischen“ Pendants Cyan, Magenta und Yellow. Jede Grundfarbe trägt in Studio Photo die Bezeichnung „Farbebene“, die wiederum aus einer Abstufung von 8 Bit Tiefe besteht. Im „Arbeiten“-Menü wählen Sie zur Bearbeitung eine dieser drei Farbebenen aus. Der Übersicht halber lässt sich in diesem Falle auch auf reine Graustufendarstellung umschalten. Neben dieser relativ einfachen Farbseparierung finden sich hier, etwas unmotiviert, die Funktionen zum Einfügen von Bildblöcken. Das Ausschneidewerkzeug befindet sich nämlich im Werkzeugfenster, auf das wir gleich zu sprechen kommen.

Farblich gesehen

Global wirksame, das heißt auf das ganze Bild auswirkende Funktionen, finden Sie im „Effekte“-Menü. Dieser reichhaltig bestückte Programmteil enthält mächtige Befehle, die das Bild zum Teil recht kräftig verändern. Die allgemeinen Funktionen, wie Aufhellen, Abdunkeln, Kontrast, Helligkeit und Weichzeichnen lassen sich jeweils in drei Stärken (Schwach, Mittel, Stark) und einer frei einstellbaren Intensität anwenden. Einen interessanten Effekt erreichen Sie mit „Mosaik“, das einzelne Bildpunkte in Breite und Höhe vergrößert und dadurch das Bild aufrastert. Neben einfacher Farbumkehrung (Invertieren) lassen sich die jeweiligen RGB-Werte auch prozentual in Graustufen umwandeln.

Als recht komplex erweisen sich die Filter-Funktionen. Neben den globalen Filtern, die nur in einer Farbebene wirken und lediglich als Graustufenskala zur Verfügung stehen, gibt es die Farbtonfilter, die immer mit allen Farben arbeiten. Mit Hilfe dieser Filter lassen sich beispielsweise Verzerrungen und Unreinheiten im Bild relativ leicht korrigieren. Im Filter-Dialog sind die Quell- und Zielfarbe als vertikale und horizontale Achse dargestellt. Eine Diagonale versinnbildlicht die Graditationslinie zwischen Quell- und Zielfarbe. Zum Einstellen der Filter führen Sie einen Doppelklick auf die Diagonale aus und verbiegen sie dann anschließend gemäß Ihren Bedürfnissen. Nach dem abschließenden Mausklick rechts zeigt der waagrechte Balken den neuen Verlauf der Zielfarbe. Natürlich lassen sich auch einzelne Farbtöne expliziert anwählen.

Wie immer bei derartigen Arbeitsumgebungen klingt die theoretische Beschreibung furchtbar kompliziert. Aber das Prinzip ist nach wenigen Versuchen leicht zu durchschauen und verführt direkt zum Experimentieren. In Kombination mit der Farbebenenwahl lassen sich hier schon recht spezifische Aufgaben bewältigen.

Die Funktion „Konvultion“ legt die Wirkungsbreite der Filter fest. Für jeden Bildpunkt, der durch einen Filter bearbeitet wird, bestimmen Sie Anzahl und Lage der Nachbarbildpunkte, die ebenfalls ihren Teil vom Filter abbekommen. Insgesamt stellt Studio Photo hier 39 verschiedene mathematische Funktionen, sprich Filtertypen, zur Verfügung. Phantasievolle Befehle wie zum Beispiel La Place-Filter, Sobel-Filter oder Akzent und Schuß entdecken Sie beim etwas mühseligem Durchhangeln durch die ineinander verzweigenden Pop-Up-Menüs.

Fehlen darf bei einer Bildbearbeitung natürlich nicht das „Histogramm“. Anhand des Dialogs legen Sie die optimale Farbwirkung fürs gesamte Bild fest, indem Sie Helligkeit, Kontrast und Farbsättigung in Relation zueinander setzen lassen und dann verändern. Dieser Teil ist für Ungeübte nicht ganz einfach zu durchschauen, aber das Handbuch gibt auch hier die notwendigen Grundinformationen. Als sinnvoll erweist sich hier das spielerische Erarbeiten der einzelnen Möglichkeiten. Ebenfalls im Effekt-Menü sind die Befehle zum Rotieren, Spiegeln und Skalieren der Bilder vorhanden. Zusätzliche Bearbeitungsmöglichkeiten stellt die Modulschnittstelle bereit, die zudem eine einfache und schnelle Erweiterung des Programms erlaubt.

Im Fenster-Menü finden Sie allgemeine Funktionen der Bilddarstellung. Interessant ist hier die Möglichkeit, das Bild außerhalb des Fensters als ganze Seite anzuzeigen. Mittels des Zooms gehen Sie den Bildinhalten noch mehr auf dem Grund.

Acht Abstufungen von 16:1 bis 1:16 sind vorgesehen, neben Vergrößerungen ist ebenso die verkleinerte Darstellung möglich.

Ins Fenster gesehen

Für die Retusche ist natürlich auch eine Werkzeugkiste mit den entsprechenden Malutensilien notwendig. Diese Palette rufen Sie mit einem Mausklick rechts auf. Über 10 Werkzeuge, vom Pinsel, Bleistift, Sprühpistole bis zu Wisch- und Schärfgeräten reicht das Angebot. Farbeimer und Farbwähler sowie eine Lupe, die fürs schon erwähnte Zoomen sorgt, runden den Kisteninhalt ab. Die jeweiligen Werkzeugparameter, zum Beispiel Pinselform und -stärke, Intensität, Farbe usw., lassen sich in der Regel getrennt einstellen. Schade, dass die momentane Konfiguration des Werkzeugs nicht direkt beim Aufruf zu erkennen ist. Wo es sinnvoll ist, lässt Studio Photo auch die Wahl zwischen Punkt-, Linien- und Bezier-Modus fürs Zeichnen von Linien, beziehungsweise das Anlegen

der entsprechenden Pfade zu. Dadurch wandert der Pinsel beispielsweise selbsttätig eine Bezier-Kurve entlang.

Recht gut gelungen sind die Rechteck-und Ellipsenmasken, die Farbverläufe oder -abstufungen erlauben. Zum Auschneiden und Kopieren von Blöcken ist lediglich eine rechteckige Form vorgesehen. Dafür können Sie den Pufferinhalt aber direkt in ein zusätzliches Fenster ablegen. Erfreulicherweise funktionieren alle Werkzeuge auch in den Zoom-Darstellungen.

Abschließend gesehen

Wer sich in die Grundlagen der Bildbearbeitung und der Retusche einarbeiten möchte oder auf einfache, aber effektive Funktionen Wert legt, der ist mit Studio Photo gut beraten. Allerdings bleibt anzumerken, dass im zunehmenden Maße auch Grafik- und Malprogramme über weitreichende Bildbearbeitungselemente verfügen. Zieht man dann noch das fehlende Undo und nicht vorhandene Druckroutinen hinzu, so lohnt sich sicherlich das Warten auf die Weiterentwicklungen „Studio Photo DSP“ und „Studio Photo Professional“.

Bezugsquelle: Compo Software

Studio Photo

Positiv:


Andreas Wischerhoff
Aus: ST-Computer 04 / 1994, Seite 44

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