In dieser Rubrik sollen aktuelle Rechtsprechungen und juristische Grundlagen rund um den Computer vorgestellt werden. Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und arbeitet im Büro auf ATARI ST/TT-Computern.
Rechtsprechung
Die Programmierung von Individual-Software hat vielerlei Tücken und Hindernisse. Das größte Problem liegt hierin, wie auch bei der Erstellung von Standard-Software, in der Einhaltung der vorgegebenen Fertigstellungsfristen. Da der Auftraggeber seine gesamte Organisation auf den Zeitpunkt abstellen muß, zu welcher die Software nach dem vereinbarten Termin zur Übernahme bereit sein wird, können bei größeren Auftragsvolumen Verzögerungen zu kaum abschätzbaren Schäden führen. Ein entsprechender Fall beschäftigte daraufhin auch den Bundesgerichtshof. Der Angelegenheit lag folgender Sachverhalt zugrunde.
Im April 1982 beauftragten beide Firmen die Klägerin mit der Erstellung von Programmen, die ihre Geschäftsvorgänge datenmäßig erfassen sollten. Zu diesem Zweck sollte ein bereit vorhandenes Programm der Firma D angepaßt werden. Ihre Vergütung sollte die Klägerin auf der Grundlage von Stundensätzen erhalten. Für ihre in der Folge erbrachten Arbeiten berechnete die Klägerin beiden Firmen 480.000,-DM.
Mit Schreiben vom 03.08.1982 drohte ihr die Beklagte die Beendigung der Zusammenarbeit an. weil die Rechnungen nicht nachprüfbar, die Aufgabenbereiche der Auftraggeber nicht klar abgegrenzt und die Fertigstellungstermine, nach denen die Programme bis Mitte Juli 1982 arbeitsfähig und nach einer Einarbeitungsphase im August 1982 zur Verfügung hätten stehen sollen, nicht eingehalten worden seien. Nachdem die Arbeiten Anfang Dezember 1982 nicht abgeschlossen waren, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 05.12.1982 nach vorherigen Mahnungen die Geschäftsbeziehungen zur Klägerin mit der Begründung fristlos, daß die Beratungsleistungen mangelhaft gewesen, die Kosten im Software-Bereich weit überschritten und die verbindlichen Endtermine weit überzogen worden seien. Sie lehnte weiterhin jegliche Zahlungen ab. Für die noch nicht vergüteten Arbeiten von insgesamt 116.441,40 DM nebst Zinsen verklagte die Klägerin die Beklagten. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; auf deren Rechtsmittel hat das Berufungsgericht diese Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dagegen richtete sich die Revision der Klägerin mit der sie ihr bisheriges Begehren weiterverfolgt.
Der Bundesgerichtshof hat hierbei ausgeführt, daß eine außerordentliche Kündigung eines Werkvertrages durch den Besteller den Werklohnanspruch des Unternehmens für den bis zur Kündigung erbrachten Teil der Werkleistung grundsätzlich nicht berührt. Das würde also auch bedeuten, daß das Unternehmen grundsätzlich bei fristloser Kündigung, mag sie berechtigt sein oder nicht, den Anspruch auf Entgeltzahlung hat. Der BGH schränkte diese soweit aufzufassende Rechtsprechung jedoch ein bißchen ein. Demnach ist der Teilvergütungsanspruch dann unbegründet, wenn das Teilwerk wertlos ist.
Wie vielleicht dem einen oder anderen der geneigten Leserschaft bereits bekannt ist, gibt es einen großen Unterschied zwischen Recht haben und Recht bekommen. Der entscheidende Unterschied liegt nämlich dabei gleichzeitig darin, wer was zu beweisen hat. Kann derjenige, der die Beweislast hat, seine behaupteten Tatsachen nicht beweisen, dann unterliegt er mit seinem Begehren, auch wenn er im Recht ist. Der Bundesgerichtshof hat hier entschieden, daß den Besteller die Beweislast dafür trifft, daß das Teilwerk wertlos ist; dafür, daß das Teilwerk als solches mangelfrei ist, trifft den Ersteller die Beweislast. Für die Praxis bedeutet dies folgendes:
Kündigt der Auftraggeber den Vertrag fristlos, dann hat er grundsätzlich den bis dahin angefallenen Teilvergütungsanspruch des Unternehmers zu tragen. Wenn er behauptet, daß die Teilleistungen für ihn wertlos seien, dann muß er das beweisen. Wenn er dagegen behauptet, die Teilleistungen seien mangelhaft, dann muß der Unternehmer beweisen, daß das Teilwerk mangelfrei ist. Das ist allerdings teilweise sehr kompliziert, weil etwas, das sowieso nur zum Teil fertiggestellt wird, üblicherweise sowieso nicht richtig funktioniert. Wenn jedoch etwas sowieso nicht richtig funktioniert, ist es äußerst schwierig, daraus abzuleiten, daß es nur deswegen nicht funktioniert, weil es noch nicht fertig ist und nicht deswegen, weil es mangelhaft ist. Jedenfalls werden an solchen Fallkonstellationen die entsprechenden Sachverständigen eine Menge Geld verdienen.
(BGH in CH 93/759 ff.)
Wie in jeder Branche, so wird auch auf dem EDV-Markt bei Werbungen gelogen, daß sich die Balken biegen. Das Problem jedoch hierbei ist immer, was ist noch erlaubte Werbung und Übertreibung, und was ist Zusicherung. So kann sich natürlich jeder denken, daß das Waschmittel W, das weißer als weiß wäscht, nicht weißer waschen kann als andere Waschmittel auch. Auf den EDV-Markt bezogen, ist natürlich auch die Angabe bei Festplatten, es handele sich um eine schnelle Festplatte, auch ein sehr relativer Begriff. Das Landgericht Tübingen hat jedoch hier Nägel mit Köpfen gemacht.
Das Landgericht führt aus, daß für den Fall, daß im Prospekt eine „schnelle 40 Megabyte-Festplatte“ angeboten wird, dies Zugriffszeiten bedeuten, die etwa zwischen 14 und 19 ms liegen. Die tatsächlich gemessenen Zugriffszeiten von 100 ms sind demgegenüber ein Mangel.
Bei solchen klaren Aussagen handelt es sich hier so gar, wie es sehr selten anzufinden ist, um eine Entscheidung, die nicht nur allgemeine Rechtsausführungen gibt, sondern Angaben macht, die sehr genau einzuschätzen sind.
(LG Tübingen in CR 93/772)
Zeichenrechtliche Produktpiraterie ist ein bekanntes Übel, gegen das sich bekannte Firmen zu wehren haben. Merkmal dieser Form der Konkurrenzkämpfe ist, daß bekannte Warenzeichen von der Konkurrenz verändert oder gefälscht werden, um eine Waren unter dem Namen des bekannten Warenzeicheninhabers auf den Markt zu bringen. Dies war auch der Streitgegenstand einer Entscheidung des Landgerichts München I.
Die Firma Microsoft klagte gegen einen Computerhändler. Die Beklagte bezog im Spätsommer 1991 über eine taiwanische Firma Angebote über Lieferungen für Betriebssystempakete MS-DOS 5.0. Zwar traf die Beklagte mehrere Maßnahmen, um sicherzugehen, daß es sich um keine Fälschungen handelte. So überprüfte sie beispielsweise die Dateien des Original-MS-DOS Betriebssystems Nr. 5 deutsche Version mit den Lieferungen. Sie stellte hierbei fest, daß die Dateien die gleiche Dateilänge haben, Text und Abbildungen der dazugehörigen Handbücher stimmen mit den Originalhandbüchern überein. Die Disketten, wie auch die Handbücher sind mit Warenzeichen „Microsoft“ und „MS-DOS“ versehen. Trotzdem ergab ein Testkauf von 50 Stück durch eine Testkäuferin in München nach Ansicht der Klägerin, daß es sich bei diesen „Packaged-MS-DOS“ um Raubkopien handelt. Die von der Beklagten vertriebenen Systempakete wiesen nämlich im Gegensatz zu dem von der Klägerin vertriebenen original Betriebssystempaketen folgende unterschiedliche Merkmale auf:
a) Der Schriftzug „Microsoft“ in dem Hologramm, daß auf dem Rücken des Handbuchs angebracht ist, ist leicht nach rechts oben gedreht, und die Unterlänge des Buchstabens „S“ liegt tiefer als das untere Ende des Buchstabens „T“,
b) auf der Frontseite des Kartons ist der Buchstabe „D“ der ineinander verschlungenen Buchstaben „DOS“ mittelgrau (nicht beigegrau),
c) die Schnittlinie der ineinander gesteckten Platten des Kartonbodens verläuft überwiegend parallel (und nicht geradlinig schräg zu den Kanten).
Die Firma Microsoft verlangte Unterlassung und Herausgabe zur Vernichtung. Die Beklagte war der Auffassung, daß der Anspruch auf Vernichtung der Produkte unter Beachtung der Gesamtumstände grob unverhältnismäßig sei. Die besonderen Voraussetzungen für einen Vertrieb der Produkte entsprechend der von der Klägerin aufgestellten Bedingungen (Angabe der eigenen Firma mit einer Schriftgröße, die mindestens ebenso groß ist wie die Schriftzüge des MS-DOS) könne ohne weiteres auch nachträglich erfüllt werden. Schließlich seien die Beklagten auch bereit gewesen, die Klägerin in Geld zu entschädigen. Darüber hinaus besteht auch ein dann geltend gemachter Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht, da die Beklagte kein Verschulden träfe. Die Beklagten hätten die Lieferanten mit Unterstützung eines langjährigen und zuverlässigen Geschäftspartners sorgfältig ausgewählt. Bei dem bezahlten Preis von US $ 57,- zzgl. Nebenkosten habe keinerlei Anlaß bestanden, wegen dieses Einstandspreises zu vermuten, es könne sich um Raubkopien handeln.
Das Landgericht München I entschied, daß der Vertrieb von Programmen, die außerhalb der Lizenzgestattung des Warenzeicheninhabers mit dessen Warenzeichen versehen worden sind, eine Warenzeichenverletzung auf allen Handelsstufen sei. Hierbei handele der Händler auch schuldhaft, wenn er verdächtig erworbene Programme nicht durch den Originalhersteller untersuchen lasse. Aus diesem Grund habe der inländische Händler widerrechtlich gekennzeichnete Programme zur Vernichtung herauszugeben. Der Händler hat hierbei weder ein Anspruch auf Nachkennzeichnung, noch auf Lizenzabgeltung durch Zahlung. Das Landgericht München gab daher grundsätzlich der Klage statt. Die Händler sind daher gewarnt, daß sie das volle Risiko tragen, wenn sie aus dubiosen Quellen günstige Programme beziehen.
Landgericht München I in CR 93/S. 698 ff).
CK