In dieser Rubrik sollen aktuelle Rechtsprechungen und juristische Grundlagen rund um den Computer vorgestellt werden. Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und arbeitet im Büro auf ATARI ST/ TT-Computern.
Rechtsprechung.
Der Horror eines Verkäufers ist üblicherweise der absolut unerfahrene Computerneuling, für den sogar Begriffe wie "Formatieren" oder "Computermaus" etc. Fremdwörter darstellen. Bei derartigen Kunden bedarf es üblicherweise eines unproportional hohen Beratungsaufwandes, um den Kunden zufriedenzustellen. Der Beratungsaufwand ist auch deshalb so hoch, weil der Kunde nach Kauf der Anlage mit jedem noch so kleinen Problem, das, ein wenig Verständnis vorausgesetzt, eigentlich keines ist, zum Hard- oder Software-Hersteller läuft. Zumeist gehen die Kunden auch aufgrund der vielversprechenden Werbung mit einer Begeisterung an den Computer heran, die sich aufgrund der eintretenden Probleme allerdings schnell relativiert. Da der Käufer sich jedoch selten als "unbegabt" einschätzt, ist es somit immer der Verkäufer oder Software-Hersteller, derdie Schuld an der Misere trägt. Dies war auch der Ausgangspunkt im Streit vor dem Landgericht München II.
Hiernach verlangte der Käufer nach Kauf einer Anlage im Wert von etwa 9.000,- DM im Jahr 1991 eine zusätzliche Einweisung in die Benutzung und setzte für den Verkäufer durch Anwaltschreiben auch noch unter Druck. Da der Verkäufer nicht reagierte, teilte der Käufer über seinen Anwalt sogar mit, daß er nunmehr Schadenersatz verlange und vom Vertrag zurücktrete. Bislang hatte er auch die Zahlung der Anlage verweigert. Der Verkäufer klagte nunmehr auf Zahlung.
Das Landgericht München II gab dem Verkäuferrecht. Es begründete seine Auffassung, daß eine Nebenpflicht des Verkäufers zur Unterweisung im Gebrauch der Kaufsache in der Regel nicht bestünde, sondern vielmehr nur unter besonderen Umständen. Der Verkauf von Hard- und Standard-Software zum Gesamtpreis von knapp 9.000,- DM vermochte im Jahre 1991 eine derartige Nebenpflicht nicht zu begründen. Zwar existiere eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, wonach eine solche Nebenpflicht des Verkäufers mit der Begründung bejaht wurde, der Käufer sei mangels eigener EDVKenntnisse ohne Einweisung und Einarbeitung zur Nutzung der Anlage häufig gar nicht imstande. Diese Erwägung treffe jedoch für das Jahr 1993 nicht mehr zu. Denn inzwischen sei die Computertechnik gerade im Bürobereich so weit verbreitet, daß der Verkäufer einer Computeranlage nebst Standard-Software - zumal in der hier streitgegenständlichen Größenordnung - davon ausgehen könne, daß der Käufer und Anwender ausreichende EDVKenntnisse besitze, um die Anlage und die Software allein mit Hilfe der mitgelieferten Benutzeranweisungen bedienen zu können. Der Verkäufer sei nicht verpflichtet, den Mitarbeitern des Käufers überhaupt erst das erforderliche Grundwissen im Umgang mit einer Computeranlage zu vermitteln, jedenfalls nicht ohne besondere Vereinbarung und besondere Vergütung.
(LG München II in CR 93/367)
Aufgrund der Rezession, die auch vor der Computerbranche nicht haltmacht, versucht die angeschlagene Branche durch immer aggressivere Werbemethoden die Kunden zu finden. Das kann man auch im ATARI-Bereich sehr gut beobachten. So bieten gerade Versandhäuser mit großen und auffälligen Werbeanzeigen die Hardware zu günstigen Preisen an, die der Fachhandel kaum unterbieten kann. Im Gegensatz zum Fachhandel verfügen diese Versandhändler jedoch häufig nicht über ein ausreichendes Warenangebot. Vielmehr wollen diese Versandhändler die Kunden an sich binden und erst bei Vorliegen einer ausreichenden Bestellmenge die Waren ordern, um sie dann an die Kunden weiterzuleiten. Die Kunden sind dann meistens die Betroffenen, weil sie wochen- bis monatelang auf ihre Ware warten müssen, die sie beim Fachhandel sofort hätten abholen können.
Das OLG Stuttgart entschied hierzu, daß auf jeden Fall ein ausreichendes Angebot vorliegen muß, wenn EDVProdukte beworben werden. Ausdrücklich wurde festgestellt, daß derjenige, der Computerkombinationen zusammenstellt und mit einem attraktiven Paketpreis herausstellt, diese jedenfalls am Erscheinungstag der Werbung auch in ausreichender Menge vorrätig haben muß. Vier Kombinationen sind kein ausreichender Vorrat in diesem Sinne. Die Versandhändler sollten daher, auch zugunsten der Kunden, vorsichtig mit der Werbegestaltung sein.
(OLG Stuttgart in CR 93/506)
Eine interessante Entscheidung für Software-Hersteller und auch Kunden erging in diesem Jahr seitens des OLG Köln.
Das Problem in der Software-Herstellung liegt meistens in den Zeitvorgaben, da diese von den Herstellern erfahrungsgemäß nie eingehalten werden. Das betrifft natürlich insbesondere die StandardSoftware. Aussagen wie: im ersten Quartal, im ersten Halbjahr oder gar die Angabe eines genauen Monats können bedenkenlos mißachtet werden, weil davon auszugehen ist, daß die Software sowieso zum nächstspäteren Termin erscheinen wird.
Etwas anderes kann natürlich für Individual-Software gelten. Hier kann der Software-Hersteller durchaus Probleme bekommen, wenn er einen konkreten Lieferzeitpunkt zusagt, diesen jedoch nicht einhält.
Das Oberlandesgericht Köln hatte in dem vorliegenden Rechtsstreit einen Fall zu entscheiden, bei welchem ein Individual-Software-Hersteller einen bestimmten Termin einzuhalten hatte. Dieser Termin habe sich allerdings nur dadurch ergeben, daß vorher die Installation einer anderen Software hätte stattfinden müssen. Letztere Installation erfolgte jedoch, wie auch die erste, zu spät. Der Anwender nahm daraufhin den Hersteller der Individual-Software in Schadensersatzhaftung.
Das Oberlandesgericht Köln entschied hierzu, daß für den Fall, daß die Parteien einen bestimmten Termin für Lieferung von Hard- und Software vereinbart hatten und die Software nicht pünktlich geliefert würde, der Lieferant nicht ohne eine weitere Mahnung in Verzug gerate, wenn der Anwender zunächst eine andere Software von einem weiteren Lieferanten installieren lassen will, diese Installationsbemühungen sich aber über den vereinbarten Liefertermin hinaus ziehen. Der Anwender hätte also hier noch einmal mahnen müssen, um seinen Schaden aus Verzug geltend zu machen.
(OLG Köln in CR 93/506)
Ein im Vergleich zur letzten Entscheidung entgegengesetztes Urteil wurde jüngst vom Oberlandesgericht Köln gefällt. Dort hatte der Verkäufer Zusatzleistungen übernommen, und der Käufer war der Auffassung, daß diese übernommenen Zusatzleistungen schlecht erfüllt worden seien. Der Hardware-Verkäufer (Klägerin) hat bei dem Käufer (Beklagte) auf Grundlage seines Angebotes eine Mehrplatzanlage eingerichtet. Als "File-Server" (Netzwerkzentralrechner) sollte ein vorhandener PC IBM AT 03 (286er) eingesetzt werden, der zu diesem Zweck mit einer 115MB-Festplatte aufgerüstet werden sollte. Als Preis waren 100.000,- DM zzgl. MWSt. vereinbart. Hierin waren diverse Progamme der Klägerin enthalten. In dem "Produktschein" der Klägerin, der dem Angebot zugrunde lag, hieß es u.a. "inkl. 2 Tage Einarbeitung zu 8 Stunden, inkl. Hardware-Installation und Bespielung. Altprogramme der Firma M. werden auf ein Unterverzeichnis kopiert." Bei diesen "Altprogrammen" handelte es sich um Finanzbuchhaltung, Fakturierung, Lohn- und Gehaltsprogramm und zwei Textprogramme.
Mit der Zeit stellte sich jedoch heraus, daß die überspielten Programme über das Netzwerk kaum liefen. Darüber hinaus scheiterte das Überspielen der Programme, und auch die bislang nicht erfolgte Einweisung wurde angemahnt. Nachdem nichts weiterhalf, erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag.
Das OLG Köln gab der Beklagten recht und stellte in seiner Entscheidung fest, daß bei einem Vertrag über die Errichtung einer Mehrplatzanlage die zu überspielenden Programme aufrufbar und benutzbar sein müssen. Unternehme der Anbieter hierbei innerhalb der ihm gesetzten Fristen keine zumutbaren Anstrengungen, dieses Ergebnis herbeizuführen, so könne der Besteller vom gesamten Vertrag zurücktreten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Altprogramme nicht nur vorübergehend weiter genutzt werden sollten und es sich um Programme handele, die für den Betrieb von Bedeutung seien. Nimmt der EDV-Anwender im Rahmen der Vertragsverhandlungen über den Erwerb von Hard- und Software die besonderen Fachkenntnisse des Anbieters in Anspruch, sei dieser verpflichtet, auf die eingeschränkte Verwendbarkeit eines zum Einsatz als File-Server vorgesehenen und beim Anwender vorhandenen 286er AT hinzuweisen, der wegen der geringen Verarbeitungsgeschwindigkeit nicht mehr dem Stand der Technik entspreche.
(OLG Köln in CR 93/278)
Das Handbuch eines technischen Gerätes oder einer Software ist ein wesentlicher Bestandteil davon, so daß Mängel darin sich auch auf die gesamte Anlage auswirken können. Mängel am Handbuch sind jedoch besonders häufig zu erkennen, wenn man Peripheriegeräte zum Computer erwirbt. So erweist sich beispielsweise das Handbuch eines Modems in der Regel als für den Laien unverständliches Sammelsurium englischer Fachbegriffe in einem in englischer Sprache gehaltenen Begleitbuch. Die vorliegende Entscheidung geht zwar nur auf die Gebrauchsanweisung für Kopiergeräte ein, die wesentlichen Entscheidungsgrundsätze lassen sich aber auf jedes technische Gerät übertragen.
So stellte das Oberlandesgericht Hamburg fest, daß Kopiergeräte, denen keine deutsche Gebrauchsanweisung beigefügt ist, in der Bundesrepublik Deutschland nur dann verkauft oder umworben werden dürfen, wenn der Händler ausdrücklich und unmißverständlich auf diesen Umstand hinweist. Ohne einen solchen Hinweis des Händlers stelle jedes Werbeschreiben des Händlers einen Fall irreführender Werbung dar, selbst wenn ein Wiederverkäufer als Abnehmer aufgetreten sei.
Mit dieser Entscheidung sollten alle Händler vor Wettbewerbsvereinen und "geschäftstüchtigen" Rechtsanwälten gewarnt werden, die häufig die einschlägigen Fachzeitschriften auf wettbewerbswidrige Annoncen durchblättern und bei Verdacht auf Verstöße sogleich kostenpflichtige Abmahnungen in Höhe von häufig zwischen DM 150,00 und 1.500,00 liegenden Beträgen verteilen.
(OLG Hamburg in CR 93/498)
Erneut hat der Bundesgerichtshof festgestellt, daß die Dokumentation einer der wichtigsten Teile einer Computeranlage ist. Fehlt diese, so fehlt es an der Erfüllung des gesamten Vertrages. Ausdrücklich wurde festgestellt, daß es beim Kauf einer aus Hard- und Software bestehenden Computeranlage an der Ablieferung fehle, solange die zur Hauptleistungspflicht des Verkäufers gehörende Lieferung der Hardund SoftwareHandbücher nicht erfolgt sei.
Problematisch bleibt jedoch nach wie vor, woran festgestellt werden kann, ob ein Handbuch mangelhaft oder so dürftig ist, daß man von den notwendigen schriftlichen Unterlagen nicht mehr sprechen kann. Die Kriterien für eine derartige Unterscheidung sind leider kaum auffindbar.
Es besteht jedenfalls Einvernehmen darüber, daß das Handbuch (außer wenn es für Informatikprofis gedacht ist) deutsch sein muß. Die Tatsachen, daß Englisch die Computersprache und die verbreitetste Fremdsprache in Deutschland ist, helfen über diesen Mangel nicht hinweg. Mehr läßt sich jedenfalls der BGH-Entscheidung nicht entnehmen.
(BGH in CR 93/422)
CK