Kurz vorgestellt: DA's Vektor Professional

Es ist noch kein Jahr her, da brachte die Software-Firma Digital Arts mit ihrem zweiten Produkt einen Renner unter den Vektorprogrammen auf den ATARI-Markt: DA's Vektor. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft folgt nun mit DA's Vektor Professional die Fortsetzung.

Bei der Arbeit mit Blendings und Verläufen können Varianten einer Vektorgrafik innerhalb weniger Minuten erzeugt werden. Die Richtung eines Verlaufs wird, ebenso wie der Beginn von Start- und Zielfarbe, einfach mit der Maus ins Bild gezogen. Diese Punkte können auch außerhalb der Grafik liegen oder nur einen kleinen Teil derselben markieren, um beispielsweise Lichtreflexe zu simulieren.

Wie das „kleine" DA's Vektor, so besteht auch die Professional-Version gleich aus mehreren Programmteilen, die allesamt als vollwertige eigenständige Programme für vektororientierte Arbeiten durchgehen könnten. Alle Werkzeuge aus DA's Vektor sind natürlich auch in der Professional-Version enthalten. Lassen Sie uns einmal einen kurzen Blick auf die wesentlichen Neuerungen werfen, die DA's Vektor „Professional" machen. Neben einigen kleinen Verbesserungen und Ergänzungen in der Bedienungsführung sind hiervon vor allem die Programmteile „Vektorgrafik" und Animation betroffen. Auf diese wollen wir uns in diesem kurzen Überblick beschränken.

Vektors Metamorphosen

Beurteilungskriterien für einen Vektoreditor sind in erster Linie sicher die Möglichkeiten, die er zur Bearbeitung und Manipulation der erzeugten oder fertig vorliegenden Grafiken bietet, und in welcher Qualität er das zu leisten vermag. In der kleinen DA's-Version war beispielsweise der „Zeit-Raum-Konverter" solch ein überzeugendes Werkzeug. Mit ihm kann eine Animation zwischen zwei Vektorobjekten durchgeführt werden, um etwa organische Rundungen und Verläufe in Grafiken zu erzeugen.

Schade war hier nur, daß die Einzelbilder immer nur aus dem gleichen Objekt erstellt sein mußten. Mit den gleichen Pfaden, der gleichen Anzahl von Stützpunkten, Béziers und Linien. Hier hatte auch die Animation ihre Grenzen, die nun in DA's Vektor Professional mit den „Blendings" endlich aufgehoben werden.

Mit diesen Blendings läßt sich in der gestalterischen Arbeit mit Vektorobjekten so ziemlich alles anstellen. Es sind errechnete Übergänge zwischen zwei oder mehreren, vom Aufbau her völlig unterschiedlichen Pfaden, wobei auch die Farbänderung zwischen der eingestellten Start- und Zielfarbe mit berechnet wird. Einige zusätzliche Funktionen vervielfältigen die Möglichkeiten, Vektorpfade auf diese Weise miteinander „verlaufen" zu lassen. So kann die Drehrichtung einzelner Pfadsegmente beeinflußt werden, die Stützpunkte der Pfade, die miteinander korrespondieren sollen, ist frei wählbar, und auch die Reihenfolge, in der die Pfade transformiert werden sollen, kann per Mausklick festgelegt werden. Weiche Übergänge in Illustrationen oder z.B. Chromeffekte sind mit diesem Werkzeug und ein wenig Vorstellungsvermögen endlich leicht zu realisieren. Mit diesen Funktionen muß man spielen, um sie zu begreifen.

Hinzugekommen sind auch lineare und radiale Vektorfarbverläufe. Diese können als Füllmuster verwendet werden und benötigen, da sie virtuell angelegt sind, keinen zusätzlichen Speicherplatz. Ein Verlauf wird vom Programm also nicht durch die Vervielfältigung eines Objekts erzeugt. Die Verlaufsformen lassen sich vielfach modifizieren. So können mit der Maus der Beginn und das Ende eines Verlaufs (die Position der Start- und Zielfarbe) in beliebiger Richtung direkt ins Bild „gezogen" werden, um so eine Grafik nur an diesen bestimmten Stellen zu „falten" oder mit Lichteffekten zu versehen. Die Verläufe können, wie alle anderen vom Programm ladbaren Bildtypen, stufenlos und in Echtzeit gedreht werden.

So richtig spannend wird es dann bei der Verwendung der Verlaufsfunktionen und Blendings für eine Animation. Denn auch diese neuen Gestaltungsmöglichkeiten können nun in eine Filmsequenz eingebaut und animiert werden.

Videos in Studioqualität

Eine große Faszination hat für viele DA's Vektor-Anwender sicher der Programmteil „Animation" bereitgehalten. Auch für die rein grafischen Arbeiten bot er ja einige interessante Arbeitsabläufe, um z.B. über eine animierte Sequenz zu einer Grafik zu gelangen. In der „Pro"-Version nun bietet dieser Programmteil nicht nur einige zusätzliche Funktionen. Das gesamte Konzept wurde deutlich in Richtung „Video-Animation" ausgebaut und um komplexe Erweiterungen ergänzt.

Im Animationsteil steckt dann auch eine Funktionsvielfalt, die man sich nicht in einigen wenigen Tagen umfassend erarbeiten kann: Für jeden Filmtrack können mit einer „Kamera" Bewegungsphasen unabhängig von der Objektanimation erzeugt werden. Um z.B. eine Comicfigur durchs Bild laufen zu lassen, muß man die Figur nur noch „auf der Stelle traben" lassen und bewegt dann die Kamera daran vorbei. Auch richtige Kamerafahrten sind möglich (entlang eines Bézier-Pfades), Zoom von Tele- bis Weitwinkel, Verzerrungen usw. Mit verschiedenen Filtern kann man die Filmtracks umfärben, weich ein- oder ausblenden sowie transparent oder pixelweise überblenden.

Das neue Menü des Animationsteils. Sehr vieles ist hier hinzugekommen. Auch die neuen grafischen Möglichkeiten des Programms lassen sich für die Filmarbeit nutzen.

Derartige Funktionen, hinter denen sich für den Anwender anfangs noch völlig unbekannte Möglichkeiten verstecken, erfordern eigentlich auch konkrete Anwendungsbeispiele „durch" dieses Medium. Dieses könnte beispielsweise ein Video sein, durch das man sich einen ersten und vielleicht sogar unterhaltsamen Überblick über die Funktionsweisen verschafft, die zu geben ein gedruckter Text nicht leisten kann.

Diese neuen Animationsfunktionen sollen, nach Aussage des Herstellers, DA's Vektor Pro zum Zentrum eines volldigitalen Systems zur Videoproduktion auf ATARI-Rechnern machen! Die gesamte Bearbeitung und Erstellung von Videos soll dann digital im Rechner erfolgen können. Realfilmsequenzen werden dabei vollständig digitalisiert, im Rechner weiterbearbeitet und z.B. mit Computeranimationen gemischt, bevor sie zum Schluß wieder auf ein Zielmedium gespeichert werden. Das Zielmedium kann dabei ein Videoband, ein Film oder auch die Festplatte sein. Die Datenmengen, die bei einer Speicherung auf Festplatte anfallen, sind dabei jedoch gigantisch: 1 Sekunde Videoaufzeichnung in Studioqualität belegt die Platte bereits mit ca. 30 MB Daten! Für semiprofessionelle Qualität kommt man allerdings schon mit einem Viertel aus, wobei je nach Inhalt die Animationen vom Programm noch komprimiert werden.

Aber auch für das DTP liegen die Vorteile animierter Bilder dabei auf der Hand: Zum einen kann man sich all das zunutze machen, was fürs digitale Publizieren mit Grafik-, Text-und Bildmaterial in den letzten Jahren entwickelt wurde. Zum anderen lassen sich völlig neue Dienstleistungsbereiche erschließen, wenn am gleichen Rechner und mit dem gleichen grafischem Material neben Druckvorlagen, Satz und Werbegrafik auch Werbespots, Messepräsentationen oder Produktinformationen für den Baumarkt am Stadtrand gleich mit produziert werden können! Damit könnte der Falcon030 vielleicht doch noch Einzug in die DTP-Studios und Agenturen halten, denn für die Videoproduktion inkl. Vertonung ist er der ideale Computer. Auch für andere Anwendergruppen dürfte DA's Vektor Pro in Verbindung mit dem Falcon030 sehr interessant sein. Musiker können ihre eigenen Videoclips produzieren, Videoamateure Trickfilme, Vor- und Nachspänne sowie Betitelungen herstellen usw.

Prinzipiell ist dies alles, laut Digital Arts, mit dem Programm schon heute möglich. Auch die benötigte Peripherie, z.B. ein Farb-Digitizer, ist weitgehend schon verfügbar. Für die Aufzeichnung in höchster Qualität benötigt man heute allerdings noch einen relativ teuren Einzelbildrekorder (Band oder Laserdisk). Bei Digital Arts sind jedoch bereits neue Produkte in der Entwicklung, mit denen eine solche Einzelbildaufzeichnung auch mit S-VHS- oder Hi8-Rekordern der gehobenen Konsumer-Klasse möglich wird. Zudem ist ein Servicenetz geplant, ähnlich dem bereits vorhandenen Belichtungsservice, daß auf teure Eigeninvestitionen verzichtet werden kann.

Wir konnten in dieser kurzen Übersicht natürlich nicht bis ins letzte beurteilen, inwieweit DA's Vektor Professional der harten Realität des „Film-Business" und des Grafikeralltags standhalten wird. Damit werden wir uns in einer der nächsten Ausgaben der ST Computer in einem ausführlichen Test beschäftigen.

DA's Vektor Professional kostet 450,-DM. Ein Update von DA's Vektor auf die Pro-Version ist für 150,- DM erhältlich.


Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 12 / 1993, Seite 66

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite