Postman PostScript Interpreter - Wenn der Postman zweimal klingelt

Die Verarbeitung von PostScript-Dateien ist auf dem ATARI nichts Neues mehr. Und dennoch gibt es eine Neuerscheinung auf diesem Sektor. Postman, eine Bedienungsoberfläche inklusive Interpreter, will neue Konvertierungsmaßstäbe setzen.

Mit Postman reiht sich ein weiteres Programm für ATARI-Computer in die Gilde der PostScript-verarbeitenden Software ein. PostScript ist eine Seitenbeschreibungssprache, die im Bereich der professionellen elektronischen Satzbelichtung sehr verbreitet ist. In PostScript-Dokumenten wird üblicherweise nicht jeder zu druckende Bildpunkt aufgeführt, sondern eine Beschreibung der einzelnen Objekte - wie Buchstaben und Vektorzüge. Das hat den Vorteil, daß die Daten für das jeweilige Ausgabegerät, ob Nadel-, Tintenstrahl-, Laserdrucker oder Belichter, optimal aufbereitet werden können. Darüber hinaus sind PostScript-Dateien oftmals erheblich kompakter als speziell für die Ausgabe auf hochauflösenden Geräten angelegte Dateien. Längst ist es auch auf dem ATARI kein Problem mehr, mit Programmen im PostScript-Format auszugeben; Xact, Timeworks Publisher, Calligrapher seien hier stellvertretend für viele Applikationen genannt, die Ihnen das Tor zur Kompatibilität öffnen.

Das Programmpaket Postman dient zur Verarbeitung von PostScript-Dateien. Sie können mit dieser Software PostScript-Dokumente auf Ihrem nicht PostScript-fähigen Drucker ausgeben, aber auch verschiedenste Grafikformate aus den PostScript-Dateien erzeugen. Für die optimale Anpassung an die verschiedenen Zwecke bietet Postman viele Filter und Optionen.

Als Minimalkonfiguration für den professionellen Einsatz geben die Hersteller einen TT mit 4 MB RAM und einer Plattenkapazität von mindestens 500 MB an. Für den privaten Gebrauch reicht jedoch auch ein mit 2 MB ausgestatteter ST.

Lieferumfang

Postman wird in einem Schuber geliefert, in dem sich das über achtzigseitige Handbuch, die drei Installationsdisketten und ein Registrierschein, dessen Absendung Sie zur Inanspruchnahme der wochentäglich besetzten Hotline berechtigt, befinden. Gleich zu Beginn der Anleitung erfährt der Anwender, daß das Produkt aus mehreren Modulen besteht: der grafischen Shell, einigen Utilities und dem PostScript-Interpreter „Ghostscript“. Letzterer ist ein Programm der Free Software Foundation. Deren GNU Public License besagt, daß eine kommerzielle Verwertung der Software gestattet ist, solange die Quelltexte der Portierung herausgegeben werden. Dementsprechend findet sich im Handbuch auch ein Hinweis auf die Verfügbarkeit der Sourcen gegen ein geringes Entgelt.

Das Handbuch bietet neben der Beschreibung der Fähigkeiten des Programmpaketes eine Einführung über den Sinn und Zweck der Sprache PostScript. Sie erhalten auch nützliche Tips und Tricks, wie unter verschiedenen Betriebssystemen eine möglichst einwandfreie PostScript-Ausgabe erzielt werden kann. Negativ fielen uns die vielen Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler auf. Da das Handbuch noch erweitert wird, wie einige Auslassungen dokumentieren, ist auf Abhilfe zu hoffen.

Installation

Die Installation des Programmpakets ist einfach. Sie müssen nur das Installationsprogramm von der ersten der drei mitgelieferten Disketten aufrufen. Es kümmert sich automatisch um das Entpacken der komprimierten Dateien in das von Ihnen gewünschte Verzeichnis. Ihnen fällt lediglich das Wechseln der Disketten nach Aufforderung zu.

Sind alle Dateien kopiert, können Sie in der Postman-Shell das Programm optimal auf Ihre Systemkonfiguration einstellen. Das Installationsprogramm hat zwei Versionen des PostScript-Interpreters Ghostscript auf Ihre Festplatte kopiert: eine auf allen 68000er-Rechnern von ATARI lauffähige und eine, die Gebrauch von den Vorteilen des 68030 und der FPU macht. Haben Sie einen TT, Falcon030 oder einen anderen mit dieser Prozessorkonfiguration ausgerüsteten Computer, gewinnt Postman durch die Auswahl der 030-Version an Geschwindigkeit.

Einige der Optionen, mit denen widerspenstige Dateien angepaßt werden.

Postman sorgt für Vielfalt bei der Grafikausgabe.

Die Shell Postman ist auf den PostScript-Interpreter Ghostscript zugeschnitten.

Ebenfalls wichtig für die Performance der Software ist die Einstellung der Speicherverwaltung. Bei umfangreichen PostScript -Dokumenten oder der Generierung besonders hochauflösender Formate kommt es auf die richtige Konfiguration des Bitmap- und des Befehlsspeichers an. Das im Handbuch empfohlene Verhältnis von 2:1 hat sich im Test als gut geeignet herausgestellt.

Schon beim ersten Streifzug durch die Menüs der Postman-Shell fällt das moderne Design der Applikation auf. Natürlich arbeitet sie mit MultiTOS zusammen. Die Dialoge arbeiten nach dem Vorbild „Fly-Dials“, sind also mithilfe ihres Eselsohrs frei über den Bildschirm verschiebbar. So behalten Sie auch bei geöffneter Dialogbox den gesamten Bildschirminhalt im Blick. Im Hinblick auf das immer mehr Anwender findende Multitasking würden wir uns allerdings eine Option wünschen, durch die Dialoge in Fenster gelegt werden. so daß der Ablauf anderer Programme nicht behindert wird.

Um das Programm einzusetzen, wählen Sie zunächst eine PostScript-Datei. Dies können Sie sowohl über das Menü als auch vor dem Programmstart durch Übergabe eines Dateinamens erledigen. Für die letztgenannte Methode benötigen Sie ATARIs NEWDESK - ab TOS 2.05 in den ROMs enthalten - oder ein externes Desktop wie GEMINI. Die zweite zu treffende Wahl ist die des Ausgabegerätes. Hier können Sie zwischen einigen mitgelieferten Druckertreibern (Nadeldrucker, HP-Tintenstrahler und -Laser), allen wichtigen Grafikformaten (siehe Abbildung), der Ausgabe über einen GDOS-Treiber und der Voransicht (Preview) auf dem Bildschirm wählen. In der Belichterversion von Postman kommt die Option hinzu. ISS-Dateien in verschiedenen Größen und Auflösungen auszugeben.

Preview

Wenden wir uns zunächst dem Preview zu. Hiermit erhalten Sie eine Möglichkeit, die Resultate Ihrer PostScript-Programme schnell auf Korrektheit zu überprüfen, ohne daß Sie Probeausdrucke machen müssen. Sie können die Maße für die Voransicht in DIN-Größen oder frei in Zentimetern festlegen und zusätzlich einen Verkleinerungs-/Vergrößerungsmaßstab in Prozentwerten eingeben. Dadurch läßt sich das Ergebnis in Originalgröße betrachten. Auch vor Farbe drückt sich Postman nicht: Als Farbmodelle stehen Ihnen Monochrom, Graustufen und Farbe, bis hin zu 16,7 Millionen Farben, zur Verfügung. Wir vermißten beim Preview nur die Option, den dpi-Wert direkt eingeben zu können, um ein mit der späteren Ausgabe auf den Drucker identisches Bild zu erhalten.

GDOS-Druck

Die optionale Ausgabe über GDOS-Treiber gehört mittlerweile glücklicherweise zum Standard, und auch Postman macht keine Ausnahme. So können Sie problemlos Drucker ansteuern, für die keine Treiber im Programm enthalten sind. Wir testeten dies erfolgreich mit einem ATARI-Laserdrucker. Die Dialogbox zur Auswahl des GDOS-Treibers ist allerdings etwas spartanisch ausgefallen. Das Programm erwartet als Eingabe die Nummer des zu verwendenden Treibers, unter der er in der GDOS-Konfigurationsdatei angemeldet ist. Solange nur der Druckertreiber verwendet werden soll, ist es einfach, sich die Nummer 21 zu merken. Sollen jedoch andere GDOS-Treiber - wie für FAXe oder IMG-Dateien - benutzt werden, kann es für den Anwender zum Zahlenraten werden, bis der richtige Treiber ausgewählt ist. Nicht jeder ist schließlich mit den Interna des GDOS vertraut. Wir schlagen zur Verbesserung der Übersicht eine Einteilung der Dialogbox in verschiedene Treibertypen vor.

Die mitgelieferten Fonts

Ausgabe auf Drucker

Die in Postman enthaltenen Druckertreiber sind vielfältig. Neben den guten alten Nadeldruckern sind natürlich auch etliche Tintenstrahl- und Laserdrucker anzusprechen. Als Bonbon bietet Ihnen Postman die Option, mit jedem der verfügbaren Druckertreiber statt direkt auf den Drucker in eine Datei auszugeben. Falls Sie beispielsweise eine Farbdatei ausdrucken möchten und ein Bekannter einen Farb-Tintenstrahler besitzt, können Sie die Druckdatei bei ihm ausgeben, auch wenn er nicht im Besitz von Postman ist.

Die Farbdruckertreiber für Geräte von Hewlett-Packard bieten verschiedene Qualitätsstufen, um Probeausdrucke nicht allzu langwierig zu gestalten. Für den Desk-jet 550C und den Paintjet kann die Vierfarbausgabe eingestellt werden. Beim Deskjet 500C, dem die Farbe Schwarz fehlt, kann durch die Option „Schwarzkorrektur“ der Grünstich der schwarzen Farbe verringert werden.

Filter und Konvertierungen

Viele PostScript-Dateien bedürfen der Bearbeitung, damit sie in optimaler Qualität und richtiger Größe ausgegeben werden. Sei es, weil sie sich nicht an die Sprachkonventionen halten, wie es bei Druckertreibern für Windows der Fall ist, oder weil enthaltene Bilddaten gerastert werden müssen. Hierfür bietet Postman verschiedene Filter und Kompatibilitätsschalter an. Es ist möglich, einige Fehlermeldungen des Interpreters zu unterbinden, die andernfalls zu einem Abbruch der Übersetzung führen würden. Mit der Clip-Begrenzung stellen Sie sicher, daß in hoher Auflösung gedruckte PostScript-Dokumente auch komplett auf dem Papier erscheinen. Die Seitentransformation wiederum hebt die in einer PostScript-Datei festgelegte Größenangabe auf, so daß einem Ausdruck eines DIN-A3-Dokumentes auf ein DIN-A4-Blatt durch Skalierung nichts im Wege steht. Bei der Verwendung von Schriftendes PC-Programms „Corel Draw“ sorgt der Schalter „Corel-Draw Fonts“ dafür, daß die Zeichensätze korrekt angesprochen werden. Anhand einer Kurve können Sie die Gradation für Bilddaten korrigieren. Die Anzahl der Hilfspunkte für diese grafische Einstellung der Helligkeit darf bis zu siebzehn betragen.

Für die Rasterung von Bildern stellt Ihnen Postman verschiedene Raster zur Verfügung, deren Winkel und Auflösung frei wählbar ist.

Für die Belichtung von Dateien ist die Option der Spiegelung gedacht. Dadurch wird das Dokument seitenverkehrt ausgegeben. Der Versatzwert sollte für jedes Ausgabegerät individuell eingestellt werden, damit sich die Abbildung mittig auf der Seite befindet, ohne daß Ränder abgeschnitten werden. Mit der Rotationsoption können Sie das Resultat von PostScript-Programmen in einem frei zu wählenden Winkel drehen.

Als Shell, die etwas auf sich hält, erlaubt Postman die Anmeldung eines Folgeprogramms, welches mit wählbaren Parametern direkt nach der Berechnung einer PostScript-Datei aufgerufen wird. Sie können dieses Leistungsmerkmal zur Nachbearbeitung der Datei verwenden. Häufig wird hier sicherlich ein Komprimierungsprogramm angemeldet werden, mit dem der Platzbedarf der erzeugten Daten auf dem Speichermedium minimal gehalten wird. Aber auch der automatische Aufruf eines Grafikprogrammes, mit dem Feinheiten des Bildes unter die Lupe genommen werden sollen, ist möglich. Ob die erzeugte Rasterdatei nach dem Verlassen des Folgeprogrammes automatisch wieder gelöscht wird, oder ob Sie danach gefragt werden, ist ebenfalls eine einstellbare Option.

Praktisch finden wir die Möglichkeit, die Programmeinstellungen in verschiedenen Dateien speichern zu können. So können Sie für verschiedene, häufig auftretende Anwendungsbereiche spezifische Konfigurationen schnell nachladen. Daneben existiert natürlich auch eine Default-Konfiguration, die bei jedem Start der Shell automatisch geladen wird.

Fonts

Die Ausgabe von PostScript-Dokumenten mit Vektorzügen und Grafiken ist kein Problem, wie unser Test zeigte. Wer jedoch mit der Postman-Basisversion PostScript-Dateien bearbeiten möchte, die auf die 35 Standardschriften für PostScript angewiesen sind, guckt erst einmal in die Röhre. Diese werden nicht mitgeliefert. Es bleibt Ihnen nur übrig, entweder die mitgelieferten Schriften als Ersatz für jene Fonts anzumelden oder ein Schriftenpaket zusätzlich zu erwerben. Das scheint jedoch zur Zeit nicht so einfach zu sein. Die Hersteller teilten uns mit, daß sie sich bemühten, die Standard-Fonts zu einem adäquatem Preis anbieten zu können.

Wenn ein PostScript-Dokument einen Font anspricht, der Postman nicht zur Verfügung steht, ersetzt ihn das Programm automatisch durch eine andere, vorher festgelegte Schrift. Um die Ausgaben nicht so eintönig aussehen zu lassen, sollten Sie für nicht existierende Fonts „Aliase“ erzeugen. Diese sorgen dafür, daß den Fonts jeweils verschiedene, dem Original-Font möglichst ähnliche, Fonts zugeordnet werden. Im Lieferumfang von Postman befinden sich dreizehn Fonts, aus denen Sie wählen können. Als ernsthafter Ersatz für die 35 Standard-Fonts können diese sicherlich nicht angesehen werden.

Für bunte Ergebnisse ist vorgesorgt: die Postman-Farbdruckeroptionen

Optimierungsmöglichkeiien auf einen Blick

Fazit

Die Fähigkeiten von Postman überzeugen. Der mitgelieferte Interpreter Ghost-Script arbeitet, insbesondere in der optimierten 030-Version, sehr schnell und zuverlässig. An Grafikformaten steht von IMG über GIF bis zu TIFF 6.0 alles zur Verfügung, was das Grafikerherz begehrt. Für ein Programm, das in der Version 1.0 vorliegt, funktioniert Postman bemerkenswert reibungslos. Ein Wermutstropfen ist die zur Zeit noch nicht geklärte Frage nach den PostScript-Standard-Fonts, ohne die ein Praxiseinsatz kaum denkbar scheint. Die Entwicklung an Postman geht weiter, und man darf gespannt sein, welche Verbesserungen neben der geplanten vollständigen Implementation der PostScript-Level-2-Befehle die Entwickler ihrem Produkt angedeihen lassen.

Bezugsquelle:

SIUCOS Technology A. Promotion
Wilhelmshöher Allee 124
34119 Kassel
Preis: DM 298,-

Mit der Gradationskorrektur passen Sie die Helligkeitsverteilung an.

Postman

Positiv:

schneller Interpreter
viele Filter
läuft mit MultiTOS
GDOS-Ausgabe
Hotline-Service

Negativ:

Standardschriften fehlen



Aus: ST-Computer 11 / 1993, Seite 38

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