Mit „Didot Professional" wurde auf der ATARI-Messe '91 eine DTP-Layout-Software vorgestellt, die für viele eine Alternative zum Calamus zu werden versprach. Doch dann wurde es erst einmal still um Didot. Die Entwickler-Crew trennte sich Anfang letzten Jahres von der damaligen Vertriebsfirma 3K Computerbild und gründete die DIGITAL ARTS GmbH, die inzwischen auch mit „DA's Vektor" eine innovative Vektorgrafik-Software fürs ATARI-DTP entwickelt hat. Vor diesem Hintergrund sprachen wir mit Günter Kreidl, Geschäftsführer von Digital Arts, über die aktuelle Software-Entwicklung bei Digital Arts und die zukünftigen Möglichkeiten des DTP auf dem dem ATARI.
ST: Herr Kreidl, viele DTP-Anwender kennen Sie noch als eines der drei Ks der ehemaligen „3K Computerbild". Inzwischen haben Sie mit Ihrer neuen Firma „Digital Arts" auch die ehemals von 3K vertriebenen Programme „DIDOT Professional" und „Retouche CD" wieder in Ihren Händen und als „DA's DTP-System" weiterentwickelt. Wie wird sich die zukünftige Familienplanung der DA's-Familie gestalten?
G.K.: Wir arbeiten gerade an unserer „Herbstkollektion", die im Oktober auf den Markt kommen wird. Vor allem DA's Layout wird sich dann sehr, sehr deutlich von der aktuellen Version unterscheiden. Es wird dann zum Beispiel auch Artikelformen fürs Zeitungs-Lay-out geben, Doppelseitenmodus usw. Die Professional-Version von DA's Vektor wird einen stark erweiterten Funktionsumfang haben, z.B. vektorielle Farbverläufe, Blendings und stufenlos drehbare Bilder.
Insgesamt werden DA's Vektor und DA's Layout dann voll kompatibel zueinander sein. Und natürlich erscheint dann auch DA's Picture, unsere neue Bildverarbeitung.
ST: Mit Retouche bzw. DA's Repro haben Sie ja bereits ein professionelles Lithografiesystem unter Ihren Produkten. Worin wird sich DA's Picture von diesem unterscheiden?
G.K.: DA's Picture geht in der Technik um einiges über das ehemalige Retouche hinaus und ähnelt eher dem „ Photo Shop" des Mac. Vom Konzept her wird DA's Picture eine intuitive Bildverarbeitung für den kreativen Grafiker sein, die aber auch schön als Malprogramm ersetzbar ist. 16000x16000 Bildpunkte, 1-oder 8-Bit Masken usw. Es wird ein fensterorientiertes Farbretoucheprogramm sein, mit der Betonung auf Effekten und manuellen Werkzeugen. Wir haben das Programm durchgehend modular aufgebaut, so daß man Werkzeuge und Arbeitsbereiche je nach Bedarf laden und auch zusätzlich erwerben kann.
ST: Stichwort Kompatibilität. In der Vergangenheit gab es immer wieder Ansätze, die korrekten Formate des ehemaligen DIDOT und des Calamus SL auch in beiden Programmen genauso korrekt nutzbar zu machen. Was ist daraus geworden?
G.K.: Wir haben natürlich das Interesse, unsere Produkte auch an SL-Anwender zu verkaufen. Der Austausch von Formaten setzt aber eine Kooperation von Firmen voraus, die es so nicht gibt, leider.
ST: Als Software-Entwickler sind Sie sehr stark auch von einer expandierenden Hardware-Produktion abhängig. Wie beurteilen Sie die Chancen auf einem derzeit eher kleiner werdenden ATARI DTP-Markt?
G.K.: Der Markt wird ja nicht kleiner. Es werden immer noch nicht weniger Computer eingesetzt. Es tritt aber eine gewisse Sättigung ein, die Leute haben ja heute oft schon den zweiten oder dritten Computer. Da außerdem das Kapital knapp wird, sind sie nicht bereit, ständig in neue Geschichten zu investieren. Die gesamte Computerbranche hat ja immer total auf Wachstum gesetzt und gleichzeitig einen unglaublichen Preisdruck erzeugt, daran krankt das Geschäft heute. Es ist keiner darauf eingerichtet, daß die Konjunktur auch mal wieder normal werden könnte.
ST: Obwohl von ATARI derzeit keine neuen leistungsstarken Rechner für die professionelle DTP-Anwendung angeboten werden?
G.K.: Es geht dabei gar nicht so sehr um ATARI, die Leute sind ja nicht mit ATARI verheiratet. ATARI-DTP ist nicht ATARI, sondern DTP aus Deutschland. Vor ein paar Jahren gab es beispielsweise DTP brauchbar nur auf dem Mac. Da ist dann so in Deutschland die Idee gekommen: hier haben wir einen billigen Ersatz für den MAC, der ja damals noch viel zu teuer war, und wir haben vielleicht auch ein bißchen Ahnung, wie man bessere Software machen kann, als die Software, die man aus den USA kennt. So ist Calamus entstanden, und so ist eigentlich auch das ganze ATARI-DTP-System in die Gänge gekommen. Der Vorteil des ATARI-DTP liegt in meinen Augen auch heute immer noch darin, daß es in Deutschland geschriebene Programme sind, die dem hiesigen Berufsalltag viel besser angepaßt sind, ganz abgesehen davon, daß hier sehr viel Insider-Know-How vorhanden ist. Auch die Hardware für professionelles DTP wäre an sich da. Es gibt jetzt den 32MHz-Beschleuniger für den Falcon. Dazu kommt in Kürze eine Karte mit 32MHz-Prozessor, maximal 32MB TT-RAM und VME-Bus. Damit ist der Falcon im Grunde ein besserer TT. Auch der Jaguar ist vom Konzept her dem Falcon sehr ähnlich, hat natürlich keinen 68030, sondern den 64Bit-RISC-Prozessor und wahrscheinlich auch den neuen Video-Chip, den man ursprünglich mal für den Falcon 040 entwickelt hat. Jedenfalls klingt das alles sehr ähnlich. Es kann also durchaus sein, daß ATARI diesen Video-Chip und den RISC-Prozessor zusätzlich in den Falcon einbaut. Die Technologie ist vorhanden.
ST: Der Calamus SL ist ja so etwas wie ein Monolith im ATARI-DTP, den man, das haben Monolithen nun mal so an sich, öfter kritisiert als beklatscht. Von externen Firmen werden nun aber zusätzliche Programme, Utilities und externe Module fast ausschließlich für den Calamus entwickelt. DIDOT Professional ist dagegen in der Entwicklung irgendwann im Frühjahr des letzten Jahres stehengeblieben: Es erschienen keine Updates, die sicher dringend notwendig gewesen wären, und auch in die Anzeigenwerbung kamen diese Produkte nicht mehr.
G.K.: Das stimmt so nicht. Zum einen sind wir, Gott sei Dank, nicht auf externe Entwickler angewiesen. Wir waren aber damals bei 3K in einer Situation, in der alle Kraft der Firma nur noch auf die „NeXT"-Plattform konzentriert und alles andere fallengelassen werden sollte. Das war der Punkt, an dem alle Programmierer gesagt haben: nein. Damals war DIDOT auch noch nicht in dem Zustand, in dem man es hätte lassen können. Wir konnten uns ja denken, wie einem Grafiker zumute sein muß, dessen Software auf einmal nicht mehr gepflegt wird und wollten schon das Unsere dazu tun, daß diese starke Gruppe von ATARI-DTP-Anwendern zusammenbleibt. So entstand Digital Arts. Nachdem dann im Sommer letzten Jahres 3K den Preiswirrwarr mit DIDOT Professional angefangen hat, hatte für uns die Entwicklung von DA's Vektor natürlich Priorität. Abgesehen von dieser kleinen Pause ist die Entwicklung an DIDOT nie eingestellt worden, im Gegenteil. Die Weiterentwicklung hat inzwischen doppelt so lange gedauert wie die eigentliche Programmentwicklung. Viele der Sachen, die für DA's Vektor entwickelt wurden, sind inzwischen in die Technik des ehemaligen Didot eingebaut worden.
ST: Im Moment versuchen viele Software-Unternehmen, einem ruhiger werdenden Markt durch Portierungen ihrer Produkte auf andere Rechnerplattformen zu begegnen. MAC-Software ist für den PC erhältlich, einige ATARI-Produkte demnächst auf MAC und NT; wo zieht es Sie hin?
G.K.: Wir haben in der Vergangenheit schon Software für den NeXT entwickelt. DA's Picture wird momentan parallel auf dem Archimedes entwickelt und ca. 2 Monate nach der ATARI-Version erscheinen. Der Archimedes hat ja in England einen ganz ähnlichen Stellenwert wie hierzulande der ATARI. Wir haben inzwischen eine ganze Menge Anwender, die auch auf einem PC arbeiten, meistens mit Quark Xpress, und immer noch liebend gern zu ihrem alten Didot oder jetzt DA's Layout zurückkehren. Sie sind mit Quark lange nicht so zufrieden, machen aber doch da mit, weil sie von ihren Kunden eben die entsprechenden Dateien bekommen, oder weil bestimmte Sachen darauf besser gehen usw. Da merkt man auch, daß ein Werkzeug wie Didot auf dem PC eigentlich noch gar nicht existiert.
G.K.: Also hin zum PC?
Man muß bedenken, daß im nächsten Jahr auch die Intel-Technologie auf dem Prüfstand steht und der PC im heutigen Sinne dann vielleicht verschwinden und durch Risc-Maschinen ersetzt werden wird. Man sollte nur an die Kooperation von IBM und Apple denken, die im nächsten Jahr mit ihren neuen Maschinen kommen werden, und wie sich ATARI daran orientieren wird. Entscheidungen, was unsere Firma betrifft, treffen wir frühestens Ende des Jahres.
ST: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Mit Günther Kreidel sprach Jürgen Funcke