1st Sign - Textverarbeitung billig oder preiswert?

Seit einiger Zeit ist die Textverarbeitung 1st Sign als Sonderdisk von MAXON erhältlich. Sie wird in der Werbung unter anderem als "anspruchsvolles Textsystem mit höchster Druckqualität, pixelgenauer Textpositionierung, automatischem Umbruch, Tabulatoren,Einrückungen, Blockfunktionen, Kapitelhierarchie, Seitenübersicht, Inhaltsverzeichnis, Grafikeinbindung und objektorientierter Grafikeinbindung"

Zunächst jedoch kurz zur Entstehungsgeschichte von 1st Sign, da daraus einige der Eigenschaften des Programms resultieren. Die Entwicklung von 1st Sign begann 1990, um eine Textverarbeitung zur Erstellung einer Diplomarbeit im Fach Chemie zu programmieren.

Da zum damaligen Zeitpunkt "Signum!2" als Quasistandard etabliert war, wurden viele Punkte von Signum! übernommen. So ist in 1st Sign beispielsweise, ähnlich wie bei Signum! auch, die freie Cursor-Positionierung möglich, um chemische Strukturformeln beliebig zusammenstellen zu können; auch das Seitenkonzept ist ähnlich.

Nachdem mit der Version 1.0 mehrere Diplomarbeiten erfolgreich erstellt worden waren, entstand die Version 1.1, die vollständig in GEM eingebunden war und um einige neue Features erweitert wurde. Diese Version lag dem nachfolgenden Test zugrunde.

1st Sign wird zum Preis von 40 DM in Form von zwei Disketten ausgeliefert, die neben dem Hauptprogramm ein Druckprogramm, einen Drucker-Spooler, einen Font-Editor, fünf Zeichensätze und das komplette Benutzerhandbuch enthalten.

Handbuch

Zunächst zum Handbuch: Es wurde komplett mit 1st Sign erstellt, hat ausgedruckt einen Umfang von ca. 75 Seiten, besitzt ein ausführliches Inhalts- und Indexverzeichnis und demonstriert auch ansonsten eindrucksvoll die Leistungen, zu denen 1st Sign fähig ist. Das Handbuch ist dabei übersichtlich aufgebaut, ausführlich und läßt nur an wenigen Stellen noch Fragen offen. Da es jedoch nur auf der Diskette enthalten ist, muß es zunächst einmal ausgedruckt werden. Die Bedienung von 1st Sign ist zwar größtenteils ziemlich einfach, trotzdem enthält eine der Disketten eine Readme-Datei, die genau beschreibt, wie man das Druckprogramm startet und damit das Handbuch ausdruckt.

Drucken

Zum Drucken des Handbuchs wird wie bei allen Druckvorgängen von 1st Sign (ausgenommen Probedrucken) ein separates Druckprogramm verwendet, das alle NEC-und Epson-kompatiblen 24-Nadeldrucker ebenso wie den HP LaserJet und DeskJet ansteuern kann. 9-Nadeldrucker können zusammen mit 1st Sign nicht verwendet werden. Das Druckprogramm wird bei jedem Druckvorgang automatisch von 1st Sign aufgerufen und zeigt während des Druckens eine verkleinerte Seitenübersicht der gerade im Druck befindlichen Seite an. Bereits gedruckte Zeilen werden dabei invertiert dargestellt.

Je nach verwendetem Drucker lassen sich im Druckprogramm verschiedene Optionen wie zum Beispiel Zeilenoptimierung oder Druckerauflösüng einstellen. Auch die Angabe der auszudruckenden Seiten, die Anzahl der Kopien und das Drehen des Seitenkopfes auf geraden Seiten ist möglich.

Installation

Anschließend kann man dann mit Hilft des Handbuchs das Programm auf seinen Rechner installieren, wobei eine Festplat te anzuraten ist, wenn man mit einer gro ßen Anzahl von Zeichensätzen und Grafiken arbeiten will. Ansonsten ist auch ein Installation auf Diskette möglich, was abe nicht gerade dem flüssigen Arbeiten föi derlich ist. Die Installation beschränkt sie dabei auf das Kopieren der einzelnen De teien auf verschiedene Disketten bzw. a eine beliebige Stelle der Festplatte.

Ein- und Ausgabe

Nach dem Start der Textverarbeitung kann man eigentlich auch gleich damit arbeiten, da die Bedienung relativ einfach ist. Der volle Funktionsumfang von 1st Sign kann den abgebildeten Menüs entnommen werden. Das einzige, was man zur Arbeit mit 1st Sign von Anfang an benötigt, sind einer oder mehrere Zeichensätze. Dabei werden insgesamt fünf verschiedene Zeichensätze im 1st-Sign-eigenen Format mitgeliefert, so daß das für den Anfang erst einmal kein Problem darstellt. Wer weitere Zeichensätze benötigt, kann sich bei den in großer Menge erhältlichen Zeichensätzen im Signum!-Format bedienen; sie werden von 1st Sign klaglos verarbeitet. Leider hat sich jedoch gezeigt, daß sie relativ langsam geladen werden, da sie dabei automatisch intern in das 1st-Sign-Format umgewandelt werden. Bei der Verwendung von vielen (maximal 16) Signum!-Fonts kann das Laden eines Dokuments deshalb schon einmal etwas länger dauern.

Natürlich ist wie bei jeder besseren Textverarbeitung nicht nur das normale Laden und Speichern eines Dokuments möglich, auch das Laden, Speichern und Einfügen von ASCII-Texten ist vorgesehen.

Zum Drucken eines Dokuments ist nicht nur das bereits oben beschriebene Druckprogramm verfügbar, es gibt auch noch zwei weitere Druckarten. Zum einen ist ein Test-Druck möglich, bei dem ein Dokument bzw. Teile davon in einer wesentlich schlechteren Qualität als normal ausgedruckt werden, dafür jedoch besonders schnell. Weiterhin ist noch ein reiner ASCII-Druck möglich, wobei der im Drucker eingebaute Zeichensatz benutzt wird. Zur Anpassung an die verschiedenen Druckertypen kann dazu ein ASCII-Druckertreiber geladen werden, den man selbst erstellen kann.

Textbearbeitung

Das Editieren eines Textes - von denen 1st Sign immer nur einen einzigen verwalten kann - erfolgt GEM-konform in einem Fenster. Am oberen Fensterrand befindet sich eine Statuszeile, darunter und am linken Fensterrand eine Linealzeile bzw. -spalte. In der Statuszeile läßt sich der aktuelle Zeichensatz ablesen und umschalten, ebenso die Textattribute und der aktuelle Arbeitsbereich. Wie bei Signum! arbeiten einige Funktionen von 1st Sign immer nur auf dem angegebenen Arbeitsbereich, also zum Beispiel auf einer Zeile, einem Block, Absatz oder einer Seite. Weiterhin läßt sich in der Statuszeile auf eine andere Seite wechseln.

Bei Anwahl des Zeichensatzfeldes mit der linken Maustaste erscheint ein Dialog, in dem Zeichensätze geladen, gelöscht und angezeigt werden können. Die Anzeige eines Zeichensatzes erfolgt dabei in einem Fenster, so daß nicht bei jeder Suche nach einem Sonderzeichen der Zeichensatz erneut angezeigt werden muß. Bei Anwahl mit der rechten Maustaste erscheint dage gen ein Pop-Up-Menü, mit dem schnell zwischen einzelnen Zeichensätzen umgeschaltet werden kann.

Betrachtet man jetzt die Editiermöglichkeiten eines Textes, so wird sehr schnell die starke Anlehnung an Signum! deutlich. Viele Tastenkombinationen sind identisch oder zumindest ähnlich, ebenso sind zahlreiche Funktionen bei Signum! abgeschaut. So gibt es beispielsweise Funktionen, um Seiten zusammenzufügen oder zu trennen, die man in fast derselben Form in Signum! wiederfindet. Das liegt daran, daß 1st Sign ein seitenorientiertes Konzept verwendet, bei dem immer nur eine Seite komplett im Speicher aufgebaut wird; alle anderen Seiten werden in einer kompakten Form gespeichert und müssen für die Anzeige erst in eine schnell zu bearbeitende Form gebracht werden. Dabei muß jedoch gesagt werden, daß das Wort "schnell" in diesem Zusammenhang nicht unbedingt angebracht ist, da 1st Sign bei vielen Bildschirmoperation wie zum Beispiel dem Scrollen oder Umformatieren von Textzeilen sehr behäbig reagiert.

Um einen schnellen Überblick über eine Seite zu bekommen, bietet 1st Sign eine verkleinerte Seitenübersicht an, die auch die Einstellungen des Seitenformats berücksichtigt und zum Beispiel Kopf- und Fußzeilen mit anzeigt.

Die Funktionen zum Suchen und Ersetzen sind leider im Vergleich mit den sonstigen Möglichkeiten von 1st Sign recht spartanisch ausgefallen; außer der Beachtung bzw. Nichtbeachtung von Groß- und Kleinschreibung gibt es keine weiteren Optionen. Wünschenswert wäre hier noch die Unterscheidung von Zeichensätzen und Textattributen.

Einige der Tastenbelegungen sind ebenfalls etwas ungewöhnlich, so beispielsweise Shift-Undo zum Zusammenfügen von Textzeilen. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit läßt sich jedoch damit gut umgehen.

Die Blockfunktionen von 1st Sign entsprechen weitgehend den üblichen Blockfunktionen anderer Programme. Zusätzlich zu den zeilenorientierten Blöcken lassen sich jedoch auch Spaltenblöcke definieren, die anschließend wie andere Blöcke auch einfach mit der Maus und gedrückter Shift-Taste verschoben werden können. Das Clipboard wird von 1st Sign leider nicht unterstützt, so daß der Datenaustausch zwischen mehreren Texten problematisch wird, da man immer den Umweg über "Block sichern" und "Dokument einfügen" gehen muß.

Grafikfunktionen

1st Sign kann beliebig viele Bilder in einem Text verwalten. Dabei können insgesamt drei verschiedene Bildtypen geladen und gespeichert werden:

SGG: ein 1st-Sign-eigenes komprimiertes Bildformat
OBJ: Monostar-Objekte
PIC: Bildschimformat (640 x 400 Pixel)

Nach dem Einladen einer Grafik kann man den in den Text zu übernehmenden Ausschnitt mit der Maus bestimmen, und nach Angabe eines Vergrößerungsfaktors (1,2 oder 4) wird das Bild dann an der aktuellen Cursor-Position in den Text eingesetzt. Natürlich lassen sich Bildausschnitte auch nachträglich noch verschieben und manipulieren. Da bei der Anzeige von vielen und großen Bildern der Seitenaufbau beträchtlich verlangsamt werden kann, läßt sich die Anzeige über einen Menüpunkt unterdrücken. Ist die Anzeige abgeschaltet, wird statt eines Bildes nur ein graues Rechteck angezeigt.

Zusätzlich verfügt 1st Sign noch über die Möglichkeit, waagerechte und senkrechte Linien in vier verschiedenen Linientypen in einen Text einzufügen. Diese Linien können auch nachträglich noch verschoben und wieder gelöscht werden. Es ist jedoch nicht möglich, die Größe nachträglich zu verändern, weshalb für das Einfügen einer Linie in einer bestimmten Länge an einer bestimmten Position schon einmal mehrere Versuche notwendig sind, bis alles so aussieht, wie man es sich vorgestellt hat.

Das gleiche gilt auch für das Einfügen von beliebigen Rechtecken, die mit vier verschiedenen Füllmustern möglich sind. Wünschenswert wäre eine Erweiterung bei der Verarbeitung von Linien und Rechtecken in 1st Sign, so daß man die Möglichkeit hätte, "schnell mal eben" kleine Grafiken oder Schaubilder zu erstellen. Dazu wäre insbesondere eine nachträgliche Größenänderung der Objekte mit der Maus und Linien in beliebigen Winkeln erforderlich.

Sonderfunktionen

Für eine Textverarbeitung dieser Preiskategorie völlig ungewöhnlich ist die Möglichkeit der automatischen Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses. Jede Zeile, die als Kapitelüberschrift markiert wurde, wird dabei bei der Erstellung automatisch ins Inhaltsverzeichnis übernommen und entsprechend der Hierarchiestufe eingerückt. Die Tiefe der Einrückung kann dabei vom Anwender eingestellt werden. Das Inhaltsverzeichnis wird natürlich auch mit den korrekten Zeilennummern versehen, wobei für größere Texte, die in mehreren Dateien verwaltet werden, ein Seiten-Offset angegeben werden kann.

Weiterhin verfügt 1st Sign über einen Tastatureditor, in dem jeder Zeichentaste ein Zeichencode zugeordnet werden kann. So ist es zum Beispiel möglich, die Tastatur mit griechischen Buchstaben zu belegen oder die Tastenbelegung einfach um-zudefinieren. Insgesamt kann dabei jede einzelne Taste mit acht (!) verschiedenen Zeichen belegt werden, indem die verschiedenen Kombinationen der Sondertasten Shift, Alternate und CapsLock benutzt werden. Dies funktioniert jedoch nur mit den Zeichentasten; die Editierfunktionen von 1st Sign können nicht auf andere Tasten gelegt werden. Im Tastatureditor können auch Funktionstasten-Makros zur Vereinfachung der Arbeit erstellt werden. Dabei lassen sich sowohl Tasten- als auch Mausaktionen zu einem Makro zusammenfassen. Ein Makro darf dabei neben Text wie zum Beispiel "Sehr geehrte Damen und Herren" auch Makrofunktionen enthalten, von denen ca. 30 zur Verfügungen stehen. Mit diesen Makrofunktionen können beispielsweise der Text-Cursor gesteuert, ein Zeichensatz ausgewählt oder Menüeinträge angewählt werden; mit anderen Worten: durch die Makrosprache kann der größte Teil des Programms in gewissem Umfang gesteuert werden.

1st Sign verfügt, wie viele "große" Programme auch, über eine Online-Hilfe ähnlich der von Pure-C, die durch Druck auf die Taste "Help" aufgerufen wird. In ihr sind alle wichtigen Informationen zu 1st Sign enthalten, die sich über ein Indexverzeichnis auch schnell finden lassen.

Zukünftige Erweiterungen

Das Programm wird vom Autor ständig weiterentwickelt. Die Version 1.2 wird zusätzlich noch über folgende neue Eigenschaften verfügen:

Licht und Schatten

Die zuvor beschriebenen Eigenschaften und Fähigkeiten lassen 1st Sign zu einer Textverarbeitung werden, die in dieser Preiskategorie wohl einmalig sein dürfte. Beim Test von 1st Sign hat sich jedoch noch eine Anzahl von zugegebenermaßen kleineren Fehlern, insbesondere bei der Cursor-Positionierung und den Blockfunktionen, gezeigt, die die Arbeit teilweise mehr, teilweise weniger frustrierend gestaltet haben. Nach Rücksprache mit dem Autor von 1st Sign wurden die meisten Fehler jedoch in kürzester Zeit beseitigt, so daß jetzt eine ziemlich fehlerfreie Version zur Verfügung steht. Wer noch eine ältere fehlerbehaftete Version besitzt oder weitere Fehler entdeckt, kann seine Version gegen Einsendung der Originaldiskette und eines frankierten Rückumschlags beim Autor kostenlos umtauschen. Außerdem werden viele Funktionen des Programms derzeit vom Autor überarbeitet und verbessert, so daß möglicherweise schon beim Erscheinen dieses Artikels eine neue Version zur Verfügung steht.

Fazit

Wer eine günstige Textverarbeitung mit einem sehr guten Druckbild sucht, sich am Signum! -ähnlichen Konzept nicht stört und ab und zu auch mal ein bißchen Zeit hat, wenn gerade ein Zeilen- oder Seitenumbruch durchgeführt wird, ist mit 1st Sign sehr gut beraten. Eine leistungsfähigere Textverarbeitung dürfte für 40 DM wohl kaum zu bekommen sein. Wenn man allerdings eine Diplom- oder Doktorarbeit schreiben möchte, sollte man doch besser zu einer "großen" Textverarbeitung greifen, da 1st Sign keine Fußnotenverwaltung besitzt und Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit in einigen Punkten nicht unbedingt optimal zu nennen sind.

Uwe Hon Bezugsquelle: MAXON Computer Industriestr. 26 D-65734 Eschborn

Aus presserechtfchen Gründen sind wir zu folgendem Hinweis verpflichtet: MAXON Computer als Herausgeber dieser Zeitschrift ist gleichzeitig Vertrieb des beschriebenen Programmes 1st Sign. .

1st Sign

Positiv:
günstiges Preis-/Leistungsverhältnis
sehr gutes Druckbild
automatische Inhaltsverzeichniserstellung
Makros
Online-Hilfe

Negativ:
keine Fuß- und Endnoten
keine IMG-Bilder (größer 640x400 Pixel)



Aus: ST-Computer 10 / 1993, Seite 62

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