STarCall-Terminalprogramm - Der Ruf nach den Sternen

Gefragt welcher Computerbereich zur Zeit boomt, fallt dem Experten die Antwort nicht schwer: Es ist die Datenfernübertragung, kurz DFÜ, die immer mehr Anwender begeistert. Früher nur von düsteren Gestalten zum illegalen Anzapfen der Rechner von NASA, RGB, CIA und anderen „Firmen44 benutzt, gehört heute bei immer mehr Anwendern das Modem zur Computerausstattung.

Kein Wunder, ermöglicht es doch innerhalb kürzester Zeit an aktuelle Informationen zu kommen, frei kopierbare Software „downzuloaden", über Netze mit Computeranwendern in aller Welt in Kontakt zu treten oder Hilfe bei Problemen zu bekommen, bei denen selbst die ST-Computer passen muß! Aber nicht nur aufs Modem kommt es bei der Datenreise an. Ohne Terminalsoftware läuft gar nichts: Einen unbestrittenen Standard stellt Rufus von Michael Bernards dar. Zu den Mitbewerbern, die sich neben den Altmeister aufs Siegertreppchen stellen wollen, gehört jetzt auch „STarCall“ von INLI-Software.

Auch dieses Terminalprogramm bedient sich des Shareware-Prinzips: Zum Ausprobieren dürfen Sie das Programm kopieren und weitergeben. Bei längerer Nutzung ist allerdings eine Gebühr für die Registrierung fällig. StarCall verlangt deshalb beim Start von nichtregistrierten Versionen eine Seriennummer. Durch Eingabe der richtigen Zahlen lassen Sie sich registrieren. Falls Sie es nicht tun, gibt es beim Verlassen des Programms zehn „Registrierungs-Motivations-Sekunden" als Wartezeit, in denen Sie sich überlegen dürfen, ob Sie nicht doch lieber zahlen wollen.

Registrierung

Die richtige Seriennummer erhalten Sie inklusive eines Updates auf die aktuelle Version von STarCall Standard beim Hersteller für 35,- DM. Falls es STarCall Professional sein soll, das auch unserem Test zugrunde lag, müssen Sie 99,- DM berappen. Dazu kommen noch einmal 10,-DM für das Handbuch. Dafür erhalten Sie dann auch ein leistungsstarkes Programm mit einer Menge Funktionen. STarCall ist voll in GEM eingebunden und über Tastatur und Maus komfortabel zu bedienen. Hilfreich für Maus-Muffel ist die Bedienung der Dialogboxen auch per Tastatur.

Ist STarCall über das angeschlossene Modem „online", also mit einem anderen Modem verbunden, muß der Anwender zum Aufruf einiger Funktionen Control/ Shift und eine dritte Taste drücken. Das ist zwar noch lästiger als der Griff zur Maus, andererseits aber auch notwendig, da ja Control-Codes bei einigen Emulationen direkt an das Modem gesendet werden. Das Programm läuft auf allen ATARIs (auch auf dem neuen Falcon) in Farbe und Monochrome. Beim Programmstart sieht man unterhalb des umfangreichen Pull-Down-Menüs das Terminalfenster und acht Icons. Als Multi-TOS-Besitzer legen Sie diese auf die oberste Desktop-Ebene. Für die Icons gibt es natürlich auch Entsprechungen im Menü; so bleibt einem allerdings das Suchen danach erspart.

Fährt man mit der Maus durch die Menüs, fällt einem sofort der große Funktionsumfang des Programms auf. Und noch etwas fällt ins Auge, wenn man sich die einzelnen Eingabemasken des „Parameter"-Menüs anschaut: Sie gleichen denen von Rufus auf eine Weise, daß man schon fast vom „Abkupfern“ reden könnte. Aber warum nicht Altbewährtes übernehmen? Es ist an einigen Stellen auch durchaus neues hinzugekommen. So beherscht STar-Call nicht nur die üblichen Terminalemulationen TTY, ANSI, VT 52 und VT 100, sondern auch deren Weiterentwicklungen VT 102 und VT 200. Die meisten Mailboxen bieten allerdings generell nur VT 52 und VT 100 an. Außerdem muß man bedenken, daß mit einer „besseren“ Emulation auch die Menge der übertragenen Daten steigt und somit die Geschwindigkeit bei der Ausgabe sinkt. In der Praxis wählt man dann also „nur“ VT 52. Auf die im VT 100-Code enthalten Farbinformationen können Besitzer eines Monochrom-Monitors ja ohnehin verzichten.

Die Menüs
Der Wahldialog
Die Schnittstelleneinstellung
In Verbindung mit ZyXEL-Modems kann STarCall sogar als Anrufbeantworter arbeiten.
Auch für das Versenden und Empfangen von Faxen ist STarCall ausgelegt.

Das Programm bemerkt im Online-Zustand einen Wechsel der Emulation von Seiten der Mailbox automatisch und paßt den Modus bei Bedarf an. Beim Betrieb mit einem Farbmonitor sieht man alle 32 Farben, die VT 100 und ANSI verwenden. Dazu bedient sich STarCall eines technischen Tricks. Mit einem Highspeed-Modem ist bisweilen das Mitlesen der Mailbox-Texte durch die zu hohe Geschwindigkeit problematisch. In solchen Fällen hilft die „Softscrolling"-Funktion, die ein butterweiches Scrolling ermöglicht.

An Protokollen bietet das Programm das schnelle ZModem und das langsame, zumeist für Textuploads genutzte XMODEM. STarCall verfügt über sechs „Protokoll-Slots“, wie man sie auch von Rufus kennt. Benötigen Sie also beispielsweise noch das verbreitete Kermit oder Quickb (ein Compuserve-Protokoll), so gilt es den Namen, den Pfad und gegebenenfalls die Parameter einzutragen. Zum Wechseln des Protokolls genügt dann ein Mausklick auf den entsprechenden Namen. Ein automatischer Start des Zmodem-Protokolls ist vorgesehen, bereitete aber einige Schwierigkeiten. Offensichtlich wurde der ZMODEM-Header nicht immer erkannt.

Schnittstellenauswahl

Selbstverständlich spricht STarCall auch alle seriellen Schnittstellen des STE, TT und Falcon an. Um den Fehler beim RTS/ CTS-Handshake (bis TOS-Version 1.04) auszumerzen, findet man auf der Diskette ein entsprechendes Patch-Programm, das in den Auto-Ordner gehört. Sind alle Parameter korrekt eingestellt, steht einer Datenreise nichts mehr entgegen. Bevor es losgeht, gilt es natürlich noch eine Mailbox anzuwählen. Dazu wählen Sie den Menüpunkt „Box anwählen" oder klicken auf das entsprechende Icon. Es erscheint das „Telefonbuch“. Es bietet Platz für 62 Einträge. Das ist absolut nicht ausreichend für DFÜ-Profis.

Jeweils zehn Nummern sieht der Anwender in der Nummernliste. Die Telefonnummer läßt sich nicht nur per Maus, sondern auch mit einer Funktionstaste selektieren. Auf der rechten Seite sieht man die Eintragungen „Name, Nummer, Sysop und Information“. Durch die Wahl des „Editieren"-Buttons ändert man eine Nummer oder gibt eine neue ein. Bei jeder Nummer geben Sie an, ob es sich um eine DFÜ-, FAX- oder Voice-Nummer handelt. Ist letzteres der Fall, so läßt sich Ihr Modem auch als Wählgerät verwenden. Beim Freizeichen nimmt man den Hörer ab und drückt die Control-Taste. Unter „Zone“ befinden sich die Zahlen von 1 bis 4, für die Tarifzonen „Nah-, Regional- und Weltzone", sowie die Tarifzone 1 für Verbindungen mit dem europäischen Ausland. Diese Angaben benötigt das Programm für die Berechnung der Telefongebühren.

Da sich nicht alle Mailboxen mit den gleichen Parametern vertragen, verzweigt das Programm auf Wunsch zur „RS-232-Einstellung“ und ermöglicht Ihnen das Umschalten von 8 auf 7 Bit, wie es für CompuServe oder Datex-P notwendig ist. Auch die Terminalkonfiguration läßt sich für jede Mailbox individuell einstellen. Für ein „Autologin“ oder ein automatisches Abarbeiten von Mailboxbefehlen geben Sie den Namen der Batchdatei ein. Dummerweise verzichtet das Programm hier - wie auch bei allen anderen Feldern zur Dateieingabe - auf eine Auswahlbox, in der man die Datei angibt. Stattdessen muß man sich alle Dateinamen merken und einzeln eintippen. STarCall sucht dann im unter „Pfade" eingegebenen Ordner danach.

Falls Sie für eine Mailbox einen bestimmten Unterordner für Up- und Downloads wünschen, so geben Sie dessen Name in das entsprechende Feld ein. Bei der Anwahl von Mailboxen ist bekanntlich häufig besetzt. Natürlich bietet STarCall eine Wahlwiederholung. In das entsprechende Feld läßt sich dazu ein dreistelliger Wert eintragen. Wer schon zu den glücklichen zählt die mit dem Tonwahlverfahren wählen können, darf hier auch ruhig 999 Versuche eintragen. Bei diesem Verfahren, daß sich langsam durchsetzt, stehen zwei sich überlagernde Töne für eine Nummer. Dieses Verfahren ist natürlich sehr schnell: Schon nach 80 ms hören Sie das Frei- oder Besetztzeichen.

In vielen Städten und auf dem Land ist noch das Pulswahlverfahren in Gebrauch. Dabei steht die Anzahl der Impulse für die Nummer. Das ist dann übrigens das beim Wählvorgang hörbare Rattern. Zur Pulswahl benötigen Telefon und Modem kleine, empfindliche Relais. Stellen Sie also die Wahlwiederholung bei Pulswahl auf 50, kann unter Umständen das Relais Schaden nehmen. Dieses Problem kann man allerdings umgehen, indem man die Zeit zwischen den Anwahlversuchen erhöht. Praktischerweise muß man beim Wählen nicht dauernd auf den Monitor schauen: Ein akustisches Signal gibt an, daß es zu einem Verbindungsaufbau gekommen ist. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, zumindest eine Mailbox zu erreichen, lassen sich mehrere Nummern selektieren und hintereinander anwählen. Irgendeine ist dann wohl ein „Treffer“.

GEM-Fenster

Als Ausgabe nutzt STarCall ein GEM-Fenster. Gerade bei High-Speed-Modems ist dies allerdings zu langsam. Die Alternative wäre ein schnelleres TOS-Fenster, bei dem man allerdings auch auf einige Annehmlichkeiten der GEM-Fenster verzichten müßte. So läßt sich dort mit der Maus Text markieren. Es erscheint eine Abfrage, ob Sie den Block sofort senden bzw. „quoten“ wollen oder zunächst nur ins Clipboard kopieren möchten. Haben Sie sich für letzteres entschieden, läßt sich der Inhalt des Clipboards auch später senden. Dabei gibt STarCall vor jeder Zeile ein „>“ aus, wie es bei Zitaten üblich ist. Die bei einigen Netzen gängigen Initialen des Zitierten vor dem „>“ müssen Sie dann allerdings noch selbst setzen.

Natürlich verfügt das Programm auch über einen kleinen programminternen Editor. Dieser bietet ausreichend viele Funktionen, die Sie zum Schreiben kurzer Mails benötigen. Zum schnellen Auffinden von Textteilen lassen sich acht Sprungmarken setzen. Da sowohl Terminalfenster, Editor als auch Puffer die Blockbefehle nutzen, steht einem Textaustausch zwischen allen drei Fenstern nichts im Wege. Als besonderen Clou startet STarCall bei allen Vorgängen mit Wartezeiten (Download, Anwahl etc.) automatisch das beigelegte Multitasking-Tetris „Multrix“.

Programmiersprache

STarCall verfügt auch über eine eigene Programmiersprache. Mit etwa 30 Befehlen lassen sich häufig anfallende Aufgaben, wie Einloggen automatisieren. Diese kurz „Batch“ genannten Programme schreibt man mit einem beliebigen ASCII-Editor. Das Programm arbeitet Befehl für Befehl wie ein Interpreter ab. Wer keine Zeit zum Erlernen einer Programmiersprache hat, benutzt die Funktion „Autologin lernen", die nach erfolgreicher Ausführung dem Mailboxbenutzer die Eingabe von Usernamen und Passwort abnimmt.

Besitzer eines Zyxel-Modems werden die „Voice-Mail"-Funktion schätzen. Diese verwandelt Ihren ATARI in einen echten Anrufbeantworter, da die ZyXEL-Modems in der Lage sind Sprache zu digitalisieren und wieder auszugeben.

FAX-fähig

Wer ein FAXmodem sein eigen nennt, nutzt STarCall auch zum Empfangen von FAXen. Mit dem mitgelieferten Zusatzprogramm „Viewfax“ sieht man sie sich an. Im Lieferumfang von STarCall Professional befindet sich zusätzlich noch das Programm „Sendfax“, das dann auch den Versand von FAXen ermöglicht. Beim Empfang von Anrufen erkennt das Programm selbständig, ob es sich um einen DFÜ- oder einen FAX-Anruf handelt. Bei ZyXel-Modems schaltet es den „Anrufbeantworter"-Modus an, falls es einen „normalen" Anruf bemerkt. Bei einem DFÜ-Anruf kann Ihnen der Anrufer eine Nachricht hinterlassen.

Wer häufig direkt mit einer Person über DFÜ im Dialog steht, kennt das Durcheinander, das entsteht wenn beide Partner gleichzeitig tippen. Dieses Chaos gehört mit der Funktion „Chat" der Vergangenheit an: Das Teminalfenster teilt sich durch Linien in zwei Teile. Der obere Teil ist für den einen, der untere für den anderen Partner gedacht. Damit Sie der Schlag nicht allzu heftig trifft, wenn Sie Ihre Telefonrechnung öffnen, sieht man in der „Buchführung" alle Telefongebühren für einen Monat, mit Angaben zu „Datum, Login, Logout, Name der Mailbox, Tarifzone, Online-Zeit und Gebühr".

Mit STarCall erhalten Sie zu einem günstigen Preis all das, was auch der Klassiker „Rufus" bietet, und noch einiges mehr. Das Programm gefällt durch die einfache Bedienung und die Liebe zum Detail, mit der kleinere Probleme wie beispielsweise das Zitieren während des Online-Betriebes oder die langen Wartezeiten beim Download, gelöst sind. Über die Übernahme einzelner Teile aus Rufus darf man geteilter Meinung sein. Andererseits hat Rufus Standards gesetzt, die man ruhig übernehmen sollte. Sicherlich wird auch Rufus weiterentwickelt, doch momentan liegt STarCall,- allein schon durch die FAX- und Voice-Mail-Unterstützung vor dem Altmeister.

Bezugsquellen:
Elektronik Stippler
Postfach 900901
81509 München
oder:
Ingo Linkweiler
Marktstraße 48
45711 Datteln

Preise:
STarCall Standard DM 35, -
STarCall Professional DM 99, -
Handbuch + Update DM 10,-

Positiv:

schnelle VT-100 Emulation
Online-Hilfe
konsequent in GEM eingebunden
praktischer Chat-Modus

Negativ:

kleine Redraw-Probleme im Editor


Dietmar Spehr
Aus: ST-Computer 09 / 1993, Seite 127

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