Notensatzprogramme versetzen jeden, der mit Musik zu tun hat, in die Lage, professionell brauchbare Ausdrucke selbst herzustellen. Profitieren können davon Komponist, Arrangeur. Instrumentalist, Verlag oder auch der Amateur, der seine Noten einmal so richtig schön gedruckt seinen Mitmenschen und Mitmusikern präsentieren möchte. Das bekannte Notensatzprogramm Score Perferct Professional für den ATARI entwickelt sich im Eiltempo und liegt seit kurzem bereits in der Version 2.0 vor.
Notensatzprogramme sind im Prinzip nichts anderes als Text- oder DTP-Programme, die statt Buchstaben Noten, Notensysteme, Legatobögen, Haltebögen, Liedtexte, Griffbilder, Ausdruckzeichen und ähnliches mehr benutzen. Wie man bereits aus dieser kleinen Aufzählung erkennen kann, ist der Notensatz nicht so einfach zu automatisieren wie der Schriftverkehr. Und tatsächlich, während seit Jahrzehnten der Schriftverkehr auf Schreibmaschine und Computer läuft, wird das Setzen von Noten bis heute zumeist von Hand erledigt. Erst in allerletzter Zeit halten die Notensatz Programme ihren Einzug in die Musikwelt.
Auf dem ATARI haben sich zum Schreiben von Noten vor allem die Programme Notator, Master Score und Score Perfect Professional durchgesetzt. Steinbergs angekündigte Cubase-Score-Version für den ATARI könnte sich auch zu diesem Kreis gesellen, wir werden über diese Neuerscheinung berichten. Wie gut Score Perfect Professional für den Wettbewerb um die Gunst der Notenschreiber mit seiner neuesten Version gerüstet ist, wollen wir in diesem Test feststellen.
Das Programm erhält man auf zwei Disketten in einem ansprechenden Ringbuch mit einer etwa 170 Seiten langen Anleitung. Diese ist gut gegliedert, mit zahlreichen Bildern ausgestattet und erfüllt sehr gut ihre Funktion sowohl zum Kennenlernen des Programms als auch beim gelegentlichen Nachschlagen. Nur für die Kunden, die bereits zahlreiche Updates bekamen, sollte statt der vielen zusätzlichen Seiten langsam ein neues Handbuch drin sein. Es sei mir erlaubt, eines bereits hier vorwegzunehmen: Eigentlich braucht man für Score Perfect Professional gar keine Anleitung. Kaum ein anderes, ähnlich komplexes Programm läßt sich so einfach und intuitiv bedienen wie Score Perfect Professional. Das Handbuch ist höchstens zum Nachschauen bei Feinheiten notwendig.
Auf der ersten der beiden Disketten befindet sich das Programm selbst, auf der zweiten zusätzliche Dateien wie zum Beispiel Druckertreiber. Die Programmdiskette ist kopiergeschützt - eine Tatsache, die im Bereich der Musik-Software zwar bedauerlich, aber durchaus üblich ist. Zum Glück hat der Programmierer mittlerweile eine Lösung gefunden, die den Betrieb mit einer Festplatte völlig ungestört läßt. Lediglich beim ersten Laden des Programms von der Festplatte muß sich die Originaldiskette einmal im Laufwerk A: befinden. Später kann das Programm völlig ohne Einschränkungen genutzt werden. Nur nach dem Umräumen der Festplatte oder dem Komprimieren des Programms muß die Originaldiskette beim ersten Starten noch einmal ins Diskettenlaufwerk. Alles in al lern eine durchaus akzeptable Lösung.
Die Installation auf Festplatte ist ebenfalls ganz einfach: Man kopiert beide Disketten in einen Ordner auf die Harddisk - und fertig. Score Perfect Professional ist mittlerweile flexibel, das Programm läuft, wie es sich für ein gutes ATARI-Programm gehört, mit Großbildschirmen, OverScan, Falcon ... Der Betrieb mit 1 MByte Speicher ist möglich, allerdings dürfen dann die Partituren nicht mehr als acht Systeme enthalten.
Nach dem Programmstart präsentiert Score Perfect eine schön aufgeräumte Arbeitsumgebung mit zwei Notenlinien, einer Auswahl an Notenwerten und Pausen, einigen Notenkopfformen, Haltebogen, Wahl der Vorzeichenanpassung, einer Prozentzahl und schließlich einer Art Tonbandbedienung mit Vor. Zurück, Play ... Oben ist, wie es sich für ein ordentliches GEM-Programm gehört, die Menüleiste; Accessories sind zugelassen und laufen problemlos.
Zu jedem Menüeintrag gehört ein Tastatur-Shortcut; Score Perfect Professional läßt sich vollständig sowohl mit Maus als auch mit Tasten bedienen. Der erste Eintrag unter dem Menüpunkt Datei heißt Voreinstellungen.
Hier lassen sich die Anzahl der Notenlinien, die Systemnamen, Notenschlüssel, die Tonart, die Taktart, der MIDI-Kanal und seit neuestem die gewünschte Programmnummer des jeweiligen Synthesizers einstellen. Erfreulich für Besitzer von Synthesizern mit MIDI-GS-Standard: im Score Perfect Professional läßt sich sogar das gewünschte Instrument direkt aus einer MIDI-GS-Liste auswählen. Ich könnte auch ohne dieses kleine Schmankerl leben, aber nett ist es schon.
Die Anzahl der Systeme und deren Namen, die Notenschlüssel, Taktarten usw., die man am häufigsten benutzt, können unter dem Namen SPP.SON abgespeichert werden. Beim nächsten Programmstart lädt Score Perfect Professional automatisch diese Einstellungen als ein noch leeres Stück (praktisch ihr spezielles Notenblatt) mit der Voreinstellung, mit der Sie meistens das Notenschreiben beginnen wollen.
Weitere Stücke, sowohl leere als auch fertige, können auf Funktionstasten gelegt werden. Durch Drücken von Alternate + Funktionstaste kann man das entsprechende Stück laden. Einige der Voreinstellungen werden in grafisch sehr gelungen gelösten Eingabefeldern vorgenommen; besonders gut gefiel mir der Quintenzirkel für die Wahl der Tonart. Den gleichen Quintenzirkel bekommt man übrigens, wenn man mit der Maus in einer Notenzeile dort klickt, wo normalerweise die Vorzeichen sind. Das ist wirklich bequem und einfach. Ähnlich ist es mit den Notenschlüsseln oder Taktstrichen: klickt man einen an, bekommt man mehrere zur Auswahl.
Die Eingabe von Noten, Pausen und Haltebögen geschieht am einfachsten mit der Maus. Mit der linken Maustaste werden Zeichen gesetzt, mit der rechten gelöscht. Der Wert der Noten oder Pausen kann dabei ebenfalls mit der Maus gewählt werden oder über vordefinierte Tasten. Auch hier zeigt sich die Praxisnähe: die Tasten sind so gewählt, daß die linke Hand zum Ändern der Notenwerte an der Tastatur bleiben kann, während die rechte mit Hilfe der Maus zum Eingeben der Zeichen benutzt wird. Weitere Möglichkeiten der Eingabe sind: Step by Step, Realtime (mit einem Keyboard wie in einen Sequenzer einspielen) oder das Laden von Standard MIDI-Files. Interessanterweise wird beim Laden von mit Cubase 3 abgespeicherten MIDI-Files eine Achtelnote am Anfang hinzugefügt, während das Laden von mit Cubase 2 abgespeicherten MIDI-Files einwandfrei funktioniert. Bei welchem Programm der Fehler zu suchen ist, ist schwer zu sagen.
Für die Editierung der gesetzten Noten stellt Score Perfect Professional eine Reihe von mächtigen und bequemen Werkzeugen bereit. Blöcke und Bereiche können markiert und bearbeitet werden. Das Blockmenü bietet die Möglichkeit, einen vorher markierten Block zu verschieben, zu kopieren, zu entfernen, zu leeren oder einzufügen. Zu diesen Grundfunktionen sind einige wichtige neue gekommen. Besonders erfreulich fand ich die Faulenzer- und die Mehrtaktpausen.
Doch das ist nicht alles: Score Perfect Professional bietet noch eine weitere Art der Markierung und Bearbeitung: den Bereich, mit weiteren Möglichkeiten zur Bearbeitung. Bereiche können sogar diskontinuierlich markiert und bearbeitet werden, wie bei einer modernen Textverarbeitung. Immer noch ein wenig unbequem ist das Arbeiten mit polyphonen Notensystemen. Hier empfiehlt es sich, die einzelnen Stimmen auf eigenen Systemen zu schreiben und sie später zusammenzuführen.
Die Eingabe von Texten ist mittlerweile äußerst flexibel gelöst. Unterschieden werden freie Texte und Lyrics, zur Eingabe von Liedertexten. Durch die Möglichkeit der Konvertierung und Nutzung von Signum!-Fonts herrscht jetzt auch bei Zeichensätzen Vielfalt. Eine große Palette an Sonderzeichen steht in Score Perfect Professional zur Verfügung. Wer etwas ganz besonders Ausgefallenes als Sonderzeichen braucht, kann es sich mit Hilfe eines Signum!-Zeichensatzeditors basteln. Damit ist die Anzahl der Sonderzeichen praktisch unbegrenzt.
Die geschriebenen Noten können in Score Perfect Professional in Tabulaturschrift für Gitarre oder seit neuestem sogar für Baß automatisch umgeändert werden. Selbst wenn man der Notation in Tabulaturschrift eher skeptisch gegenübersteht, die Tatsache, daß das Programm sie unterstützt, ist als positiv zu werten, schließlich gibt es noch einige Gitarristen und Bassisten, die mit dieser Schrift arbeiten. Meines Wissens ist Score Perfect Professional das einzige Programm auf dem Markt, das diese unterstützt.
Ebenfalls ein Leckerbissen für Gitarristen ist die Darstellung von Griffbildern. 21 Griffbilder in sechs verschiedenen Größen stehen für jedes Stück zur Verfügung, sie können sehr einfach editiert und in das Notenblatt eingefügt werden. Leider können sie nicht kopiert werden, um sie zum Beispiel nach einer kleinen Veränderung wieder verwenden zu können. Wünschenswert wären Griffbilder über fünf statt nur über vier Bünde und die Möglichkeit, sie bis zum zwölften Bund statt nur bis zum neunten verwenden zu können.
Nach der Eingabe aller Noten kann mit dem Formatieren begonnen werden. Hier verläuft erfreulicherweise alles nach dem WYSIWYG-Prinzip, was die Arbeit erheblich erleichtert. In der Version 2.0 kann auch das fertig formatierte Werk noch etwas verändert werden, etwa bei Fehlern, ohne daß die Formatierung wiederholt werden müßte. Ein zuschaltbares Lineal erleichtert die Positionierung. Taktzahlen können wahlweise angezeigt und gedruckt werden. Ist das Werk einmal fertig, sollte es gespeichert werden. Hier gibt es außer der Möglichkeit, die einzelnen Seiten im Score-Perfect-Professional-Format zu speichern, sie als IMG-Bilder zu sichern. Diese kann man dann in Zeichen- oder DTP-Programme laden und weiter bearbeiten.
Der Ausdruck ist mittlerweile mit den meisten handelsüblichen Druckern möglich. Eine Ausgabe an Satzmaschinen oder in PostScript ist nicht möglich und würde das Programm sicher auch stark verteuern. Bereits die normalen Ausdrucke haben aber eine bestechende Qualität. Wer druckreife Vorlagen braucht, kann zum Beispiel so verfahren wie ein mir bekannter Musikverlag: Die Noten werden zunächst mit Score Perfect Professional ausgedruckt, dann verkleinert und anschließend vervielfältigt. Das Ergebnis ist professionell.
Score Perfect Professional hat sich zu einem mächtigen Werkzeug für das Schreiben und Drucken von Noten entwickelt. Kaum ein Wunsch bleibt noch unerfüllt. Lediglich eine Undo-Funktion vermißt man manchmal. Einen Nachteil bringen die vielen neuen Funktionen allerdings mit sich: Die Übersichtlichkeit des Programms leidet ein wenig. Es ist schon nicht ganz bequem, wenn man unter dem Menüblock zunächst den Eintrag Diverses anklicken muß, um dann den Eintrag Diverses 2 anzuklicken, um dort endlich die gesuchte Aktion auszulösen. Pop-Up-Menüs könnten da wertvolle Dienste leisten.
Score Perfect Professional liefert hervorragende Druckergebnisse; die Noten, Schlüssel und Zeichen sind äußerst geschmackvoll und entsprechen in etwa der traditionellen, gestochenen Notenschrift. Die intuitive Bedienung macht das Arbeiten mit dem Programm zu einem Vergnügen. Score Perfect Professional wird konsequent und engagiert gepflegt und weiterentwickelt. Es ist jedem, der sich mit Noten beschäftigt, wärmstens zu empfehlen.
Bezugsquelle:
Soft Arts
Postfach 127762
W-1000 Berlin 12 (ab 1.7.1993 neue PLZ 13107)
Score Perfect Pro
Positiv:
intuitive Bedienung
hervorragende Druckergebnisse
umfangreiche Bearbeitungsfunktionen
Einsatz von Signum!-Zeichensätzen möglich
Negativ:
teilweise überladene Menüs
Probleme mit MultiTOS