Computer & Recht

In dieser Rubrik sollen aktuelle Rechtsprechungen und juristische Grundlagen rund um den Computer vorgestellt werden. Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und arbeitet im Büro auf ATARI ST/TT-Computern.

Wettbewerbsverstoß durch Werbung ohne Vorratshaltung

Das Landgericht Frankfurt verkündete jüngst eine für Computerfachhändler sehr interessante Entscheidung, die auf folgender Gegebenheit beruht: Es ist häufig zu beobachten, daß die Computerfachhändler schon großartige Werbeannoncen schalten, bevor die neuen Computermodelle überhaupt erhältlich sind. Dies hat den Zweck, über Vorbestellungen die Kunden zu binden und sich dadurch einen Marktvorteil zu sichern, daß im Fall der Lieferung die Kunden schon gesammelt werden können, während die Händler, die erst bei Auslieferung werben, leer ausgehen. Für die Kunden ist dies häufig ärgerlich, weil sie von Woche zu Woche vertröstet werden, obwohl sie aufgrund der geschalteten Werbung auf baldige Lieferung hofften. Daß das nicht fair ist, empfinden einerseits die Kunden und andererseits auch die Händler, die sich „an die Spielregeln halten“ und erst dann werben, wenn die Ware vorliegt.

Ein Urteil zu einem Fall aus der Praxis des Autors erging in diesem Zusammenhang jüngst durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt gegen einen Händler aus der „nahen“ Computerbranche. Der betroffene Händler warb bundesweit für Computer die das ausländische Mutterhaus erst in sehr geringen Stückzahlen an die Vertriebsfirma in der Bundesrepublik auslieferte. Unsere Mandantin war der Auffassung, daß die großartig aufgemachte Werbung nicht mit den nachweislich gelieferten Stückzahlen an den Händler übereinstimmte und beauftragte uns mit der Abmahnung. Der Händler war mit der Abmahnung nicht einverstanden, so daß eine einstweilige Verfügung notwendig war.

Das Landgericht Frankfurt hielt die einstweilige Verfügung für begründet, weil die Werbung des Händlers irreführend sei. Diese Entscheidung basierte im wesentlichen auf einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, nach welcher der Tatbestand einer Irreführung im Regelfall erfüllt ist, wenn die beworbene Ware entgegen der Verbrauchererwartung zu dem angekündigten Zeitpunkt oder während des angekündigten Zeitraums nicht vorrätig ist. Dabei entscheidet sich die Frage, ob eine Irreführung über die Lieferbereitschaft vorliegt, danach, welchen Inhalt das Publikum der Anzeige entnimmt und ob dieser mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Im vorliegenden Fall hat der Händler mit einer doppelseitigen Anzeige einer Computerfachzeitschrift blickfangartig den Computer XY mit seinen Preisen herausgestellt. Dieser Ankündigung entnimmt das Publikum, daß der Händler zumindest zu Beginn des Werbezeitraums diesen Computer in ausreichendem Maßmitnahme- oder versandbereit in den Geschäftsräumen oder auf Lager hat.

Dies lag jedoch nachweislich nicht vor. Im übrigen wurde der Computer XY auch erst in sehr geringen Stückzahlen an die einzelnen Händler ausgeliefert, so daß die Nachfrage auf eine derartige Werbung des Händlers hin nicht gewährleistet werden kann. Die irreführende Werbung wird auch dadurch nicht entschuldigt, daß der Händler auf eine mögliche Lieferzusage der Vertriebsgesellschaft vertraute. Selbst in diesem Fall durfte der Händler nicht mit der streitbefangenen Anzeige den Computer XY blickfangartig bewerben und den Eindruck sofortiger Liefermöglichkeit erwecken, denn er selbst hatte die Computer nicht vorrätig und wußte, daß die Vertriebsgesellschaft selbst auf eine Lieferung der amerikanischen Muttergesellschaft vertraute. Das Publikum entschuldigt nämlich nicht, daß ihm bei dieser Sachlage mittels der Werbung vorgespiegelt werde, der Werbende selbst habe die beworbene Ware zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung vorrätig.

Was lernen wir daraus? Die Händler sollten sich im Markt fair verhalten und eine Werbung erst dann schalten, wenn die Waren bereits geliefert wurden und vorrätig sind. Das Vertrauen auf Lieferzusagen ist ein großer Fehler, weil gerade bei der Herstellung von Hard- oder Software häufig mit großen Unwägbarkeiten zu rechnen ist. so daß eine Lieferzusage allenfalls eine Erwartungshaltung, aber keine verbindliche Vertrauensgrund läge schaffen kann. Schließlich halten sich andere Händler auch an die Regeln, und nur ein fairer Markt bietet für manche „kleinen Produkte“ eine echte Überlebenschance.

(Die Entscheidung wurde nicht veröffentlicht).

Datenverlust wegen Stromunterbrechung

Der in Fachblättern häufig zitierte Computergau liegt immer dann vor, wenn Mutti beim Staubsaugen den Stecker des Computers aus der Steckdose zieht, während Vati gerade den ungesicherten 120-Seiten-Schriftsatz formatiert oder die 50 MB große Datenbank reorganisiert. Dieser Supergau war jüngst der Ausgangspunkt für eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm.

In dieser Entscheidung verlangte der Kläger von dem Beklagten Schadenersatz wegen der Beschädigung seiner Computeranlage und des Verlustes gespeicherter Daten. Der Kläger betreibt eine Firma für Sanitär-Heizungsbau. Der Beklagte ist Parkettverleger. Im Januar 1990 war der Beklagte von dem Kläger beauftragt, in seinem zweieinhalbstöckigen Wohnhaus in Hamm, und zwar im Obergeschoß, einen neuen Parkettfußboden zu verlegen. Zu dieser Zeit befand sich im Dachgeschoß des Hauses das Büro des Klägers mit einer EDV-Anlage. Auf der Festplatte des Computers des Klägers waren eine Artikeldatei und ein Buchhaltungsprogramm gespeichert. Als die Parkettleger ihre Arbeit beendeten, stellten sie fest, daß im Bad noch eine Lampe brannte. Da sie den Schalter für die Lampe nicht fanden, begab sich der Auszubildende zu dem in der Wohnung befindlichen Unterverteilungskasten der Stromversorgung. An dieser Unterverteilung war auch die Stromversorgung des Dachgeschosses angeschlossen. Der Auszubildende schaltete die an der Unterverteilung eingebauten zwei Fehlerstromschutzschalter (FI-Schutzschalter) aus. Nachdem das Licht kurzfristig erloschen war, schaltete er die Schalter wieder ein.

Der Kläger behauptete nun: Durch das kurzfristige Abschalten des Stromes seien die Festplatte seines Computers beschädigt worden und die gespeicherten Daten verloren gegangen. Dadurch sei ihm ein Schaden von 57.476,- DM entstanden.

Der Beklagte hat behauptet, sein Auszubildender habe auf Anweisung eines im Hause des Klägers tätigen Elektrikers mehrmals am Vormittag den FI-Schutzschalter betätigt. Für ihn sei bei der Betätigung des Schalters nach Arbeitsende nicht erkennbar gewesen, daß die Büroräume des Dachgeschosses an die Stromversorgung im Obergeschoß angeschlossen gewesen seien. Das Abschalten des Stromes habe die Festplatte nicht beschädigt und auch nicht zu einem Verlust von Daten geführt. Der Verlust von Daten sei nach dem Wiedereinschalten des Stromes durch einen Arbeitsfehler des Klägers bei dem Versuch einer Datensicherung herbeigeführt worden. Hätte der Kläger seine Daten gesichert, seien sie heute noch vorhanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung zu Recht damit, daß bei einem Stromverlust eine Festplatte keinen Schaden erleide. Dies wurde durch einen Sachverständigen insofern bestätigt, als selbst eine Überspannung nicht zu einer elektrischen oder physikalischen Störung der EDV-Anlage geführt hat. Allerdings seien die auf der Festplatte angelegten Kennungsmerkmale der Datenbank verändert worden, so daß die Daten durch die Stromversorgung verloren gegangen seien und nur durch einen geübten Programmierer hätten gerettet werden könnten. Daß dieser Fall einträte, konnte jedoch durch den Auszubildenden nicht vorhergesehen werden.

Selbst wenn man dies als eine schuldhafte Pflichtverletzung bezeichnen würde, trifft den Kläger an der nicht mehr vorhandenen Verfügbarkeit der gespeicherten Daten ein erhebliches Mitverschulden. Der Kläger hat nämlich eingeräumt, daß ihm zwei Datensicherungsbänder zur Verfügung gestanden hätten. Mit einem Band habe er bis dahin Daten von der Festplatte gespeichert. Nachdem „das Programm abgestürzt war und nur noch Hieroglyphen“ auf dem Bildschirm zu sehen waren, sei ihm von einem Zeugen eine Datensicherung angeraten worden. Er habe dann das Band, auf dem bereits Daten gesichert gewesen seien, benutzt, um die auf der Festplatte befindlichen Daten abzuspeichern. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hat der Kläger jedoch durch die Überspielung der auf der Festplatte veränderten Kennungsmerkmale die auf dem Sicherungsband befindlichen Daten vernichtet. Ohne dieses Verhalten könnte der Kläger auf seine bis zum Schadenstag gespeicherten Daten zurückgreifen.

Warum wurde diese Entscheidung so ausführlich dargestellt? Bei den meisten Soft- und Hardware-Hersteller herrscht große Angst, daß durch die Haftungsverteilung (insbesondere durch das Produkthaftungsgesetz) die Gefahr von Haftungsrisiken entstehen könnte. Diese Risiken sind jedoch geringer, als man denkt. Soweit Schäden an der Hardware entstehen, sind die hieraus entstehenden Haftungsbeträge relativ überschaubar. Problematischer wird es jedoch für den Fall von Datenverlusten. Hier hat die ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm gezeigt, daß auch der Anwender für ausreichende Datenabsicherung sorgen muß. Unterläßt er dies, hat er für den entstandenen Schaden selbst einzustehen. Das Risiko des Herstellers wird deshalb geringer. Für die Hard- und Software-Entwicklung ist dies eine wichtige Weichenstellung.

(OLG Hamm in CR 92/673)

Stillschweigende Werkabnahme bei EDV-Systemlösung - Fehlende Benutzerhandbücher

Wie bereits in den Kolumnen vorgehender Ausgaben ausgeführt wurde, ist die „Abnahme“ bei einem Werkvertrag ein sehr wichtiger Zeitpunkt. Zu Erinnerung soll nur kurz genannt werden, daß die Erstellung einer Software ein Werkvertrag und kein Kaufvertrag ist, da es sich nicht um die „Übereignung“ eines bereits bestehenden Produkts, sondern um die „Erstellung“ eines solchen handelt. Während die Verjährungsfristen beim Kauf mit dem Zeitpunkt der Übergabe der Sache beginnen, beginnen sie beim Werkvertrag mit dem Zeitpunkt der Abnahme. Die Abnahme ist hierbei, „untechnisch“ ausgedrückt, die Zusage des Bestellers, daß alles „O.K.“ sei. In der vorliegenden Entscheidung gab es jedoch Probleme, ob und wann die Abnahme erfolgt sei.

Der Bundesgerichtshof entschied, daß die stillschweigende Werkabnahme einer speziellen EDV-Systemlösung auch dann gegeben sei, wenn die Parteien schriftlich einen förmlich zu protokollierenden Abnahmetest mit anschließender dreimonatiger fehlerfreier Erprobung des Produkts vereinbart haben. Zur Abnahme einer stillschweigenden Werkabnahme müssen jedoch Tatsachen festgestellt sein, aus denen sich unzweideutig ergibt, daß die Parteien auf die vereinbarte förmliche Werkabnahme durch schlüssiges Verhalten verzichtet haben. Voraussetzung einer derartigen stillschweigenden Werkabnahme ist jedoch, daß das Werk vollendet, d.h. bei natürlicher Betrachtung als Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung anzusehen ist. Ist Vertragsgegenstand eine auf die Bedürfnisse des Vertragspartners zugeschnittene spezielle EDV-Systemlösung, so ist das Werk ohne die Aushändigung des Benutzungshandbuchs noch nicht vollendet.

Diese Entscheidung ist ein erneuter Beweis dafür, daß neben einem ordentlich funktionierenden Programm auch die Dokumentation den Mindestanforderungen entsprechen und - in merklichem Gegensatz zu vielen Programmen - nicht nur Beiwerk sein sollte.

(BGH in NJW-CoR 2/93 5.26;

Fristlose Kündigung bei Programmsperre

Zum Schluß dieses Beitrages soll noch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur „Erheiterung“ beitragen.

Der Hersteller einer Arzt-Software war zahlungsunwillige Kunden leid und ließ sich einen besonderen Trick einfallen, der ihn selbst überlistete. Das OLG entschied nämlich, daß der Hersteller der Software für eine Arztpraxis dem Arzt Veranlassung zur fristlosen Kündigung des Software-Nutzungsvertrages gebe, wenn er, um zahlungsunwilligen Kunden wirksam entgegentreten zu können, in seine Programme Programmsperren einbaut. Dies gilt selbst dann, wenn der Hersteller die Programmsperre bereits wieder entfernt hat, bevor der Arzt von deren Vorhandensein Kenntnis erlangt hat.

(OLG Düsseldorf in NJW-CoR 2/93 S.27)

CK



Aus: ST-Computer 07 / 1993, Seite 96

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