MUSiCOM - Das digitale Effektgerät für den Falcon030

Nicht zuletzt wegen des revolutionären Soundsubsystem ist der Falcon030 schon kurze Zeit nach seiner offiziellen Vorstellung auf der ATARI-Messe 1992 in aller Munde gewesen. Bietet er doch serienmäßig Stereosound in CD-Qualität und einen digitalen Signalprozessor, der ungeahnte Möglichkeiten zur Klangmanipulation eröffnet. So dauerte es auch nicht lange, bis erste Programme auftauchten, die mit diesen Möglichkeiten experimentierten. Eines der allerersten Falcon-spezifischen Programme für Soundanwendungen ist „MUSiCOM“, das sich im Vertrieb von Compo-Software befindet.

MUSiCOM wurde erstmals im Herbst letzten Jahres auf der CSS in Köln dem staunenden, ja sprachlosen Publikum präsentiert. Damals trug das Programm noch den Decknamen „Hardchor“. Inzwischen hat es sich zu einer handfesten Anwendung gemausert, die sehr eindrucksvoll die Soundmöglichkeiten des Falcon030 aufzeigt.

Die Oberfläche

Nach dem Starten des Programmes erscheint eine Dialogbox, von der aus alle wichtigen Einstellungen und Aktionen vorgenommen werden. In puncto Oberflächendesign haben sich die Programmierer ein besonderes Feature einfallen lassen, um allen Geschmäckern gerecht zu werden. Mit Hilfe einer Konfigurationsdatei kann bestimmt werden, ob sich die Oberfläche fortschrittlich im farbigen Falcon-Design mit 3D-Buttons oder eher im konservativen Schwarzweiß-Look präsentieren soll. Damit sollten auch die Kritiker der farbigen Oberflächengestaltung zufriedengestellt sein. Allerdings ist es uns nicht ganz verständlich, warum man auf Dialoge in GEM-Fenstern gänzlich verzichtet und stattdessen auf herkömmliche Dialogboxen zurückgegriffen hat. Gerade im Hinblick auf MultiTOS sind Dialoge, die nicht in echten GEM-Fenstern dargestellt werden, sehr hinderlich, da sie ein Taskswitching, also das Wechseln auf eine andere Anwendung, verhindern.

Alle Einstellmöglichkeiten, die das Falcon-Soundsubsystem hat, lassen sich im Hauptdialog vornehmen. Das reicht von der Justierung der Eingangsempfindlichkeit des Mikrofoneingangs über Ausgangslautstärke, Sampling-Frequenz (8,2 bis 49,2 kHz) bis hin zur Art der Analog/ Digitalwandlung (8 Bit/16 Bit, Mono/Stereo). Zusätzlich läßt sich eine Aussteuerungsanzeige aktivieren, die sehr akkurat und völlig flackerfrei funktioniert. Allerdings kann man die Eingangsempfindlichkeit nicht verändern, solange die Pegelanzeige aktiv ist. Das läßt den Sinn der Anzeige fragwürdig werden Als optischer Effekt kann sie allerdings allemal herhalten.

So richtig interessant wird es aber erst, wenn man den unscheinbaren Button mit der Aufschrift „Effekte“ anklickt. Darunter verbirgt sich ein zweiter Dialog, der insgesamt fünf Echtzeiteffekte zur Verfügung stellt. Für jeden dieser Klangeffekte läßt sich ein weiterer Dialog abrufen, in dem die nötigen speziellen Parametereinstellungen für diesen Effekt vorgenommen werden.

Echo

Der bekannteste Soundeffekt dürfte das Delay, also das Echo sein. Hierbei wird das Originalsignal zwischengespeichert und zeitlich verzögert ausgegeben. Mischt man das ursprüngliche Signal dazu, hört man ein Echo. Wird ein Teil des so erzeugten Signals wieder dem Eingang zugeführt, erhält man mehrere Echos, was schon fast einem Halleffekt nahekommt. MUSiCOM erlaubt es, die Verzögerungszeit, die Intensität sowie das Feedback, also die Rückkopplung, mit jeweils einem Slider einzustellen. Leider sind die Slider nur mit „Min“ und „Max“ beschriftet. Eine Skala mit genaueren Angaben wäre hier wünschenswert.

Equalizer

Interessant ist der Equalizer. Hiermit kann man, wie von der heimischen HiFi-Anlage gewohnt, bestimmte Frequenzbereiche anheben oder absenken, um beispielsweise die Anlage an die Raumakustik anzupassen oder Rauschen und Brummen zu eliminieren. Dabei wird das Prinzip des grafischen Equalizers mit 10 Bändern angewendet, was bedeutet, daß die Einsatzfrequenzen der 10 Filter festliegen und die Stellungen der Regler in etwa den Verlauf der Frequenzgangkurve wiedergeben. Die Einstellungen lassen sich getrennt für jeden Stereokanal vornehmen, wobei man mittels eines Schalters beide Kanäle parallel bedienen kann, um identische Einstellungen zu erreichen. Über die Funktion „Glätten“ werden große Sprünge in den Einstellungen geglättet, um eine harmonische Kurve zu erzeugen. Leider sind auch hier die Regler nicht beschriftet, so daß der Anwender nicht informiert ist, welche Frequenz mit welchem Regler beeinflußt wird. Allerdings gibt die in jedem Dialog zur Verfügung stehende Hilfefunktion genauere Auskunft über die Filterfrequenzen.

Harmonizer

So richtig Freude kommt mit dem Harmonizer auf. Dieser Effekt fügt dem Musiksignal bis zu zwei Stimmen mit geänderter Tonhöhe hinzu - und dies in Echtzeit, also ohne merkliche Verzögerung. Hier wird die Rechenleistung des DSP besonders deutlich. Natürlich sollte man nicht komplette Musikstücke über den Harmonizer laufen lassen. Das führt eher zu „fußnägelaufrollenden“ Mißtönen. Werden aber beispielsweise nur Gesang oder eine Gitarre mit dem Harmonizer-Effekt versehen, kann dadurch eine Menge an Klangfülle erzeugt werden. Es ist sogar möglich, dreistimmigen Gesang mit einem einzigen Sänger zu erzeugen. Dieser Effekt ist also besonders bei Musikern beliebt, die ihre Eigenkompositionen oder Cover-Versionen aufpeppen wollen. Aber auch in Live-Darbietungen kann der Harmonizer nützlich sein. Dazu haben die Programmierer die Möglichkeit vorgesehen, die Harmonizer-Stimmen über ein MIDI-Keyboard zu steuern. Somit kann z.B. ein Alleinunterhalter mit den Akkorden seines Keyboards die zweite und dritte Gesangsstimme zu seiner eigenen erzeugen.

Flanger

Dieser Effekt dürfte allen Gitarristen bekannt sein. Dort wird er besonders gern eingesetzt, um der Gitarre ein bestimmtes schwebendes Klangbild zu verleihen. Technisch wird dieser Effekt erreicht, indem dem Originalsignal ein phasengedrehtes zugemischt wird, bei dem die Phasenverschiebung mit einer bestimmten Frequenz moduliert ist. Das führt dazu, daß sich Teile des Musiksignals auslöschen, bzw. verstärken. Als Parameter für der Flanger-Effekt lassen sich Intensität und Frequenz mit den bekannten Schiebereglern einstellen.

Fünf verschiedene Effekte bietet MUSiCOM zur Auswahl an.

Karaoke

MUSiCOM kann außerdem noch mit einem ganz besonderen Schmankerl aufwarten. Karaoke nennt sich eine besonders in Japan sehr beliebte Unterhaltungsart. Dabei wird ein bekanntes Musikstück gespielt, zu dem dann ein Freiwilliger (oder auch Unfreiwilliger) singen darf/muß. Leider gibt es die Songs aus den Charts nicht oder nur sehr selten als Instrumentalversion, also ohne Gesang zu kaufen. Mit dem MUSiCOM-Karaoke-Effekt läßt sich aus beinahe jedem beliebigen Musikstück der Gesang fast vollständig eliminieren. Dazu wird ein recht einfacher Trick angewendet: der DSP erzeugt ein Musiksignal, das einer Mischung beider Stereokanäle entspricht, wobei ein Kanal allerdings phasengedreht wird. Im Klartext bedeutet das, daß sich die Teile der Musik, die im Stereopanorama genau mittig sind, gegenseitig auslöschen. In den meisten Fällen ist hiervon der Gesang betroffen, allerdings auch Baß und Schlagzeug. Für den Hausgebrauch und auf Partys kann dieser Effekt aber als wirkungsvoller Stimmungsmacher benutzt werden.

Der Harddisk-Rekorder

Schließlich enthält MUSiCOM auch noch einen Stereo-Harddisk-Rekorder. Damit läßt sich die eingespielte Musik einschließlich des ausgewählten Effektes direkt auf der Festplatte ablegen. Das Prinzip eines Harddisk-Rekorders hatten wir schon in der Dezember-Ausgabe der ST-Computer (Haino - der Harddisk-Rekorder) erläutert. Ganz ähnlich funktioniert auch der Rekorder von MUSiCOM, wobei er Samples im AVR-Format erzeugt und natürlich auch wieder abspielen kann.

Das Handbuch

... ist mit 50 Seiten in einem etwas unüblichen Format (entspricht in etwa einer Compact-Disk-Hülle) zwar nicht gerade üppig, aber dennoch ausreichend ausgefallen, zumal die im Programm integrierte Hilfefunktion kaum den Blick ins Handbuch notwendig werden läßt. Der Text ist locker und flüssig geschrieben und erfreulicherweise mit hilfreichen Screenshots durchsetzt.

Fazit

Kein Zweifel: MUSiCOM gehört auf die Festplatte eines jeden Falcon-Besitzers -und zwar nicht nur, um den Nachbarn, der stolz den Erwerb einer neuen Soundkarte für seinen PC verkündet, blaß werden zu lassen; nein, MUSiCOM hat durchaus das Zeug dazu, ernsthaft eingesetzt zu werden. Besonders gelungen erscheinen uns der Equalizer und der Harmonizer. Hiermit kommt sowohl der reine Musikkonsument als auch der Hobby musiker auf seine Kosten, zumal das Programm zu einem Preis von ca. 100 DM auch preislich nicht aus dem Rahmen fällt.

CM

Bezugsquelle: Compo Software Ritzstraße 13 W-5540 Prüm

MUSiCOM

Positiv:

gute, teilweise DSP-gestützte Soundeffekte
unkomplizierte Handhabung
integrierte Hilfefunktion
wählbare Oberflächengestaltung (Farbe / SW)
sehr niedriger Preis

Negativ:

Dialoge nicht in GEM-Fenstern



Aus: ST-Computer 05 / 1993, Seite 104

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