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Civilisation

Hersteller: Micro Prose
Vertrieb: Leisuresoft

Das Neueste von Sid Meier: Civilisation! Nach seinen Klassikern "Silent Service" und "Pirates" bietet Micro Prose nun dieses Spiel an. Die Aufgabe: nicht mehr und nicht wenigerals die Gestaltung einer Menschheitsgeschichte. Der Spieler soll dazu ein Nomadenvölkchen durch die Zeitläufte führen. Vier Möglichkeiten gibt es, die Startbedingungen festzulegen: erstens die Wahl des Anführers, gestaffelt in fünf Stufen mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad vom Häuptling bis zum Kaiser. Der Häuptling hat schon mal die Gelegenheit, sich gemütlich am Kopf zu kratzen: dem krisengeschüttelten Kaiser fallen da ob seiner Probleme eher die Haare aus. Zweitens beeinflußt den Schwierigkeitsgrad die Zahl der simulierten Stammesfürsten. Als Bonbon gibt es drittens die Werkstatt für Gestirne, in der durch Vorgabe von Masse, Wetter, Klima und Entstehungszeit ein eigener Planet kreiert werden kann, der dann als Grundlage aller Aktivitäten dient. Zuletzt muss die Wahl zwischen 14 verschiedenen Volksstämmen getroffen werden, von denen jeder mit verschiedenen Grundkenntnissen ausgestattet ist. Der römische Imperator beispielsweise kann auf ein Volk herabblicken, dass durchaus mit der Kunst des Schreibens vertraut ist, auch in den Geisteswissenschaften ist es beschlagen, während es auf dem Gebiet der Forschung und Technikdoch gewaltige Defizite aufweist. Was nicht ist, kann noch werden, denn alles ist nun bereit; sechstausend Jahre Geschichte sind zu gestalten, beginnend 4000 v. Christus. Entwicklung ist eine vielschichtige Angelegenheit, aber an einem Dach über dem Kopf kommt keiner vorbei. An einem geeigneten Plätzchen entsteht also die Hauptstadt. Für die verschiedenen ElementeeinerGesellschaft - Nahrungsbeschaffung, Bewaffnung, Religion - wird eine Infrastruktur aufgepäppelt. Die Aufgaben werden verteilt: Ackerbau wird betrieben, Kasernen und Tempel gebaut. Natürlich werden Steuern erhoben. Sind sie gering, vermehrt sich die Bevölkerung immens: der Platz wird knapp, es muss auf die Umgegend ausgewichen werden. Aussiedlertrupps haben entweder Pech und fallen Barbarenhorden in die Hände, oder sie finden gutes Gelände, und man gründet eine neue Stadt. Der Staat wächst, Handel und Wandel gedeihen. Es kann bei der Menschwerdung - und zur Erreichung des Spielzieles - natürlich nicht nur bei vollen Bäuchen bleiben, auch die Köpfe soll ein ansprechender Inhalt zieren, und so betreiben die Stammesältesten Forschung. Dabei bleiben Entdeckungen nicht aus; Rad und Alphabet wären solche,-und sie begünstigen jeweils die Entwicklung in bestimmten Bereichen, so dass der Wissensstand bis zur Atomspaltung und deren Grundlagen wie Gravitationsforschung und Teilchenphysik vordringen kann. Aber soweit ist es noch nicht, und auf dem Weg dahin hilft ein weiteres Spielelement die Weltwunder. Mühselig ist es, selbst eines zu erschaffen, wie beispielsweise den Konjunkturkatalysator, den Koloß von Rhodos. Aber schließlich gibt es nicht nur einen Herrscher. Mit den anderen lässt sich durchaus ein Austausch des Know-How vornehmen, und zwar entweder friedlich oder aber bei entsprechender militärischer Potenz mit Gewalt. Dabei wird natürlich Tabula Rasa gemacht und alles eingesackt, die ganze Stadt, Know-how also inklusive der Schätze. Nebenbei erwähnt schrecken auch die simulierten Gegner durchaus nicht vor solchen Taten zurück, und allgemeines Hauen und Stechen ist schnell angesagt. Vergänglich ist das Menschenleben, unvergänglich der Ruhm, und so sollte es nicht versäumt werden, seinen Ruhmestaten Unvergänglichkeit zu verleihen, indem man sie in den Geschichtsbüchern niederlegt. Der Tag des jüngsten Gerichts ist dann im Jahre 2050, und es wird ein glorreicher Tag, wenn es gelingt, bis dahin mit einer Raumfähre auf dem Planeten Alpha Centauri zu landen. Das wird natürlich nicht allen vergönnt sein. Deshalb gibt es den Highscore, und in der Ruhmeshalle wird dieser neben Staatsmännern wie Churchill und Napoleon verewigt. Zur Ausstattung des Spiels: die Steuerung von Civilisation ist untadelig über Tastatur oder Maus möglich. Ob der Komplexität der Handlung und Handlungsmöglichkeiten brauchen auch weniger Virtuose oder Ungeübtere keine Bedenken zu haben. Es gibt einen zuschaltbaren Hilfemodus, in dem Vorschläge durch den Computer gemacht werden. Zusätzlich ist ein umfangreiches deutsches Handbuch beigelegt. Alle Bildschirmtexte sind hier übersetzt, es bietet Informationen über berühmte Herrscher und eine große Tabelle überdie Entwicklungszusammenhänge.

Miroprose ist mit Civilisation ein großer Wurf geglückt. Komplex und bedienerfreundlich, Schwierigkeitsgrad praktisch stufenlos einstellbar. Ausgefeilte wirtschaftliche Zusammenhänge, harte militärische Action, faszinierende Einblicke in geschichtliche Entwicklungen: einfach genial. Kritikpunkte: kein Zweispielermodus, Grafik und Sound nur mittelmäßig.

CBO

Lemmings 2 - The Tribes

Hersteller: DMA Design/Psygnosis

Ganz klar, der zweite Teil des wunderhübschen "Lemmings" hätte auf den Wunschzetteln aller Arcade-Spieler ganz oben gestanden. Aber so, wie es auch fast überall keinen Schnee zum Weihnachtsfest gab, gab es auch kein "Lemmings 2". Der Grund leuchtet ein: Jedes Superduperhit- und Kultspiel schraubt die Erwartungen an eine Fortsetzung gewaltig hoch. Die Spielemacher von DMA, für die David Jones eigenhändig programmiert, bekamen ein wenig Muffensausen, "nur" wegen Weihnachten ein schnell zusammengeschustertes Game in die Läden zu bringen. Da nahmen sie sich lieber Zeit und können jetzt auch wirklich stolz auf das Ergebnis sein.

"Lemmings 2 - The Tribes" kommt gigantomanisch daher - mit 120 proppevollen Levels. Vielseitigkeit ist vorprogrammiert. Denn DMA hat sich folgendes ausgedacht: Die Lemminge aus Teil 1 hatten eine neue Heimat auf einer Insel bekommen und hätten dort zufrieden und vor allem friedlich leben können. Aber nein, sie kriegen sich in die Wolle und teilen das Eiland in 12 Sektoren auf, für jeden Stamm einen. Jeder Abschnitt ist eine Spielewelt für sich. Allerdings steht eine fürchterliche Katastrophe bevor, die fast auf der ganzen Insel alle Bewohner vernichten würde. Nur im Inselzentrum könnten die Angehörigen der 12 Stämme überleben. Und irgendwie muss der Spieler sie dort versammeln. Diese Geschichte erfährt der Retter in einem umwerfenden Trickfilmvorspann. Durch den Screen taucht der Spieler ein ins "Lemmings"-Universum, von dem er im Vorspann zunächst ein romantisches Dörfchen sieht. Der Blick wandert durch das Fenster einer lauschigen Lemmingbehausung und ruht dann auf dem Lemminggroßvater im Lehnstuhl. Als der kleine Enkel hereingehoppelt kommt, erzählt Opa die Geschichte von den 12 Stämmen. Er weiß auch zu berichten, dass derjenige, dem es gelingt, alle widerborstigen Lemminggruppen ins Inselinnere zu bringen, für jede ein Zwölftel eines Talismans erhält. Abhängig vom Erfolg jeder Rettungsaktion, bekommt man ein bronzenes, silbernes oder goldenes Teilstück des Talismans. Hundertprozentig gemeistert ist das Spiel nur, wenn man sich alle Talismanteile in Gold verdient hat. Pro Inselwelt abenteuert man in 10 niedlichen und spannenden Levels. Seltsame comicartig gemalte Landschaften aus den interessantesten Regionen der Erde und anderer außer- und unterirdischer Orte zieren den Hintergrund. So reist der Spieler ganz nebenbei ins geschichtsträchtige schottische Hochland, in dessen leuchtendes Grün die Grafiker hier eine knallrote Telefonzelle gestellt haben. Außerdem besucht man unter anderem ein trüb-gruseliges Schattenland, ein schlössergespicktes Mittelalter, das alte Ägypten mit seinen Sphinxen und Pyramiden, ein Höhlenlabyrinth, eine urweltliche Landschaft mit sauerierartigen Bewohnern und die Region ewigen Eises, in der es zur Dekoration Eskimo-lglus und Schneemänner gibt. In einem recht witzigen Inselteil stehen überall Sportgeräte herum - und es ist keine Frage, wie öie dort lebenden Lemminge sich die Zeitvertreiben. In den Strand- und Palmen-Levels liegen sie vermutlich in der Sonne und planschen ab und zu im Meer. Besonders bunt und quirlig erleben Spieler natürlich die 10Zirkus-Levels, in denen die armen Lemminge aus einem Kanonenrohr herausgeschleudert werden. Die Spielbarkeit ist wunderbar, langsam aber sicher steigt der Schwierigkeitsgrad, öde Passagen gibt es nicht. Besonders einfach ist "Lemmings 2" natürlich nicht. Einsteiger wählen also den Modus Practice und üben sich darin, ein Level lang einige Lemminge mit jeweils speziellen Fähigkeiten per Maus zu steuern. 52 Lemmingtypen gibt es - jeder Typ hat nur eine einzige nennenswerte Fähigkeit: Während einer fliegende Teppiche steuern kann, buddelt der andere atemberaubend schnell Löcher, durch die man sich in die darunterliegende Ebene plumpsen lässt. Damit durch überflüssige Löcher keine Tierchen purzeln und sich die Ohren brechen, kann ein anderer Lemmingtyp die Fallöcher mit Zement verstopfen. Naja, und dann gibt es noch Lemminge, die mit Ballons durch die Ebenen schweben, andere, die sich im Stabhochsprung fortbewegen. Manche klettern wie die Affen Taue hinauf und hinab, andere wieder segeln wie Superman durch die Gegend.

Es gibt auch zwei nicht ganz so erfreuliche Dinge: Zum einen gibt es keinen Zwei-Spieler-Modus, zum andern hat DMA die Levelcodes weggelassen. So muss man jetzt ständig Spielstände speichern und kann nicht mehr ganz so komfortabel in ein höheres Level quereinsteigen. Bei der Auswahl der Sektoren gibt es den Map-Modus für Entscheidungsfreudige, die den gewünschten Abschnitt anklicken, und den Play-Modus für Zögerlinge, hier entscheidet per Zufall die Software. Stärkstes Feature - wenn man das so nennen darf - ist die geradezu himmlische Spielbarkeit, die auch "Lemmings 2 - The Tribes" zu Recht zu einem Aspiranten für den Hitparaden-Ersten macht.


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Computer 04 / 1993, Seite 104

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