Signum!3 & mChem3 - Benzolringe auf Knopfdruck

Es war einmal ....- nein, keine Angst, hier wird kein Märchen erzählt, sondern nur die Wahrheit, die reine Wahrheit. Aber dennoch: Es war einmal ein Lehrer, der in einem Anflug von jugendlichem Leichtsinn die Fächer Biologie, Chemie und Physik studierte, nicht ahnend, was das einmal bedeuten würde.

Nun, wie das so ist im Leben, man geht eben Kompromisse ein: besagter Kollege hat zwar Spaß an seinem Beruf, aber auf einige Sklavenarbeit hätte er doch verzichten können. Dazu zählte u. a. das mühselige Zeichnen von Vorlagen für Transparentfolien, Arbeitsblätter und nicht zuletzt das Abschreiben mehr oder weniger umfangreicher physikalischer und chemischer Formeln.

Da der schon mehrfach erwähnte Lehrer bei Schülern und Kollegen (womöglich zu Recht?) als etwas pingelig verrufen ist, verplemperte er einige Zeit mit Tuschefüllern und Schablonen am Zeichenbrett. Dann drang das Gerücht an seine Ohren, es gäbe da Maschinen, die so etwas viel schneller und schöner könnten.

Da seine Typenradschreibmaschine (zuvor sein Stolz!) aus unerklärlichen Gründen immer wieder falsche Buchstaben lieferte, rief unser Held einen Kollegen von der Informatik-Branche zu Hilfe. Einen ATARI mit Signum!2 sehen, begeistert sein, zwei Wochen später einen selbst besitzen, das ging schnell. Das Typenrad kam in die Ecke und schämt sich seither, die Tuschefüller wurden gespült und verpackt. Unterrichtsvorbereitungen, Arbeitsblätter, Grafiken, das machte richtig Spaß. Nur eines fehlte noch: die organischen Formeln. Benzolringe aus dem Grafikprogramm sahen zwar schön aus, aber das Erstellen dauerte eigentlich genauso lange wie am Zeichenbrett (einziger Vorteil: keine schwarzen Finger.).

Dann kam mChem. Benzolringe auf Knopfdruck? Es ging! Kondensierte Heterozyklen? Es tat! Auf der Tastatur, mitten im Textprogramm. Die ersten Ausdrucke wurden natürlich den Kollegen vorgelegt, die als stolze PC-Besitzer bisher den minderbemittelten Atari-Spinner immer etwas mitleidig belächelt hatten. Sie konnten einen Anflug von Neid im Gesicht nicht verbergen. „Ach die paar Formeln, die Mal ich eben von Hand!" Das konnte nur jemand sagen, der keinen Chemie-Kurs mit Thema „Farbstoffe" hatte. Besagter Kollege, wir können ihn nun schon Signum-Fan nennen, hatte einen. Und er tobte sich aus. Von Phenolphthalein über Azofarbstoffe bis Indigo. Er staunte immer wieder. Über das Programm, daß jemand wirklich an alles gedacht hatte: Pfeile in alle Richtungen, griechische Buchstaben, kleine Indizes und Hochzahlen, Partialladungen und Oxidationszahlen. Er staunte aber vor allem über sich selbst: Zuvor absoluter Computer-Banause, konnte er das! Innerhalb weniger Tage! Das trug gewaltig zur Stärkung seines Selbstwertgefühles bei.

Dann kam - nein, kein Prinz, auch keine böse Schwiegermutter - nein, kein Märchen, dann kam Signum!Drei. Toll, was das alles konnte. Aber es mochte mChem nicht. Schon keimten Zweifel auf, ob das Geld für Signum!3 nicht besser in einem neuen Kleid für seine Frau angelegt gewesen wären. Denn ohne mChem, nein, das war nichts Rechtes. Unser schwer enttäuschter mChem-Fan schrieb einen Brief an den Autor, ob er nicht vielleicht, aber bitte doch recht bald, sich daran machen könnte. Sie können sich wohl denken, woran, sicher nicht den Frosch zu küssen, eher an das mChem, um es in mChem3 zu verwandeln. Ich weiß nicht, ob es mit einem Kuß abging, aber ich vermute, es dauer te etwas länger. Was heraus kam, war aber um so märchenhafter.

Ein mChem3 in völlig neuem Gewände, noch perfekter und umfangreicher. Und dazu noch ein Handbuch, das seinen Namen verdient. Eine echte Arbeitsanleitung für alle gängigen und viele selten gebrauchte Anwendungen. So, jetzt denken Sie, das ist alles wohl doch nur das übliche Reklamegeschwätz. Aber schauen Sie doch einmal selbst, wie einfach es geht:

Erster Schritt: Sie installieren mChem3. Hört sich langwierig an, geht aber schnell, da kein neues Programm, sondern nur einige Dateien in Signum!3 geladen und abgespeichert werden müssen.

Zweitens: Sie müssen wissen, welche Verbindung Sie schreiben wollen. Nehmen wir einmal an. Sie hätten auch gerade einen Leistungskurs, Thema Farbstoffe. Azofarbstoffe sind doch etwas Schönes, oder nicht? Also her mit den kleinen Formelchen!

Drittens: Sie ziehen sich das Lineal „mChem“ in den Text und rufen das Makro 0 auf. Damit sind bereits alle Einstellungen zum Schreiben der Formeln getätigt.

Nun tippen Sie die Azo-Gruppe. Zum Erstellen einfacher Formeln stehen drei Zeichensätze zur Verfügung. Bei den ersten paar Übungen müssen Sie noch die passenden Zeichen aus den Zeichensatzlisten suchen, aber die gängigen hat man bald im Kopf. Sie tippen also:

-N=N-

Nun wären die freien Elektronenpaare zur Garnierung noch ganz nett. Dafür gibt es schon ein hilfreiches Makro. Einfach Cursor hinter das Elementsymbol setzen und Makro „RR“ aufrufen.

Dabei bedeutet das Symbol „0“ die Position des Cursors vor Aufruf des Makros.

Das hätten Sie (mit viel Geduld) auch mit einem normalen Schreibfont geschafft. Aber mit Benzolringen, da könnten Sie ganz schön ringen! Aber die warten, fix und fertig, als Makros auf den Einsatz:

Damit haben Sie sich eine Grundstruktur erzeugt, an der Sie beliebig weiterbasteln können. Zweckmäßigerweise speichern Sie solche häufig benötigten Strukturen als Baustein ab. Spätere Arbeiten werden so wesentlich rationeller, da Sie in zunehmendem Maße von Ihrer persönlichen „Vorratskiste" zehren können.

Um Substituenten um Ihre schönen Benzolringe zu ranken, stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

Für ein Methylorange-Molekül reicht schon das erste, einfachere Verfahren, da ein Makro für die Para-Bindungen zur Verfügung steht. Auch die Methylgruppen können komplett als Makro aufgerufen werden (s. Abb. unten). In dieser Darstellung finden Sie auch noch weitere häufig benötigte Zeichen wie Pfeile, Ladungssymbole, mathematische Sonderzeichen und griechische Buchstaben. Und hoffentlich hat Ihr chemisches Adlerauge auch mit entsprechender Würdigung wahrgenommen, daß Indizes wirklich kleine Zahlen sind!

Mit der zweiten Möglichkeit, den Sprungmakros, sitzt auf Anhieb die OH-Gruppe eines Orange-II-Moleküls an der richtigen ß-Position. Dabei wird nicht nur eine Bindung, sondern auch ein Elementsymbol angefügt. Das hat den großen Vorteil, daß mit Backspace das Zeichen gelöscht und durch ein anderes in korrekter Positionierung ersetzt werden kann.

Jetzt sagen Sie womöglich: „Ist mir immer noch zu kompliziert!“. Auch dafür kann Ihnen mChem eine Lösung anbieten: die Formel von Methylorange erhalten Sie zusammen mit einer Sammlung weiterer aufwendigerer Formeln fertig als Bausteine mitgeliefert (einsame Spitze: ein komplettes Vitamin B12-Molekül!)! Aus den vorhandenen Bausteinen lassen sich durch Austausch von Substituenten leicht verwandte Verbindungen darstellen.

Zum Schluß aber ein besonderes Schmankerl für alle, die nicht nur plattgewalzte Moleküle darstellen wollen: die „Keil-Strich-Formeln“. Nein, keine altbabylonische Keilschrift, sondern Bindungssymbole zur Darstellung der Raumstruktur.

Gerade Schüler tun sich ja mit der räumlichen Vorstellung oft sehr schwer. (Ein Kollege aus der Mathematik führt das auf den Verlust der sphärischen Trigonometrie im Lehrplan zurück.) Zur Ergänzung der Unterrichtsarbeit mit Steckmodellen (die der Schüler nicht mit nach Hause nehmen kann) bieten sich derartige Formeldarstellungen kopiert zum Einkleben ins Heft an. Aus einer eigenen Makrodatei können alle möglichen Tetraederteile entnommen und aneinandergefügt werden. So wächst eine Alkankette durch wiederholte Anwendung von vier Makros (schräge Bindungen nach oben bzw. unten und C-Atome mit zwei Bindungen). Auf diese Weise entsteht z.B. eine Butanformel:

Sehr wertvoll ist diese Darstellungsart für das bei Schülern so beliebte Thema „Spiegelbildisomerie“:

Nun glauben Sie aber bitte nicht, Sie müßten Zuckerformeln aus Tetraederbruchstücken zusammenfieseln. Gegen solche üblen Scherze hält mChem noch eine weitere Makrodatei für die „Süßen" bereit: MCHEM_Z. Jede Menge Sessel mit und ohne O(hren), groß oder klein (für Polysaccharide) laden förmlich zum Ausruhen vor dem Bildschirm ein.:

Stellt sich jetzt langsam bei Ihnen doch das Gefühl ein, so etwas sollte man haben? Dann lassen Sie sich in diesem Gefühl noch bestärken: mChem hilft mit seinen zahlreichen Sonderzeichen auch beim Schreiben aller naturwissenschaftlichen Texte. Pfeile aller Art (gerade, schräg, gebogen), Relationssymbole, selbst ein Wurzelzeichen, um das berühmte Übel zu packen, werden angeboten.

Glauben Sie jetzt, daß besagter Kollege ohne mChem nicht mehr auskommt? Ach so, woher ich das alles so genau weiß? Ganz einfach zu erklären:

Wenn ich ganz allein vor meinem ATARI sitze und keiner im Hause ist, der es hören könnte, unterhalte ich mich öfters mit ihm, ganz leise. Und wir kommen immer wieder zu dem gleichen Schluß - drei Dinge braucht ein Chemie-Lehrer:

ATARI, Signum!, mChem.

Bezugsadresse:

MSOFT Martin Frank,
Im Vogelskorb 11
W-6803 Edingen


Hans Stobinsky
Aus: ST-Computer 03 / 1993, Seite 16

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