Concerto VERSION 1.1

Der Markt wird doch immer wieder mit neuen Sequenzer-Programmen beglückt, und das ist auch gut so. Es wäre wirklich schade, wenn sich junge Programmierer mit frischen Ideen von renommierten Programmen abschrecken lassen würden. Dann gäbe es nur ein einziges Programm für jede Anwendung, und der Alltag würde immer langweiliger.

Abb. 1: Das Main Window ist die schnelle Übersicht über Patterns und Tracks.

Bislang kamen die großen Software-Sequenzer hauptsächlich aus Deutschland und Amerika, was aber nicht bedeuten soll, daß andere Länder nicht daran arbeiten. Aus diesem Grund wollen wir uns diesmal eines der wenigen Produkte aus England anschauen, das eine ganze Reihe von interessanten Features aufweist. Dem Kind wurde der Name „CONCERTO“ in die Wiege gelegt. Concerto läuft auf allen STs mit mindestens 1 MB Arbeitsspeicher und einem hochauflösenden Monitor, z.B.:SM 124.

Concerto organisiert aus 100 möglichen Patterns auf 24 Spuren einen kompletten Song. Die Auflösung beträgt 192 PPQN (parts per quarter note). Auf einen 4/4-Takt umgerechnet sind dies 768. Zur Verfügung stehen gleich 5 verschiedene Editoren, die da wären: Score-, Step-Time-, Grid-, Drum- und Event-Editor. Tempowechsel (Accelerandos, auch Ri-tartando genannt, und Rallentandos) sowie Lautstärkenwechsel (Crescendos und Diminuendos) sind frei programmierbar. Selbst Voice-Daten können über die System-Exclusive-Funktion eingeladen und an das MIDI-Gerät geschickt werden. Selbstverständlich kann der Empfänger auch ein Effektgerät sein. Concerto verarbeitet auch MIDI-Standard-Files. STE- und TT-Besitzer kommen sogar in den Genuß, echte Vocal-, Drum- und spezielle FX-Samples einladen zu können. Die GEM-übliche Menüleiste ist durch beschriftete Buttons erweitert worden und erlaubt ein direktes Anklicken der Editoren und Windows, ohne in der Menüleiste umständlich herumsuchen zu müssen.

MAIN Window

Nachdem ein Song eingeladen wurde, offenbart sich der Bildschirm im Main Window wie in Abbildung 1.

Das Transportfeld am unteren Bildschirmrand bleibt in allen Windows sichtbar und aktiv. Die Darstellungsweise ist so eindeutig gewählt worden, daß ich Ihnen und mir eine ausschweifende Erklärung ersparen möchte. Hauptbestandteil des Main Windows ist die Pattern- und Tracklist. Die Patterns, maximal 100 an der Zahl, tragen einen definierbaren Namen und werden in ihrer Länge durch die linke und rechte Locator-Position festgelegt. Die 24 Spuren auf der rechten Seite können ebenfalls benannt werden, um das Instrumentarium schnell wiederzuerkennen. In der Spalte „Channel“ ist quasi ein neuer Kanal hinzugekommen, nämlich Channel „Sa“. Dieser ist für die in den Arbeitsspeicher ladbaren Samples reserviert. In diesen Genuß kommen aber nur STE- und TT-Besitzer. In der Statusspalte ist jede Spur dann noch separat an- und abschaltbar. Patterns sowie Tracks sind mit der Maus frei auf dem Bildschirm verschiebbar. Schiebt man zum Beispiel ein Pattern in den Mülleimer, ist dieses mit der UNDO-Funktion rückgängig zu machen. Leider geht dabei der ursprüngliche Pattern-Name verloren und wird in „Pattern XXX“ umbenannt. Die XXX stehen für die Pattern-Nummer. Das gleiche geschieht beim Kopieren, so daß auch hierein neuer Name eingegeben werden muß. Das sieht zwar erst wie eine Fußangel aus, hat aber den Vorteil, daß Concerto keine Benennung 2mal vergibt.

Abb. 2: Schnelles Handling zeichnet den Score Editor aus.
Abb. 3: Der Drum Editor verlangt ein gutes Auge, oder auch zwei.
Abb. 4: Im Arrange Window findet die eigentliche Organisation statt.
Abb. 5: Das Synth Window zeigt eine gute Übersicht der Sounds.
Abb. 6: Schnelles Handling bei der Controller-Programmierung macht die Arbeit zu einem Vergnügen.

Score Editor Window

Was wäre ein Sequenzer ohne Noteneditor? Auch ein Sequenzer, aber mit der Möglichkeit, Noten optisch setzen und eventuelle Einspielfehler schneller analysieren zu können.

Geschwindigkeit ist sicherlich genauso wichtig wie der Ausdruck der Noten, was unverständlicherweise aber nicht vorgesehen ist. In diesem Editor kommen die oben bereits erwähnten Beschleunigungen/Verlangsamungen und das Leiser/Lauterwerden zum Einsatz. Ansonsten bietet dieser Editor nur die „normalen“ Funktionen, die heute niemanden mehr vom Hocker hauen.

Drum Machine Window und Grid Editor

Herzlichen Glückwunsch - wer die Percussion-Instrumente noch aus 1 m Entfernung lesen kann, kann sich getrost den Gang zum Augenarzt sparen. Viel Informationen auf engem Raum bietet dieser Drum-Editor, der in weiten Bereichen zoombar ist.

Die gedrungene Darstellungsweise bringt zwar den Vorteil, viel in die Optik zu rücken, läßt aber nicht lange auf Ermüdungserscheinungen warten. Dies wäre ja alles nicht so schlimm, hätte man den Zoombereich nicht auf die Horizontale beschränkt. Das Zoomen geschieht in 24 Schritten, bis noch 2 bis 9 Takte zu sehen sind. Eine lobenswerte Einrichtung, und das muß ja auch mal gesagt werden ist das Zeichnen der Controller-Daten per Maus. Der Grid Editor ist vom Aufbau her identisch gestaltet, mit dem einzigen Unterschied, daß anstatt der Percussion-Instrumente nun eine Klaviatur am linken Bildschirmrand zu sehen ist.

Step-Time Editor Window

Betritt man dieses Window, (jetzt nicht gleich drauflatschen, ich meine mit einem Mausklick auf den Stepbutton), so glaubt man anfangs, im Score-Editor gelandet zu sein. Bei näherer Betrachtung fällt dann auf ,daß nur die Noteneingabefunktionen vorhanden sind, um zum Beispiel ein paar schnelle Eingaben über das am oberen Bildschirmrand bereitgestellte Keyboard zu tätigen. Sollte ein Einspielkeyboard nicht vorhanden sein, so entlockt man auf diese Art und Weise seinem Expander doch ein paar Töne.

Arrange Window

Wie an der Bezeichnung schon zu hören, findet hier die eigentliche Arrangierarbeit statt. Die Patterns werden in 100 Slots organisiert, wodurch die eigentlichen Sequenzen gebildet werden. Patterns anklicken und auf einen freien Slot klicken, schon ist das Pattern in die Sequence-List eingebunden. Aber Vorsicht, der gewählte „Arrange Edit Mode“ entscheidet, ob eingefügt, überschrieben oder gelöscht wird. Also vorher einstellen.

Eine schöne Einrichtung sind die Ghost Tracks, die ohne das Doppeltanlegen einer Spur mit anderen Parametern abgespielt werden können. Diese „Geisterspur“ ist nicht an die Instrumenteneinstellung der Originalspur gebunden, so daß ein separater Programchange-Befehl, eine eigene Stimmung, Velocity und Verzögerung auf diesen Track Einfluß nehmen kann.

Synth Window

An Übersicht sollte es niemals fehlen, darum können gleich 8 Synthy-Bänke eingeladen und den Tracks zugeordnet werden. Die Soundnamen sind frei veränderbar und alles zusammen als Setup auf Disk oder Platte speicherbar, so daß beim nächsten Concerto-Start wieder alles beim alten ist.

Ganz links sind die 8 verschiedenen Synthesizer-Bänke zu sehen, die in die „Track Assignment“ Liste eingebunden werden können. Somit ist gleich zu erkennen, welcher Synthy von welcher Spur angesteuert wird. Ganz rechts befinden sich dann noch die beiden Soundlisten für die Instrumentennamen und die Percussion. Die glücklichen Besitzer eines STE oder TT können von hier sogar ein Sam pleset einladen. Leider geht dabei der aktuelle Song verloren, da Concerto nicht den kompletten noch zur Verfügung stehenden Arbeitsspeicher überprüft. Anschließend ist ohne weiteres ein neuer Song ladbar. Was das Laden und Speichern angeht, läßt Concerto keine Auswege offen. Versucht man, etwas auf Platte zu speichern und stellt nicht den richtigen Pfad ein, so daß zum Beispiel auf eine schreibgeschützte Diskette in Laufwerk A zugegriffen wird, bleibt nur die Möglichkeit, eine nicht schreibgeschützte Diskette zu suchen und auf diese zu speichern. ATARI ausschalten geht natürlich auch noch!? Hier wäre schon ein wenig mehr Flexibilität wünschenswert. Durch Konvertieren einer Synth-Bank auf eine andere ist das Anpassen von Percussion-Spuren möglich, ohne eine neue Drummap erstellen zu müssen.

MIXER Window

Jeder, dermal seine Controller-Daten Event für Event eingegeben hat, der kann sehr gut abschätzen, wie viel Zeit dabei drauf geht. Mit diesem MIDI-Mixer ist das Programmieren der Controller kein Thema mehr. Am linken Bildschirmrand wählt man unter „Mixing Effect“ die Parameter (Gruppe) an und verändert ganz rechts in der Track List den Balken mit der Maus. Bei Anwahl von „Control Change“ tritt die mittlere Liste, die auch genauso benannt ist, in Kraft. Durch Scrollen der Liste und einfaches Klicken auf die Controller-Nummer geschieht die An wahl des entsprechenden Parameters.

Bei Tempo Veränderungen reicht es aus, den Balken einer einzigen Spur zu verändern, und alle anderen ziehen gleich mit. Eigentlich eine logische Folge, aber mit unterschiedlichen Tempi lassen sich interessante Effekte simulieren. Zum Beispiel ein doppelt so schnelles HiHat oder ein halb so schnelles Sequenzer-Pattern mit anderen Parametern abgespielt, erzeugen sicherlich mehr Leben. Vielleicht wird dies ja bei einem Update berücksichtigt. Diese Art von Mixer ist auf jeden Fall das Nonplusultra eines Sequenzers, da nur so wertvolle Zeit eingespart werden kann - ganz zu schweigen von der globalen Übersicht.

Fazit

Concerto ist auf eine einfache Bedienung ausgerichtet und läßt ein schnelles Handling nicht allein wegen der guten Übersicht zu. Die wichtigsten Windows sind als Editor-Fenster gestaltet und erlauben einen schnellen Zugriff auf alle Einstellungen, auch wenn, wie ich meine, einige Windows zusammengefaßt werden könnten. Das Programm hat weder einen Software- noch einen Hardwareschutz und bereitet bei der Installation auf Festplatte keine Probleme. Ein mächtiges Tool ist das Laden, Speichern, Senden und Empfangen von System-Exclusive-Daten. Eine ganze Reihe SY22 (Yamaha)-Effekte befindet sich auf der mitgelieferten Diskette. Diese sind auch über ein separates mitgeliefertes Sample-Programm sortierbar und zu kontrollieren. Leider ist das Abhören der Samples den STE- und TT-ßesitzern vorbehalten, da diese ATARI-Computer die Klänge über den DMA-Chip wiedergeben können. Concerto schlägt bei den Features in keiner Weise über die Stränge, stellt aber die wichtigsten Werkzeuge bereit, um einen Song erstellen zu können. Concerto ist auf jeden Fall ein Anwärter auf die deutsche Sequenzer-Mittelklasse. Mal sehen, was die von der Insel noch daraus machen. Das 107seitige, in englischer Sprache gehaltene Handbuch ist klar gegliedert und beinhaltet auf den letzten Seiten ein Stichwortverzeichnis, um die Suche nach speziellen Lösungen zu vereinfachen. Das DIN-A5-Format findet bestimmt auf jedem Computertisch seinen Platz. Eine Möglichkeit habe ich im Test bisher ganz ausgeklammert, da dafür ein weiteres Programm von der Diskette gestartet werden muß - Concerto ist also nicht aktiv: gemeint ist der MIDI-File-Converter. Ein Programm, das es ermöglicht ein MIDI-Standard-File in das Concerto-Format zu konvertieren und umgekehrt.

Warum dies nicht von Concerto-Ebene aus bewerkstelligt wurde, ist mir ein Rätsel. Daß diese Möglichkeit dennoch geboten wird, sollten wir schon als positiv betrachten. Alles in allem läßt sich mit Concerto ohne große Probleme arbeiten, auch wenn im Handbuch mal links und rechts vertauscht wird. Wer bisher mit Sequenzern der 500- bis 1000,- DM-Kategorie gearbeitet hat, wird sich an Concerto wohl nicht gewöhnen können - was nicht bedeuten soll, daß Concerto nichts taugt.

ww

Bezugsquelle:
Soft Arts Postfach 127762 W-1000 Berlin 12

Positiv:

Sys. Ex. Load/Save/Receive/Transmit
Samples abspielen (STE,TT)
schnelle Bedienung
gute Übersicht
MIDI-Mixer

Negativ:

Eingeschränkte Möglichkeiten
MIDI-File-Import/Export umständlich
kein Notenausdruck
Daten permanent im Speicher
teilweise lieblos gestaltete Dialogboxen



Aus: ST-Computer 03 / 1993, Seite 116

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