Atari läßt nicht locker: Regelmäßig erscheinen neue Module für die tragbare Videospielkonsole Lynx. Im Kampf gegen Nintendos Game Boy und Segas Game Gear setzen die Amerikaner weiterhin auf Umsetzungen bekannter Spielautomaten. Als Münzschlucker machte „Stun Runner“ eine gute Figur: Auf einem Tragflächenboot jagt der Akteur durch ein gutes Dutzend enger Tunnels. Beschleunigungsfelder und Sprungschanzen bringen das schnittige Vehikel auf Hochtouren. Beim Kampf gegen das enge Zeitlimit fährt das Lynx mit flüssiger 3-D-Vektorgrafik, spritziger Musik in Stereo und glockenklarer Sprachausgabe auf. Trotzdem bleibt der Spaß auf der Strecke, was am völlig eintönigen Gameplay liegt.
Nicht viel besser ist es um Ataris zweite Raserei „Hydra“ bestellt. Als Expreßkurier darf der Spieler in einem turboschnellen Motorboot über die Weltmeere flitzen. Entgegenkommende Schiffchen und Minen fegt die bordeigene Kanone vom LCD-Display. Damit auch ja nicht die Munition oder gar der Treibstoff ausgehen, treiben Nachfüllkanister in den Fluten. Neben der Standardwumme greift die moderne Wasserwacht auf Schnellfeuerwaffen oder Raketenwerfer aus dem Extra-Arsenal zurück. Handwerklich entpuppt sich Hydra als schlimme Wasserleiche: Triste Landschaften ruckeln über den Bildschirm, die Steuerung reagiert entweder zu spät oder gar nicht. Vergleichsweise schneidet „Turbo Sub“ gleich um zwei Klassen besser ab. Wer hier allerdings eine ausgefeilte U-Boot-Simulation erwartet, ist auf dem Holzweg. Stattdessen steckt reichlich Action im Cartridge. Bevor der U-Boot-Kommandant auf dem Meeresgrund zwischen Felsen und Minen nach Schätzen sucht geht er im ersten Level in die Luft. Aus dem Cockpit seines Jagdfliegers atomisiert er alles, was nicht niet und nagelfest ist. Zwischen den abwechslungsreichen Levels investiert man sein Geld in Extraleben oder bessere Waffen. „Turbo Sub“ reizt Ataris 3D-Chip voll aus. Nach der eher schwachen Flugeinlage läuft das Programm unter Wasser zur Hochform auf Action- und Geschicklichkeitseinlagen halten sich die Waage, Langeweile kommt so garantiert keine auf.
Gleiches gilt für die originalgetreue Umsetzung des aberwitzigen Jump-and-Runs „Toki“. Ein böser Obermotz hat den Helden in einen haarigen Orang-Utan verwandelt und zu allem Übel auch noch die Freundin gemopst. In den acht großen Levels macht „Toki“ ausgiebig Gebrauch von seinen schlechten Manieren. Rücken ihm Vögel oder Spinnen auf den Leib, schickt er sie mit seinem Mauldampf ins Jenseits. Jedes Level bietet einen hübschen Zwischengegner und das unvermeidliche Supermonster vor dem Ausgang. Toki sprüht vor Gags und Abwechslung Dazu gesellen sich tadelloses Scrolling in alle Richtungen und eine feinfühlige Steuerung.
In die gleiche Kerbe wie „Toki“ schlägt auch die Umsetzung des zwei Jahre alten Computerspiels „Viking Child“. Als Nachwuchsgottheit erkundet der kleine Brian zwölf üppige Landschaften seiner frostigen Heimat. Giftige Pflanzen und finstere Rittersleut wollen ihm ans Leder. Durch den gezielten Einsatz seines Schwertes gibt Brian den Angreifern Saures. Als Abschiedsgeschenk hinterlassen etliche von ihnen Goldmünzen auf dem Display. Von der Beute ersteht der Held im Shop bessere Waffen, Bomben oder eine Rüstung. Richtig ausgestattet steht als nächstes ein Besuch beim Obermonster auf dem Reiseprogramm. Viking Child erinnert stark an den Konsolenklassiker Wonderboy in Monsterland. Putzige Grafik, Paßwörter und die pflegeleichte Bedienung vertuschen anfangs noch den Mangel an zündenden Einfällen. Beim schnellen Spiel in der U-Bahn machen Brians Eskapaden am meisten Spaß. Im Dauertest pendelt sich die Motivation knapp über dem Durchschnitt ein.
Artisten am Joypad geben da den lila Knuddeltieren aus „Super Skweek“ den Vorzug. Immerhin wartet der französische Geschicklichkeitstest mit fünf Welten zu je 50 Levels auf. In jedem Abschnitt gilt es, das gesamte Spielfeld rosa einzufärben. Etliche Monster und spezielle Magnetfelder sollen genau das verhindern. Zum Glück besitzt der wollige Titelheld eine Schußwaffe, die sich mit Extras gehörig aufpäppeln läßt. Im Netzwerk-Modus des Lynx machen sich zwei Skweeks gleichzeitig ans Werk. Zu den Stärken des launigen Moduls gehören comicmäßige Zwischengrafiken und handliche Paßwörter zum Abspeichern.
Im Vergleich zu den flauschigen Skweeks schlagen die Roboter aus „Cyberbair härtere Töne an. Ataris rauhbeiniger Zukunftssport zeigt das Geschehen aus der Vogelperspektive. Bis zu vier Teams gehen nach dem K.O.-System auf Punktejagd. Wie beim American Football gilt es, den Ball möglichst lange in den eigenen Reihen zu halten. Zwischen den Spielzügen fallen am Steuerkreuz die taktischen Entscheidungen für die nächsten Sekunden auf dem Feld. Neben strategischen Finessen entscheiden Schußwaffen und die bessere Panzerung über Sieg oder Niederlage. Gegen den Computer zieht man häufig den Kürzeren: Nur Adleraugen erkennen, was gerade im Stadion vor sich geht. Neben der mickrigen Grafik sorgt die knappe Anleitung für Kopfzerbrechen. Sportbegeisterte Männerabende knobeln das komplexe Regelwerk am besten selbst aus.
Auch das Formel-1-Spektakel „Chequered Flag“ gibt erst im Freundeskreis Vollgas. Solisten erwartet eine etwas öde Bolidenhatz auf 18 Strecken. Wieder einmal legt sich das Lynx mit flotter 3D-Grafik und Sprachausgabe ins Zeug. Auch an Optionen fürs Getriebe und die Zahl der Gegner herrscht kein Mangel. Richtig zur Sache geht’s aber erst, wenn sechs Handhelds im Netzwerk hängen. Bei den trickreichen Verfolgungsjagden zeigt „Chequered Flag“ allen anderen Rasereien für unterwegs den Auspuff. Wesentlich geruhsamer sportelt es sich bei „Awesome Golf“. Satte drei Kurse hat Atari in das Modul gepackt Am Abschlagpunkt sieht der Golfer das Grün aus der Vogelperspektive. Anschließend holt er den passenden Holz- bzw. Eisenschläger aus der Tasche und stellt die Schlagstärke und Richtung ein. Ist diese Arbeit mit Hilfe von drei übersichtlichen Menüs vollbracht, präsentiert das Programm in einer imposanten 3D-Einlage den Flug des Balls. Neben grafischen Gimmicks bietet Awesome Golf allerlei Features: Sandbunker, Wasserlöcher und Wind machen einem das Einputten schwer. Leider benötigen Nachwuchs-Langers mehrere Spielekonsolen, um gegeneinander golfen zu können.
Hockey sorgt ebenfalls für Fitneß vor dem Display. Ein oder zwei Spieler mischen in der US-Eishockey-Liga mit. 22 Teams stehen zur Auswahl. Im Übungsmodus darf der Kufenkünstler Bullys üben und probehalber Gegenspieler verdreschen. Auf dem Eis kurven die Akteure dann in der Seitenansicht dem Puck hinterher. Merkwürdigerweise steuert man dabei immer den gleichen Rowdy. Der Rest der Mannschaft agiert wie von Geisterhand, allerdings keineswegs lehrbuchreif. Zum Glück bügelt Hockey dieses Manko durch einen reichhaltigen und nützlichen Statistikteil und schicke Animationen während der Standardsituationen wieder aus.
Wem die langwierige Saison nicht reicht, den lockt Atari mit vier Glücksspielen in das hauseigene „Casino“. In der portablen Spielhölle gibt es einarmige Banditen, Roulette- und Würfeltische sowie schummrige Pokerrunden. Alle Disziplinen der Abzocker-Olympiade bestechen durch ihre enorme Regeltreue. Technisch gibt „Casino“ nicht viel her: Schlichte Grafik, wenig Musik und ein berechenbarer Zufallsgenerator beschleunigen den Griff zum Ausschalter ungemein. Auch im Clinch gegen einen zweiten Lynxianer bietet das Modul mehr Masse als Klasse - ein Flop!
Zum Schluß noch ein echter Geheimtip für Gehirnakrobaten: „Ishido“. Schon auf Computern zettelte Michael Feinbeins pfiffiges Ablege-Puzzle zügellose Grübeleien an. Alles dreht sich darum, auf einen quadratischen Spielfeld 64 farbige Klötzchen unterzubringen Klingt einfach, ist aber höllisch schwierig. Es dürfen nämlich nur gleichfarbige Steine oder solche mit demselben Symbol nebeneinander liegen. Damit nicht genug: Ishido bietet vier abwechslungsreiche Spiel-Modi beispielsweise gegen die Uhr oder in einer Liga. Außerdem heizt eine speicherbare High-Score-Liste die Motivation an. Ishido gehört wie „Shanghai“ oder „Klax“ in die Sammlung jedes knobelfreudigen Lynx-Fans.
CBO